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Nach einiger Zeit erreichten wir einen großen Platz, umrundet von verschiedengroßen Häusern. Vor uns stand geradezu das Größte. Es war in Holzoptik gehalten und die große zweigeteilte Tür stand offen.
Sam lief voraus und entschied sich dafür, das Haus zu betreten. Im Inneren roch es nach Wald und Harz. Wir durchquerten einen Flur und landeten in einem großen Raum. Vorne stand eine große Bühne, auf der sich ein Podium, mit einem Mikro befand. Wir schauten uns erstaunt um, als von hinten auf einmal eine raue Stimme sagte: „Ihr seid ja schon da. So früh hatte ich noch nicht mit Gästen gerechnet.“
Die Art wie er „Gäste“ aussprach jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich drehte mich fast zeitgleich mit Sam um.

Vor uns stand ein hagerer Mann von bestimmt 55 Jahren. Er hatte schütteres graubraunes Haar und fast leuchtende rote Augen. Für einen Moment erinnerte er mich an die menschliche Ratte Smiley, aus dem Horrorfilm "Never trust a rat at midnight“, den ich mir mal heimlich mit meiner besten Freundin Amy angeguckt hab. Ich musste unwillkürlich grinsen, als ich an den Abend dachte.
Mein Gegenüber fasste das aber ganz falsch auf und meinte mit seiner Gruselstimme „Lachst du etwa über mich? Die letzte Person die sich das getraut hat…“ Er grinste hässlich. Dieser komische Typ war mir echt unheimlich.

***

Auf einmal löste sich ein Schatten aus einer Ecke des Raumes und kam auf uns zu. Durch die spärliche Beleuchtung konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, aber ich könnte schwören, dass ich den Schatten und seine Konturen von irgendwo her kannte.
„Hey Harry, jag den Armen doch nicht immer solche Angst ein!"
An uns gewendet sagte er dann: „Tut mir Leid, er ist ein kleiner Griesgram, aber glaubt mir, wenn ihr erst mal Unterricht bei ihm habt, werdet ihr ihn mögen.“
Unterricht? Ich glaube ich hab mich verhört. Diese McWyer meinte vorhin zwar, dass das hier eine Academy ist, aber ich will hier nicht zur Schule gehen! Was ist denn mit meiner Schule in Alexandria, meiner Klasse, meinen Freunden, Amy…

***

„Na kommt mal mit“, meinte der große Mann vor uns. Als wir uns nicht rührten fügte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht hinzu: „Keine Sorge, ich werde euch weder einsperren, noch mit euch kämpfen. Ich war schon immer gegen diese Aktionen, aber McWyer sieht es ja als Ritual an...!“


Sam bewegte sich als Erstes. Ethan und ich folgten ihr daraufhin. Der Mann lief nach vorne und bat uns mit auf die Tribüne zu kommen. Wir stiegen die drei Stufen hoch und standen dann vor dem Podium.  „Achso, ich hab mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Mr. Hale aber nennt mich bitte einfach Chris. Und wer seid ihr? Ich brauche die Namen, um sie zusammen mit eurer Zeit, die übrigens hervorragend ist, in das Campbuch einzutragen.“ Nacheinander stellten wir uns vor. Danach sollten wir ihm kurz erzählen, wie uns die Flucht gelungen ist und ob wir schon wüssten, wo wir uns befanden. Als Sam und ich ihm sagten, dass uns das schon eine gewisse McWyer versucht hat zu erklären musste er schmunzeln.
„Ach dann seit ihr die Beiden, die den armen Thaddeus im Bunker eingesperrt habt?“
Ich merkte, wie mein Gesicht rot anlief. Aus irgendeinem Grund war mir das echt peinlich, dabei haben wir ja nur aus Instinkt gehandelt.
Sam hingegen war anscheinend sehr stolz darauf, denn sie rekte sich, um noch ein bisschen größer zu werden und lächelte selbstsicher.
McWyer hat mich schon angerufen und gesagt, dass ihr erst mal hierbleiben sollt, bis die restlichen Kids auch eingetroffen sind.“, sagte Chris. In diesem Moment klingelte sein Handy.

