Auf einmal wurde die Tür vor mir aufgerissen und als mich die Leute von hier so Blutverschmiert und mit einer toten Frau, die halb auf meinen Beinen lag, fanden, sahen sie mich siegessicher an. Ihr Grinsen breitete sich boshaft über ihr ganzes Gesicht aus. Es war dieses Grinsen, das typische Bösewichte in Disney Filmen immer vor ihren lauten Lachen hatten.
Scheiße, ich war wortwörtlich am Arsch.
Plötzlich verdoppelten sich die Gesichter der jeweiligen Leute vor mir. Aus einem wurden zwei, aus zwei vier und aus vier acht. Sie schienen auf einmal überall um mich wie kleine Pixeln zu schweben. Verschwommen blickte ich hoch zu den Leuten, die sich in Sekunden schnelle auf übernatürlicher Weise zu vermehren schienen. Ich fühlte mich augenblicklich eingeengt. Ich hatte das Gefühl, als würde man mir ein schweres Auto über mich legen lassen, dass ich mit jedem Atemzug selber zu heben hatte. Von überall sah ich ganz kleine grinsende Gesichter, die egal wo ich hinblickte mich zu beobachten schienen. Mein Körper wurde von einem unkontrollierten Zittern erfasst und die blanke Angst floss langsam durch meine Adern wie als würde nicht Blut, sondern noch zu heiße Asche durch meine Adern langsam durch sickern. Ich konnte spüren wie man mich unter den Armen packte, hoch hievte und mich auf irgendetwas plumpsen ließ. Meine Augen huschten unkontrolliert durch die Gegend, die nun wie eine Art Nebel aussah, der aus aber tausenden Gesichter der Leute entstand. Verzweifelt versuchte ich mir einen Durchblick durch diesen Schleier, diesen Vorhang, der aus unzähligen Gesichtern des grauen bestickt worden zu sein war, zu verschaffen. Als ich einen unangenehmen ruck spüren konnte drehte ich meinen Kopf sofort hinter mir, doch ich konnte immer noch nichts durch diesen Vorhang erkennen. Mein zittern ließ meine Zähne aufeinander klappern, wobei ich schon selber das zu laute Klappern meiner Zähne hören konnte. Meine Hände konnten nicht mehr still halten und mein Körper schien von etwas festgehalten zu sein, denn sonst wäre ich auf alle Fälle durch mein nicht zu enden scheinendes zittern schon längst nach vorn über gekippt.
„Geistliche Wahrnehmungsstörungen . . . Hat anscheinend MPS . . . verstört . . . muss sofort in die Isolierungsstation Nummer 3 . . . hat getötet . . .", es waren Wortfetzen, die ich von verschiedenen um mir herum verstehen konnte, doch als mir deren Bedeutung endgültig klar wurde, entlockte mir ein lautes wimmern. Sie hielten mich für gestört, sie dachten ich hätte eine gespaltene Persönlichkeit und ich wollte nicht in die Isolationsstation Nummer 3. Ich wollte dort nicht hin. Mein Atem wurde immer schneller, verzweifelt schnappte ich nach Luft, fühlte mich wie ein Fisch ohne Wasser, zappelte wild herum, versuchte mich zu lösen, doch mich hielt das kalte Metall an meinen Händen, Beinen und um meinem Oberkörper fest. Ich windete mich verzweifelt aus meinem Sitz heraus, spürte Tränen der Frustration in mir aufsteigen, weil ich mich nicht befreien konnte, einfach hilflos ihnen ausgeliefert da zu sein.
Du hast getötet!
Hörte ich mich innerlich auf einmal aufschreien und abgrubt blieb ich in meiner Bewegung stehen. Ich hatte – ich hatte gemordet. Ich habe soeben gemordet, ein Leben genommen. Ich habe gemordet. Gemordet. Der Tod dieser Frau klebt an meinen Händen...
Geschockt über die Tatsache die auf mir so plötzlich einsickerte, verstand ich immer mehr was ich vorhin getan hatte. Ich habe eiskalt ein Leben genommen und sie hatte mir nicht mal wirklich was getan. Oh mein Gott, nein, was war ich nur für ein Mensch. War ich überhaupt noch ein Mensch? Glich ich nicht viel eher einer leblosen Hülle, die mit dem gefüllt wurde, was man ihr zuwarf und ich sie gierig mir schnappte, nur um nicht als eine leere Hülle herumwandern zu müssen. Es glich einem ausgehungerten Löwen, den man einem Artgenossen zum fraß vorwarf und der Löwe ihn aus Gier, einfach ohne darüber nachzudenken, tötete und aß. Es klang absurd, aber es glich sehr stark meiner momentanen Lage.
