Das Messer hatte ich unter meinem Krankenhauskittel versteckt, denn seit meinem hysterischen Lachanfall von vor einer Woche, stattete mir immer und immer wieder, jeden Tag und sogar jede Stunde eine Psycho Lady, die wohl selber eine Spezialistin auf meinem Themenbereich war, mir einen Besuch ab. Krankhafte Halluzinationen wegen Drogen. Das war es, was man zu mir gesagt hatte was ich hätte, deshalb auch befand ich mich in einer Entzugsklinik, die für besondere Fälle galt. Also angeblich für mich. Das lächerliche an der ganzen Sache war, dass ich noch nie mit Drogen jemals in Kontakt gekommen war. Aber nehmen wir es mal Locker, ich bin nur eine Bürgerin, die in den Marionettendrähten und Gehirnwäschen der höheren Stände lebte. Also war ich immerhin nicht die einzige die so lebte, manche bekommen es deutlich zu spüren, andere dachten ihnen ginge es perfekt oder gut, doch lebten sie ein Leben so wie ich. Nur ohne diese ganzen Show Kulissen und den Schmerzen, die wir deutlicher hier zu spüren bekamen.
Genervt verdrehte ich innerlich die Augen, als die verrückte vor mir auf mich einzureden versuchte. Hoffnungsvoll gestikulierte sie wild mit ihren Armen und Händen, lächelte mich die ganze Zeit aufgetakelt an und musste sich sichtlich Mühe geben, nicht den Verstand wegen mir zu verlieren um dann in voller Wut um sich zu schlagen. Ich hingegen war nur genervt, zählte die Sekunden und war auch wie sie genervt am Hoffen, dass sie bald endlich gehen würde. Jedoch waren ja unsere Hoffnungen bekanntlich unterschiedlich, wobei ich stark anzweifle, dass sie für mich Hofft. Eher hoffte sie wohl doch verzweifelt auf ihr notgeiles Geld. Ich saß immer noch in diesem kleinen Raum, meinen Beinen wurde der Gips gewechselt und sonst hatte man nicht viel an mir geändert. Nur meine selbst an mir gekennzeichneten Linien und Formen auf meinem Köper hatten sich vermehrt. An den Gedanken, wie die Formen und Lienen auf meinem Bauch, meinen Oberschenkeln und Armen verliefen, musste ich leicht schmunzeln, dabei schob ich mir meinen Zeigefinger in den Mund und strich sanft mit meiner Zunge über eine kleine Schnittwunde an meiner Fingerkuppe, die so sehr nach Eisen schmeckte und mich erschaudern ließ. Dieser Geschmack konnte mich wunderbar von dieser verdammt dünnen und unnötig hochgetorkelten Frau ablenken. Wann verschwand sie denn?
„Juliette? Juliette hören Sie mir eigentlich zu?" Hörte ich sie auf einmal aus meinen Gedanken zerrend auf mich weiter einreden. Ich schaute ihr abrupt unschuldig in die Augen, wobei ich meinen Finger immer noch in meinem Mund hielt. Sie hingegen seufzte nur schwermütig und das bewegte nichts in mir.
