14 | Shock.

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NIALL
MULLINGAR - 05.06.2018
*


Der Flug nach Hause dauert meines Erachtens einfach viel zu lange. Ich saß auf meinem Platz wie auf heißen Kohlen, nervte damit meinen Sitznachbarn und die Stewardesse, die mich versuchte zu beruhigen, aber das war mir egal. Egal war mir auch, was zwischen Greg und mir vorgefallen ist. Er war schließlich noch immer mein Bruder und spätestens sollten jetzt alle Vorwürfe und Streitereien der Vergangenheit angehören.

Wie ein aufgescheuchtes Huhn verließ ich den Flughafen in Dublin, nachdem wir gelandet waren und schnappte mir meinen Wagen, den ich abseits des Flughafens in einer Wohnsiedlung parkte, wann immer ich wieder nach Hause fahren wollte.

Die Strecke von Dublin nach Mullingar kam mir dieses Mal viel länger vor. In meinen Gedanken hing ich an meinem Bruder und achtete weniger auf den Verkehr. Ich erinnerte mich schwach daran, dass mein Fahrlehrer mir mal gesagt hatte, dass man nicht fahren sollte, wenn man emotional mit den Gedanken woanders ist.

Nun, diese Tatsache ignorierte ich einfach.

Ich hoffte nur, dass in der Zeit, die vom Flughafen bis zu dem Krankenhaus, in dem mein Bruder eingeliefert worden war, nichts Schlimmes passierte.

Immer wieder tauchten vor meinem inneren Auge die schlimmsten Szenarien auf, die passieren könnten. Das schlimmste Szenario von allen war, dass Greg gestorben war, ohne dass ich ihn vorher noch einmal gesehen hatte. Dieser Gedanke machte mir so Angst, dass ich das Radio anschaltete und auf ganz laut schaltete.

Mir schallte die Musik von Walking on Cars und Olly Murs entgegen, auf einer Lautstärke, die nicht gesund war. Ich versuchte mich auf den Verkehr zu konzentrieren, der Musik zu lauschen und den schlimmen Szenarien aus dem Weg zu gehen.

Das war schwerer getan als gesagt.

Als ich das Ortsschild Mullingar nach knapp zwei Stunden passierte, kroch wieder die Angst in meine Adern. Da half auch nicht die Musik oder die Konzentration auf den Verkehr. Schilder führten mich zum Midland Regional Hospital. Dunkel erinnerte ich mich daran, dass man hier meine gebrochene Hand behandelt hatte, als ich vier Jahre alt gewesen war.

Ich parkte den Wagen auf einen der freien Parkplätze, sprang raus und eilte zum Eingang. Mir war es egal, dass wir minus fünf Grad hatten und ich nur in einer kurzen Hose und einem Pulli rumrannte. Die Sorge um meinen Bruder war weit größer.

Ich trat auf einen weißen Flur, der vollkommen leer war. Selbst die Rezeption. Meine Beine führten mich zu einem Plan. Denise sagte, Greg läge auf der Intensivstation. Diese befand sich im vierten Stock. Mein Blick ging zum Aufzug, doch diesen betraten mehrere, ältere Menschen, also wäre ich mit der Treppe schneller oben.

Meine Beine bewegten sich automatisch. Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal, ging im schnellen den nicht endenden Gang entlang bis ich zu einer Tür kam, über der in großen, blauen Buchstaben Intensivstation stand. Am liebsten wäre ich durch die Tür gestürmt und wäre sofort zu meinem Bruder gerannt, um zu schauen wie es ihm erging, aber leider waren diese Türen immer sicherheitshalber doppelt geschützt.

Ich drückte also brav auf eine Klingel und wartete.

Hallo, was kann ich für Sie tun?"

„Ich möchte meinen Bruder besuchen, Greg Horan", sprach ich und wartete.

Einen Moment."

Kurz darauf erklang ein Surren und ich konnte die Tür aufdrücken. Mir schlug stark desinfizierte Luft entgegen. Ich blieb für einen kurzen Moment stehen und versuchte nicht zu kotzen. Ich hasste solche Gerüche. Sie waren typische Merkmale für Krankenhäuser und ich hasste Krankenhäuser.

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