„Nein", krächze ich aus mir hervor, was einem ruf eines verloren gegangenen Raben glich. „Nein", entlockt es meiner Stimme nochmal. „Oh, die Patientin ist am reden", konnte ich von weitem durch mir durch sickern hören. Die Stimme hörte sich so weit entfernt von mir an, so als würde man versuchen die Töne der Stimme durch einen unpassenden Sieb hindurch zwängen zu wollen. „Ich bin-ich bin eine verdammte Mörderin." Hauchte ich und jetzt, als ich es so laut ausgesprochen hatte, fühlte ich mich dazu bekräftigt und das im negativen Sinne. Etwas zu denken und etwas laut auszusprechen sind ganze zwei Welten und genau jetzt hatte ich es zu spüren bekommen. „Anscheinend", hörte ich es von hinter mir, doch ich drehte meinen Kopf nicht zu der Person, ignorierte sie wissentlich und war mit meinen Gedanken an den Mord fest geankert. Das Wissen gemordet zu haben, ließ mich wie ein Stein der ins Wasser geworfen wird, hart aufprallen und dann fühle ich nur noch wie ich immer tiefer und tiefer sinke, ich von überall her Druck auf mir spüre und keine andere Wahl als zu fallen habe. „Ich will nicht fallen. Ich will nicht fallen", kam es unterdrückt aus mir heraus. Meine Stimme hörte sich weinerlich an, meine Tränen drückten gegen meine Lider, die ich fest zusammen gedrückt hatte um den Vorhang mit den geschmückten Gesichtern nicht mehr entgegen blicken zu müssen. Aber urplötzlich konnte ich einen warmen Atem in meinem Nacken spüren und mir lief ein kalter, unangenehmer Schauer den Rücken runter. Konnte spüren wie jemand mir näher an mein Ohr kam und ich schon ein kleines erschauerndes Lachen davon hören konnte. Ich war angespannt, meine Haare standen überall an mir ab und ich bewegte mich kein bisschen und meine Augen hielt ich immer noch fest zusammen, aus Sorge sonst den Tränen freien Lauf lassen zu können.
„Oh Darling", hörte ich dann eine weibliche Stimme an meinem Ohr flüstern. „Was ist, wenn du noch nicht am fallen bist? Was ist, wenn du noch am fliegen bist? Was ist, wenn du noch deinem Höhepunkt ins Auge blicken musst? Was ist, wenn es erst der Anfang eines Dramas ohne Happy End sein wird?" Sprach sie langsam und fast schon neckend gegen mein Ohr. Ich spannte mich noch mehr an, meine Fingernägel vergruben sich noch tiefer in meine Handflächen, doch ich versuchte den Schmerz und alles um mich herum auszublenden. Doch die Frau hinter mir schien keine Ruhe geben zu wollen. „Was ist, wenn du fliegst und am unerwartesten fallen wirst? Mh?" Ich ließ mir nichts anmerken, saß einfach nur angespannt weiter und ließ mich nicht von ihren Worten unter kriegen. Irgendwann entfernte sie sich von mir und schien mich wieder weiter zu schieben und als ich mich anfing wieder etwas zu beruhigen, sprach sie mich noch einmal an. Noch einmal, doch dieses mal sprach sie so ausgelassen, so als würde sie über etwas alltägliches mit mir plaudern. Doch für mich waren diese Worte so, als ob sie mit ihrer bloßen Hand jedes meiner Organe aus mir herausgerissen hätte und bei jedem Mal sie noch meine Leere in mir, mit einem voll Essig getunkten Schwam wieder ,füllen' ließ.
„Da war so ein einer an der Rezeption. Keine Ahnung wie er nochmal so genau hieß, ähm Tommi, Timo oder so. Er hat nach dir gefragt. Doch nach so einer Aktion bleibt einem leider der Besuch un-ter-sagt." Und ihr letztes Wort drückte sie deutlich hervor, wobei ihr direkt danach ein kichern entlockte, dass einem einfach nur zum weglaufen zwangen wollte. Doch ich konnte nichts mehr tun. Meine Augen hatte ich wieder geöffnet und für einen Moment konnte ich wieder meine Umgebung klarer erkennen. Ein endlos scheinender Gang, der am Ende von der Dunkelheit zu verschlucken schien. Kahl und dunkel sah er aus und es roch nach Schimmel. Und ich? Ich saß reglos auf dem Rollstuhl, angebunden, hatte soeben jemanden ermordet und wurde nun ordentlich irgendwohin verfrachtet. Innerlich wollte ich platzen, explodieren, den Schmerz, der nie zu enden schien aus mir raus lassen, einfach alles aus mir raus lassen, doch ich tat es nicht. Konnte es nicht. Denn von außen sah ich nur wie eine leblose Puppe aus. Denn ich war noch nicht am fallen ich flog noch und bald, aber recht bald würde ich wohl am unerwartetsten Fallen und zwar sehr tief und einem Aufprall nie wirklich entgegen blicken zu können. Denn ein Aufprall wäre eine Erlösung, doch das Fallen der Schmerz und bekannt war es ja, dass Schmerzen am liebsten hier auf Patienten angewendet wurden.
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Unreal *Pausiert*
TerrorIch habe Angst, ich will nicht sterben. Bitte! Ich konnte das Platschen nackter Füße auf den Fliesenboden hören. ,,Es ist alles nur in deinem Kopf. Es ist alles nur in deinem Kopf. Es ist . . ." Auf einmal verstummte die Stimme. Sie klang rau und k...