„Ich bitte Sie", dabei sah sie mir tief und auf einmal ermüdet in die Augen, „Juliette, Sie müssen darüber reden, reden wie es dazu kommen konnte, wie es gekommen ist. Es kann doch nicht aus heiterem Himmel gefallen sein." Ich runzelte leicht fragend die Stirn. Wieso konnte sie nicht verschwinden, sie würde eh das gleiche irgendwann mit mir abziehen, wie die anderen auch vor ihr. Erst auf total Lieb, Nett und Hilfsbereit tun und dann mit dem Messer einen in den Rücken fallen. Aber dieses mal werde ich nicht mehr klein bei geben, dieses mal, wenn jemand mir nochmal mit dem Messer in den Rücken fallen würde, würde ich nur böse lachen, mich umdrehen und hinunterschauen und einfach nur sagen: „Oh, dass tut mir leid. Habe ich ihnen mit meinem Rücken, ihr Messer zerstört?" Bei dieser Entschlossenheit von mir fing ich siegessicher an vor mir her zu grinsen und zog dabei meinen Finger aus dem Mund. Sie hingegen sah mich an und schluckte schwer, viel zu schwer. Hatte da etwa jemand Angst? Ich zog nur noch wissend eine Augenbraue nach oben. Gott, wie sehr ich diese Macht, dieses Wissen, dass der gegenüber Angst vor einem hatte endlich mal selber genieße und verstehe, sowie wunderbar benutzen konnte. „Juliette, was auch immer dir zugestoßen ist, es musste ein furchtbarer Fehler für dich gewesen sein, der ...", weiter kam sie nicht mehr, denn ich lachte verbittert auf. Verbittert, weil ich förmlich ihre Angst vor meiner geisteskranken Behinderung spüren konnte. Dabei blickte ich immer weiter in ihre Augen, brach keinen Kontakt und hörte in die Stille, die uns umgab hinein. Die Stille, die alle still zählenden Sekunden zu verschlucken schien. Stille, die mir Macht über diese Situation verlieh. Denn die Leute vergaßen hier viel zu oft, dass die Stille, der Schmerz und die pure Dunkelheit unsere Freunde waren, die wir mehr zu verstehen wussten als jeden anderen. Genau wie jetzt, während sie von der Stille zu verschrecken wurde, nahm ich diese mir als einen Freund in mich auf, genoss diese und lernte immer und immer mehr die Macht der Stille kennen. Denn alle haben mehr Angst vor der Ruhe als vor einem heftigen Orkan. Denn diese lässt bekanntlich jeden zappeln.
„Ja", hauchte ich auf einmal, doch bedacht, dass die momentane Atmosphäre so bleiben sollte. Sie sollte die Angst spüren, nicht ich. „Ein Fehler, so wie ihre Geburt, was?" Sie zog auf einmal tief Luft und sah mich dann funkelnd an, doch trotz dessen, konnte ich die schlecht versteckte Angst in ihren Augen flackern sehen. So schwach und dumm war diese Frau vor mir, dass sie mir schon fast Leid tat. Aber leider nur fast.
„Juliette – Also wirklich, so was sagt man nicht, das ist unerhört und respektlos!" Redete sie streng auf mich ein, was ich nur mit einem Schulterzucken quittierte. Sie seufzte mal wieder erschöpft und rieb sich mit ihren Knochenhänden über ihr langes, faltiges Gesicht. Angewidert verzog ich das Gesicht, sie ekelte mich mit ihrer Art zu sehr an. „Juliette, ich bitte Sie. Reden Sie verdammt nochmal mit mir!" Sie schrie. Sie hatte mich angeschrien und die Stille, meine Macht in der Luft, durch ihren verzweifelten Schrei zerrissen. Wütend verzog ich mein Gesicht, ich spürte wie die Wut in mir zu Kochen begann, als diese dumme, so unglaublich dumme Frau einfach weiter auf mich lauthals einredete. Und dann, brachte sie mit einem Verdammten Satz das Fass nun endgültig zum Überlaufen. „Ihre Familie steht doch hinter ihnen!" Meine Hände ballten sich zu Fäusten, ich bohrte mir mit meinen Fingernägeln in mein eigenes Fleisch, so dass schon Blutrinne meine Fäuste entlang liefen. Doch bald würde nicht nur mein Blut daran fließen und kleben, wenn diese nicht endlich ihre dumme Klappe halten würde. „Ach ja, ist das so?" Drückte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich versuchte mich zu beherrschen, doch es klappte nicht, sie verstand wohl keine Grenzen und das obwohl sie doch für mein Thema so eine tolle Expertin und Spezialistin wäre. „Natürlich ist das so, Familie hält schließlich immer zu-", ich unterbrach sie, konnte meine Wut nicht mehr zurückdrängen und einerseits war es auch ihre eigene Schuld was darauf passierte. Denn ich war mir so ziemlich sicher, dass sie mein unkontrolliertes Zittern, meine vor Wut geballten Fäuste und das beben der Stimme gesehen und gehört hatte. Aber sie hatte es ausgenutzt, wollte mir eins wegen vorhin ausweichen, doch dumm nur, dass man das auch nur machen kann, wenn man die richtige Position des Standes hatte und in diesem Raum, war ich, auch wenn ihr es nicht klar war, die, die höher gestellt war als sie.
