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Ich drehte mich langsam um. Vor mir stand ein Junge. Er hatte schwarze Haare und undurchdringliche graue Augen. Ich war wie erstarrt von seinem Blick und hatte echt Angst, doch dann sah ich, wie Sam von hinten kam und erwachte wieder aus meiner Starre. Wir hatten keine Ahnung ob er auch zu den Leuten zählt, die uns gekidnappt haben und müssen deshalb erstmals verhindern, dass er in irgendeiner Weise auf uns aufmerksam macht. Ich wollte gerade zu einem Schlag ausholen, da strauchelte der Junge, ließ seine Hand von meiner Schulter ab und stolperte nach vorne. Ich konnte noch schnell genug ausweichen und so fiel er nicht auf mich, sondern auf den asphaltierten Boden. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, denn er konnte sich nur knapp mit den Händen abfangen. Sam kam zu mir rüber und gemeinsam sorgten wir dafür, dass der Junge nicht so schnell aufstehen konnte, wie er es vielleicht gewollt hätte. Danach nahm Sam ihn in den Schwitzkasten. Ich hatte totale Angst, dass sie ihn erwürgen wollte. Immerhin kannte ich sie erst seit kurzem und wusste nicht wozu sie fähig war. Doch sie sorgte nur dafür, dass er ohnmächtig und somit unschädlich für uns wurde. Die Männer auf den Paletten hatten von dem Ganzen nichts mitbekommen und so stand unser Plan noch.

***

Ich schlug vor, dass ich ein auf unschuldiges Mädchen machen könnte und ihnen vorgaukeln könnte, dass ich mich im Wald verlaufen hätte.
„Moment mal Süße. Du glaubst doch nicht wirklich, das die dir das abkaufen. Hast du dich mal angeguckt. Du könntest im Moment eher in einem Thriller oder Horrorfilm mitspielen.“ 
Es stimmte was sie sagte. Meine Hose war an den Knien aufgerissen und über mein rechten Arm zog sich ein tiefer Schnitt, der mit einer Blutkruste überzogen war. Das muss wohl das Resultat von meiner Selbstbefreiungsaktion sein. Sam sah noch um einiges besser aus und so beschlossen wir, dass sie vorgehen würde.

Ich versteckte mich hinter dem Wagen und beobachtete wie Sam schräg von hinten auf die Männer zulief. Sie machte die Drei auf sie aufmerksam und spielte ihre Rolle mit unschuldiger Mine perfekt. Doch dann fingen die Männer an zu lachen und einer stand auf. Er ging auf Sam zu und sprach mit ihr, wobei sich ihr Gesichtsausdruck von verwundert zu verblüfft und zum Schluss total wütend änderte. Sie wank mich zu sich ran und so traute ich mich aus meinem Versteck. Dabei musste ich über den Jungen steigen, den wir gerade eben noch hollywoodreif k.o. gemacht haben. Ich stellte mich neben Sam und schaute die Männer erwartungsvoll, aber auch fragend an. Ich wollte total gerne wissen, was sie Sam erzählt hatten. Als die Typen uns nach einer halben Minute immer noch nichts sagten wurde ich ungeduldig und sah meine schwarzhaarige Begleiterin fragend an.

„Du willst gar nicht wissen, was diese Witzbolde mir hier gerade erzählt haben“, und an die Männer gewannt meinte sie nur „Den Humbug könnt ihr gerne eurer Großmutter erzählen. Wir haben auch kein Problem damit die Informationen von euch auf andere Weise zu bekommen. Allerdings wird euch das dann wohl nicht so gefallen!“ 
Die drei Männer brachen nur in schallendes Gelächter aus und ich merkte wie sich das Mädchen neben mir verspannte. Sie war kampfbereit. Ich hatte echt keine Lust auf noch einen Kampf und außerdem waren wir diesmal wirklich kräftemäßig unterlegen. Um ihr zu zeigen, dass sie ruhiger werden sollte umschloss ich ihre zur Hand geballte Faust. Der Mann in der Mitte stand auf. Sofort waren alle meine Muskeln gespannt und ich ließ Sams Hand los, damit auch sie im Falle einer Auseinandersetzung freien Spielraum hat. Doch der Typ bleibt ganz locker stehen und grinst blöd vor sich hin. „Ihr glaubt uns nicht, dann kommt mit, ich für euch zu McWyer. Da bekommt dann alles erklärt.“ 
Sam und ich warfen uns einen Blick zu und verstanden uns ohne Worte. Wir waren bereit mit ihm mitzukommen.
Klar war es eine große Gefahr, doch die draußen wirkten echt harmlos und wenn nicht waren wir wenigstens echt weit gekommen.

***

Der Typ vor uns stellte sich kurz als Mr. Brown  vor und lief dann voraus in das Gebäude. Wir folgten ihm, waren aber jederzeit bereit umzudrehen, wegzurennen oder zu kämpfen. Doch wie sich herausstellte war das gar nicht nötig.
Im Inneren herrschte absolute Leere und von den kahlen, grauen Wänden hallten unsere Schritte wieder. Wir durchquerten einen großen ovalen Raum, an dem verschiedene Terminals waren, die welchen vom Flughafen ähnelten. Danach liefen wir auf eine Treppe zu, die sich in die Wand hineinzufressen schien. Sie ging wendelförmig nach oben und schon nach kurzer Zeit war mir leicht schwindlig.
Daheim in unserem Haus waren alle Treppen gerade, eben, damit wir nicht die ganze Zeit im Kreis laufen müssen. Gut, vielleicht auch, weil meine Eltern die Eichenwendeltreppen nicht so schön fanden und die Mosaiktreppen bevorzugten.
Meine Eltern. Was die Beiden wohl gerade machen? Meine Mutter stirbt wahrscheinlich schon vor Sorge und mein Vater regt sich die ganze Zeit darüber auf, dass er ja immer gesagt hat ich solle einen Leibwächter bekommen, eben damit so etwas nicht passiert.                                          
Sam stupste mich mit ihrer Schulter an und holte mich damit zurück in die Gegenwart. Wir standen vor einer weißen Tür, an der ein goldenes Schild hing, auf dem in schwarzen Großbuchstaben „BOSS“ stand. Bestimmt ist dieser McWyer ein totaler Protztyp. Ich würde zu gerne wissen was das alles hier ist.

***

Der Mann, der sich als Mr. Brown vorgestellt hatte öffnete die Tür und schob Sam und mich in den Raum dahinter. Ich war überwältigt von der große des Zimmers.
Die Außenwand war fast komplett verglast und im Gegensatz zu den anderen, begrenzenden Wänden rund. Die Wände waren in einem strahlenden Weiß gestrichen und der Boden war mit hellem Laminat ausgelegt. In der Mitte stand ein ebenfalls weißer Schreibtisch auf einem mintfarbendem Teppich.
Die Sicht auf die Person hinter diesem Tisch wurde durch einen Computer halb versperrt. Unschlüssig blieben Sam und ich stehen und hörten nur noch wie die Tür hinter uns mit einem leisen „Klack“ wieder geschlossen wurde. Jetzt waren wir alleine mit diesem mysteriösen McWyer.
Vielleicht konnte er ja Licht ins Dunkle bringen.

Agent 16 - Das Boot Camp (ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt