17. Kapitel - Des Leidenswege nun geschehe.

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Dann riss ich meine Augen genau da auf, wo diese Kreatur mit dem Hammer auf mich einschlagen wollte und das Letzte was ich spüren konnte war, wie die eiserne Hand der Finsternis sich um meinen Hals legte und die andere Hand, die Hand des kalten Nichts, mich fest um meine Stirn packte, meinen Kopf nach hinten zog, ich alles vor mir fallen sah und zum Schluss, selber fiel.

Ich war mir nicht mehr Bewusst ob ich schon seit langem am fallen war oder ob ich überhaupt noch fiel. Ich stellte mir einfach nur vor, wie ich mit ausgestreckten Gliedmaßen mit dem Rücken nach unten irgendwo in einem Nichts am schweben war. So konnte ich zumindest für eine Weile die innere Ruhe bewahren. Ich konnte nichts mehr spüren, nichts mehr denken, konnte nur noch eine Art Schleier vor meinen Augen sehen, weswegen ich diese schloss.

War das meine Strafe für die Schuld an dem Mord der Frau?

Wer hat mich hier her gebracht?

Konnte ich es je wieder hier hinaus schaffen?

Ich hatte tausende Fragen und keine Antworten. Ich wusste nicht einmal ob ich hier in der Realität mich befand. Ich wollte Antworten, so dringende, wie ein verdursteter Mann nach Wasser sucht. Plötzlich spürte ich eine Art zarten Windhauch an mir vorbeiziehen. Verunsichert zog ich die Augenbrauen leicht zusammen. Gab es hier einen Ausgang? Mit erneuter Hoffnung in mir auflodernd riss ich meine Augen auf und spürte einen plötzlichen Rumps nach unten und meinem Rücken durchzog sich ein schmerzhaftes ziehen. Mit gequältem Gesicht setzte ich mich langsam auf, der Boden unter mir war Asphalt und die Kälte, die daraus empor stieg, fresste sich in meinen Körper ein. Eine plötzliche eiseskälte umgab mich und zitternd umarmte ich mich mit meinen Armen selbst. Ich konnte nichts sehen. Die Dunkelheit schien wie eine ausgebreitete Decke hier zu ruhen. Zitternd stand ich auf und meine Füße schmerzten bei jedem weiteren Schritt drang sich immer mehr die Kälte in mir hinein. Ich konnte den kalten Atem von mir in meinem Gesicht spüren und ich zitterte vor kälte immer schlimmer. Ich ging immer und immer weiter, hoffte auf einen Ausweg, doch es schien, als würde ich einfach nur in einer Unendlichkeit herumirren. Als ich meine Hände und Füße nicht mehr spüren konnte und ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte, fing ich eher zu stolpern als zu gehen an. Als ich weiter versuchte mich auf Beinen zu halten, stolperte ich auf einmal und fiel voller länger nach vorne. Doch ich spürte keine Schmerzen, die Kälte, die sich in meinen Adern gefressen hatte, löschte den Schmerz. Zumindest etwas Gutes tat mir diese kälte. Meine Augen fühlten sich unglaublich schwer und meine Gedanken nach einem Ausweg, waren verloren. Kurz bevor ich meine Lieder schloss, erschien mir so plötzlich ein kleines Licht von weit her. Kurz dachte ich, dass dies wohl das Tor zum Himmel sein musste, doch dann erinnerte ich mich, dass es doch eher der Weg zu meinem Abgrund war. Ich hatte ja gemordet. In diesem Moment schloss ich meine Augen, mein Atem verlangsamte sich und mein letzter Atemhauch war nun auch gehaucht worden.

„Jul?" Sofort war ich wieder hellwach. Jemand hatte mich gerufen. Hatte ich mich verhört gehabt? War das alles echt? Oder war ich doch schon tot? Ich wollte danach rufen, versuchte ein Zeichen von mir zugeben, doch meine Stimme war wie tot und mein Körper war unter den Fängen der eisigen Kälte gefangen. Ich wollte, dass man mich hier bemerken sollte. Auf einmal konnte ich wieder ein Licht sehen. Viel größer und heller als das davor und es schien als würde es auf mich zu kommen. Voller Vorfreude versuchte ich mich zu bewegen, wollte auf mich aufmerksam machen. Wollte doch nur gerettet werden. Das flimmernde Licht kam immer näher und eine Stimme rief irgendetwas in diese Dunkelheit hinein.