***

Während er sich zum Telefonieren etwas zurückzog, setzten sich Sam und ich an den Rand der Bühne und ließen unsere Beine baumeln. Ethan setzte sich unsicher neben uns.
„Also Leute, wir haben es geschafft.“, meinte Sam, „jetzt können wir uns ja mal ganz normal vorstellen. Ich fang mal an. Also wie ihr ja schon gemerkt habt heiße ich Sam. Ich bin Vollblutmexikanerin und mache in meiner Freizeit am liebsten Kampfsport. Ist mir egal welche, hauptsache ich kann mich abreagieren. Außerdem habe ich eine große Schwester und drei Cousins. Die sind allerdings noch in Mexiko.
Meine Mutter und ich wohnen hingegen schon seit ein paar Jahren in Allentown, Pennsylvania. Ich bin 16 Jahre alt und ich glaube mehr habe ich auch gar nicht mehr zu sagen. Lucy, machst du weiter?“

Ich hatte echt keine Ahnung, was ich von mir preisgeben sollte und ratterte deshalb erst einmal die normalen Fakten runter.
„Ich bin Lucy und komme aus Alexandria, Virginia. Ich bin noch 15 werde aber noch 16, um genau zu sein am 9. Mai. Ich habe zwei total überbesorgte Eltern und dank ihnen schon mindestens 20 Selbstverteidigungskurse absolviert.“ Beim letzten Fakt hörte ich, wie jemand hinter mir lachte. Ich drehte mich um und vor mir stand Mr. Hale. „Die habe ich gemerkt. Ich glaube, du warst diejenige, die sich am meisten gegen die Entführung gewehrt hat. Der Rest hat immer sofort tief eingeatmet, da sie dachten, dass wir versuchen würde sie mit dem Tuch zu ersticken, aber du hast anscheinend am Anfang gar nicht geatmet.“

Daher kannte ich seine Konturen. Er war der Schatten, der mich raus in die Nacht und somit direkt ins seine Arme gelockt hat.
Aber Moment mal, er konnte es gar nicht gewesen sein. Also zum Mindest nicht die Person, die mich betäubt hat, denn der Schatten war ganz sicher hinter der Mauer verschwunden und nicht wieder zurückgekommen.                           
„Du…sorry, Sie waren aber nicht alleine.“, kombinierte ich daraus.
„Ja das stimmt. Und du kannst mich ruhig duzen. Bei den anderen Lehrern wäre ich mir da am Anfang aber nicht so sicher. Zur Rekrutierung fahren wir immer in Zweierteams raus. Dieses Jahr hatte ich Verstärkung von meinem Auszubildenden. Ihr werdet ihn nachher auch noch kennenlernen. Eigentlich sollte er schon längst hier sein.“, fügte er nachdenklich hinzu.

„Wie sieht er denn aus? Vielleicht haben wir ihn ja gesehen?“, fragte Sam Chris.
„Naja, er hat schwarze Haare, graue Augen und ist 16 Jahre alt. Und er ist ungefähr so groß wie ich.“, beschrieb er ihn.
Ich sah zu Sam und sie zu mir. Wir wussten sofort warum er noch nicht hier war.
„Ich glaube wir haben ihn vorhin ausgenockt.“, sagte ich schuldbewusst. „Wie bitte??? Das glaube ich euch nicht! Tut mir Leid, dafür ist er viel zu stark & kampferprobt!" sagte Chris stirnrunzelnd.
"Wo habt ihr ihn den gesehen? Denn im Wald sollte er sich eigendlich nicht rumtreiben." 
Sam erklärte kurz wo und wann wir ihn gesehen haben und warum wir ihn "unschädlich" machen mussten.
Daraufhin musste Chris lachen. „Mann, wenn das stimmt ist das echt peinlich für ihn.“
„Warum das denn?“, fragte ich ihn verwundert.
„Luca hat bei uns vor fast anderthalb Jahre seine Ausbildung als Lehrer für Nahkampf und Waffentraining angefangen. Davor wurde er hier auch zum Agent ausgebildet. Er war sogar so gut, dass er seine Ausbildung in nur 3 Monaten abgeschlossen hat. Somit war er der Erste, der als Codename keine zwei Zahlen bekommen hat. Aber das Codesystem wird euch McWyer nachher bei ihrer Wilkommensrede noch erklären.“
In diesem Moment kamen mindestens 10 Jugendliche in den Raum gestürmt. Sie hatten angespannte Gesichter und man sah ihnen sofort an, dass sie das Gleiche wie wir durchgemacht haben. Chris verabschiedete sich schnell von und lief rüber zu der Gruppe Neulingen.

Agent 16 - Das Boot Camp (ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt