Kapitel 26

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Manuel

Irgendwann unterbrach Micha unser Schweigen beim Essen und meinte "Du Manu?" Ich sah zu ihm auf und meinte "Ja?" Er fragte "Wäre es möglich, dass ich vielleicht an deinem Computer etwas aufnehmen könnte? Ich habe Maudado schon vor Tagen versprochen, dass wir heute zusammen etwas aufnehmen..." und sah mich daraufhin mit einem unglaublich niedlichen Blick an, zu dem ich einfach nicht nein sagen konnte.

SCHWUCHTEL.

Ich zuckte kurz zusammen, versuchte aber mir nichts anmerken zu lassen und antwortete mit einem aufgezwungenen Lächeln "Ja klar, das ist kein Problem." Micha meinte grinsend "Danke, das ist super!" und widmete sich dann wieder seinem Frühstück.

Nach dem Essen räumten wir alles wieder auf und machten auch gleich den Abwasch. Dann gingen wir zusammen in mein Aufnahmezimmer und ich zeigte ihm alles. Kurz darauf war Micha schon zusammen mit Maudado auf dem TS und die beiden starteten ihre Aufnahme. Da ich nicht stören wollte, verließ ich das Zimmer und machte mich auf den Weg ins Schlafzimmer. Dort setzte ich mich auf das Fensterbrett und starrte nach draußen. Meinen Zopf hatte ich mittlerweile wieder geöffnet und ließ nun meine, noch etwas feuchten, Haare herunter hängen.

Na Schwuchtel?
Bist du nicht eifersüchtig weil Michael mit Maudado aufnimmt?

Damit hatte sie wieder einmal einen wunden Punkt getroffen. Mein Herz fing an zu stechen. Ja, ich war eifersüchtig weil Micha mit Maudado aufnahm. Doch was gab mir überhaupt das Recht eifersüchtig zu sein? Wir waren nur beste Freunde, nicht mehr. Also durfte ich nicht eifersüchtig sein, ich hatte nicht das Recht dazu.

Ich schob diese Gedanken bei Seite und sah aus dem Fenster. Der Himmel war voller dunkler Wolken und die Straßen waren in ein düsteres Licht gehüllt. Man hörte, wie der Regen auf den Asphalt prasselte. Hin und wieder fuhr ein Auto vorbei und man konnte sehen, wie das Wasser der Pfützen umher spritzte. Die Straßen waren wie leer gefegt, nur selten sah man einzelne Personen mit ihren Regenschirmen schnell über die Gehwege huschen. Eine bedrückte Stimmung machte sich in mir breit, während ich die düsteren Gassen betrachtete.

Erinnerst du dich an früher?
Damals warst du oft hier und hast nach draußen gesehen.

Ihr Ton war nun wieder viel sanfter als vorhin, doch ich wollte nichts darauf erwidern.

War nicht damals alles besser?
Du solltest wieder auf mich hören.
Es könnte wieder so sein wie früher.

Ich erinnerte mich an die Zeit. Doch es war keinesfalls eine schöne Zeit. Nichts war damals besser. Alles wurde nur schlimmer, als ich auf sie gehört hatte. Langsam schob ich den Ärmel meines Pullovers nach oben und betrachtete die Narben meiner Vergangenheit.

Die Narben sind doch schön, nicht?
Sie sind das was du verdient hast.

Und wieder spürte ich den alten Schmerz in mir aufflammen. Wieder hatte ich dieses Gefühl nichts wert sein. Hatte die Stimme denn recht? War ich wertlos? War der Schmerz das was ich verdiente?

Es müssten mehr Narben sein.
Willst du nicht noch ein paar mehr Schnitte hinzufügen?

Nein.

Ich wollte es nicht mehr. Selbst wenn ich es verdiente, ich wollte mich nicht mehr verletzen.

Komm schon, so schwer ist das nicht.
Früher fiel es dir auch nicht schwer.

Ich will das nicht mehr.
Lass mich in Ruhe.

Niemals werde ich dich in Ruhe lassen.
Nie mehr wirst du mich los werden.
Und du wirst auch noch bekommen was du verdienst.
Du bist ein nutzloses Stück Dreck.
Niemand will dich, niemand braucht dich.

Ich spürte, wie meine Augen langsam feucht wurden. Um nicht in Tränen auszubrechen ballte ich meine Hände zu Fäusten. Ich spürte, wie sich meine Nägel in meine Handflächen bohrten und ich presste meine Lippen fest zusammen, um nicht laut loszuschluchzen. Ihre Worte schmerzten und ließen mich auch den vergangenen Schmerz erneut spüren. Wieder kamen diese Zweifel in mir auf.

Komm schon.
Nimm die Klinge.
Setze sie an deinem Arm an.
Und zieh sie durch.
Es wird dich von deiner Last befreien.

Niemals werde ich das wieder tun.

Und dann hatte ich den Punkt erreicht, an dem ich beschloss, mich gegen die Stimme zu stellen. Wenn ich sie schon nicht los wurde, dann wollte ich sie wenigstens ausblenden und ihr nichts mehr liefern, womit sie mich beeinflussen konnte. Ich beschloss, mich vor all meinen Gefühlen zu verschließen. Vor den Negativen, aber auch vor den Positiven.

Ich atmete einmal tief durch und verdrängte alles, was auch nur im geringsten mit Gefühlen zu tun hatte, in eine düstere Ecke in meinem Kopf. Ich wollte einfach nichts mehr fühlen, ich wollte kalt sein. Ich lockerte meine Hände wieder und legte sie in meinen Schoß. Dann schloss ich meine Augen und lehte mich zurück.

Ich wollte einfach nichts mehr fühlen. Mir waren diese ganzen Gedanken einfach zu viel. Ich schluckte all meine Wut und meine Zweifel herunter und verdrängte sie aus meinem Kopf. Dann waren alle meine Gefühle weg, versteckt in einer dunklen Ecke. Alles was ich mit der Stimme in Verbindung brachte, hatte ich von mir geschoben. Doch auch alle Gefühle gegenüber Micha hatte ich tief in mir eingesperrt.

Ich öffnete langsam meine Augen und wieder blickte ich hinunter auf meinen Arm und betrachtete ihn. Doch dieses Mal fühlte ich nichts. Ich strich über meine Narben und fühlte einfach nichts. Es kam einfach keinerlei Emotion in mir auf. Genau das war es, was ich erreichen wollte. Ich wollte emotionslos werden, gefühlskalt.

Und aus Angst, dass es zerfällt, wurde ich zum Antiheld.

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Ich habe diese Woche sehr viel an dieser Geschichte geschrieben und dabei durchgehend "Monster" von Darkviktory & Paperblossom gehört.
Irgendwie hat mich das Lied sehr zum Schreiben inspiriert und hat auch die Geschichte ziemlich beeinflusst.
Irgendwie passt das Lied einfach so wahnsinnig gut zu den feels in meiner Geschichte.
Hört euch das Lied an es ist toll!

Der TubeClash Hype ist schon wieder sowas von real.

》Thoughts《  Zomger Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt