16 | New Year.

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ZAYN

NEW YORK - 01.01.2018

*


Um mich herum schossen Silversterknaller in die Höhe und erleuchteten den Himmel mit schönen Mustern. Die Leute applaudierten, jubelten und tranken angeheitert ihren Champagner. Langsam ließ ich den Blick über die unbekannten, glücklich wirkenden Gesichter gleiten. Gigi hatte sich bei mir eingehakt und kicherte mit ihrer Schwester, während ich schweigend neben ihnen stand und ihnen nur mit halben Ohr zuhörte. Ich fühlte mich nicht einmal schlecht deswegen.

Ich hatte aufgehört den Glücklichen zu spielen. 

Mein Schicksal hatte ich besiegelt, als ich alle, die mir wichtig gewesen waren, angelogen hatte und wie ein feiges Huhn abgehauen war. Dieses Schicksal lebte ich von nun an, ich tat Dinge, die ich vorher nie getan hätte, und ich sagte Dinge, die ich vorher nie gesagt hätte. 

Es waren Dinge geschehen, die konnte ich nicht ungeschehen machen, weshalb ich alles so ließ, wie es gekommen war. 

"Warum haben Giraffen einen so langen Hals?", gackerte Bella neben Gigi und fiel dabei fast über ihre eigenen Füße. Als sie vor wenigen Tagen davon gesprochen hatte, dass sie es dieses Mal langsam mit dem Trinken angehen würde, hatte ich fest damit gerechnet, dass sie genau das nicht tut. 

Wie schnell man sich in einen Menschen täuschen konnte.

Gigi, die genauso angeheitert war wie ihre Schwester, grinste sie an und fragte: "Wieso denn?"

"Weil der Kopf so weit oben ist!" 

Damit gackerten sie laut los. "Komm schon, Zayn! Der war wirklich gut, das musst selbst du zugeben!", rief Bella zu mir. Wenn ich betrunken gewesen wäre, dann wäre er mit Sicherheit witzig gewesen, aber so schmunzelte ich nur leicht und wendete meine Aufmerksamkeit als auch meinen Blick von ihnen ab. 

Er ging weiter durch die Menge, bis er das Gesicht einer bekannten Person traf. Diese stach mit dem lässigen Kleidungsstil und der hochgezogenen Kapuze aus der Menge heraus. In der rechten Hand hielt er eine Bierflasche, die linke Hand war in der Hosentasche vergraben. Er hatte sich nach all der Zeit verändert, sehr verändert. 

Niall sah nach oben in den Himmel, wie all die anderen Leute, doch wirkte er im Gegensatz zu ihnen hilflos und verloren. Ich erinnerte mich daran, dass früher er es war, der die Party in Gang gebracht hatte, doch heute wirkte er einsam und verlassen. Seine tiefen Augenringe konnte ich selbst von dieser Entfernung aus sehen und sein Blick war leer. 

Ich wusste, dass viel im letzten Jahr passiert war, dass er nicht beabsichtigt hatte. Vieles, bei dem er sich wünschte sie wären nie passiert. Er hatte sich hoffnungslos in eine Frau verliebt, die ihn abgewiesen hatte. Er hatte Streit mit seinem Bruder, dessen Grund er nicht wusste. Damit konnte er nicht leben. Das war der Grund, weshalb er sich immer mehr zurück, ohne es auch nur zu bemerken. 

Es schien nie den Anschein zu haben, aber ich wusste immer, was er machte, wie er sich fühlte oder was gerade in seinem Leben vorging. Er war einer der drei Personen, die genau wussten, wie ich mich fühlte und denen ich alles erzählen würde. Doch durch mich hatte ich ihn als Freund verloren und gedemütigt noch dazu. Das Leben in seinen Augen erlosch langsam. Ich konnte nichts dagegen tun, um das zu verhindern. 

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