Und ich glaube auch, dass die anderen aus dieser Klinik wussten, was ich dieser Frau nun irgendwann antun würde. Aber als es zu spät war, als ich voller Wut ihr meine Kontrolle abgab, auf sie einschlug, all meine körperlichen Hindernisse und Schmerzen verdrängte und blind vor Wut immer weiter auf sie einschlug, wobei ich irgendwann mein Messer unter meinen Kittel hervor nahm und Zehn, Hunderte, nein gefühlte abertausende male auf sie einstach, wusste ich, dass ich schon wieder einen Kampf verloren hatte. Ich hatte meine Kontrolle wegen der Wut verloren, wegen einer Frau die mich gereizt hatte und bei mir ins Schwarze getroffen hatte. Wegen einer Frau, die mir die Leute von hier und wahrscheinlich auch es geschickt hatten, weil sie auf einen Mord an einer Frau gehofft hatten. Denn jetzt sprach alles gegen mich und ich sah hinab, auf die mit Blut und Löchern übersäte Frau. Ich packte mir verzweifelt in die Haare. Was habe ich getan? Verzweifelt blickte ich mich in dem Raum umher. Wieso? Schoss mir die Frage immer und immer wieder in den Kopf. Wieso? Wieso? Konnte ich die Stimme schon förmlich in mir schreien hören. Ich blickte wieder hinab. Panik kroch sich in mein Blut, das zu stark zu rauschen begann. Mein Herz zersprang mir aus der Brust. Sie lag da, mit dem Rücken zu mir gewendet auf meinen Schoß. Ihr Blut klebte nun wahrhaftig an mir, so wie ihr Tod mich hier nun auf die Knie zwang. Meine Augen huschten unkontrolliert durch den kleinen Raum, der getränkt mit der Farbe Rot zu sein schien. Doch als mein Blick auf die Tür genau mir gegenüber huschte, sah ich wieder diese Kreatur. Diese Kreatur die mich verschrecken ließ, die dort mit dem hässlichen, verzogenem Clownsgesicht stand, den zu riesigen Hammer neben sich in beiden Armen auf den Boden her schleifen ließ und mich angsteinflößend Grinsend ansah. Plötzlich bewegten sich die Lippen, doch das Grinsen blieb und ich erschauderte, denn es sprach nur drei Wörter aus: „Wut und Mord." Die Worte ließen mich erschaudern und mein Körper zitterte unkontrolliert. Obwohl die Kreatur sich zu bewegen schien, näherte sie sich mir kein bisschen, es schien eher so, als würde sie nicht wirklich hier, mit mir in diesem kleinen Raum sich befinden. Eher so, als würde es sich mit jeder Bewegung sichtbarer sehen lassen wollen.
Doch dann viel es mir plötzlich ein. Wut, war es, was mein Fehler war, es war immer schon Wut gewesen, denn Wut lässt uns unsere Kontrolle verlieren und das machen, was andere sich von uns erhoffen. Nämlich uns selber in den Abgrund treiben.
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Unreal *Pausiert*
HorrorIch habe Angst, ich will nicht sterben. Bitte! Ich konnte das Platschen nackter Füße auf den Fliesenboden hören. ,,Es ist alles nur in deinem Kopf. Es ist alles nur in deinem Kopf. Es ist . . ." Auf einmal verstummte die Stimme. Sie klang rau und k...