Ich versuchte nun all meine Kraft zusammen zu legen und bemühte aufzustehen. Langsam und schmerzend stützte ich mich mit meinen vor kälte schmerzenden Händen auf, sie zitterten schmerzhaft, doch ich hatte den ersten Schritt geschafft gehabt. Ich versuchte mich selber aufzumuntern, redete mir immer wieder ein, dass ich gleich hier wieder raus kommen könnte und schaffte es auf meine Knie zu bleiben, ohne auch nur wieder nach vorne zu kippen. Schwer atmend sah ich mich nach dem Licht um und es war mir nun sehr nahe. Geblendet von dem Licht, dass direkt auf mir schien kniff ich meine Augenlieder leicht zusammen und hielt mir erschöpft eine Hand vor die Augen. Das Licht blieb auf einmal stehen. Es kam mir nicht mehr näher. Ich krächzte mit aller kraft ein leises „Hier" und es schien was gebracht zu haben. Die Person mit dem Licht kam immer näher auf mich zu und immer schneller. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine schon erfrorenen Lippen und glücklich, mit einer wieder in mir kleinen wärme hielt ich meine beiden Arme in die Richtung des Lichtes und ich konnte erkennen, dass ein Mann mit einer Taschenlampe besorgt auf mich zu rannte. Glücklich erlöst worden zu sein, malte ich mir schon wieder mein Leben zumindest in der kleinen Zelle vor. Wo es zumindest noch etwas wärme gab. Der Mann war nur noch ein Schritt von mir entfernt und dann lief er einfach durch mich hindurch. In dem Moment, wo er genau durch mir hindurch lief, blieb in mir alles stehen. Es fühlte sich an wie in Zeitlupe, wie das Licht der Taschenlampe auf einmal hinter mir und nicht mehr vor mir leuchtete. Ich war geschockt. Meine wärme in mir war auf einmal erloschen. Immer wieder fragte ich mich in diesem Moment, wie so etwas nur passieren konnte. Wie konnte jemand einfach so durch mich hindurch laufen? Was war nur mit mir geschehen? Langsam drehte ich mich um, vergaß all meinen Schmerz. Ich zögerte jeden Blick nach hinten hinaus, aus Angst etwas zu sehen, was mich nur noch mehr erloschen könnte. Ich konnte trockenes, unkontrolliertes Schluchzen aus meinem Mund hören, hatte Angst und Verzweiflung in mir. Und als ich sah wohin der Mann mit der Taschenlampe, der eigentlich für mich wie eine Art Rettung war, bei einer Person im Rollstuhl sitzend stehen blieb, stand ich hektisch auf und stolperte über meine eigenen Füße. Ging nach vorne, wusste nicht mehr weiter und als sich die Person im Rollstuhl sah, fiel ich auf meine Knie, spürte keinen Schmerz und sah auf meine Hände wieder hinab. Wie? Wie konnte so was nur passieren? Lautes weinen entkam mir und meine Hände zitterten unaufhörlich. Dann sah ich noch einmal ein letztes Mal auf mein verwestes, totes Ich auf diesem Rollstuhl, dann schrie ich nur noch. Schrie mir die Seele aus dem Leib und schwor an alle, die mir Unheil getan hatten, Rache ausüben zu wollen.

Und dieser Schwur, wurde durch den Schrei einer verzweifelten Seele, ihrer Seele, zu einem Bann geworden. Einem Fluch auf all diese Menschen.

Des Leidenswege nun geschehe,

die schmerzen Wollen nie vergehen.

Aus Lust wird Wut und Wille

in deinem Arm bildet sich die Rille.

Vergeht kein Leid,

vergeht nie die Zeit.

Bis die Tote

die Feinde holte.

Unreal     *Pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt