FÜNFZEHN

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Er dreht sich zu mir und atmet tief ein und aus. Legt sein Arm auf die hölzerne Rückenlehne. James sieht auf seine Oberschenkel, dann zu mir.

„Hör zu, Sky... du bist ein nettes, schlaues Mädchen." Oh Gott, das ist mein Todesurteil. „Aber diese Aktion gestern hat mir einfach gezeigt, dass das mit uns nie etwas werden kann. Ich meine, du bist meine Schülerin und ich darf dich nicht lieben. Zwischen uns ist etwas passiert, was nie hätte passieren dürfen." Er räuspert sich. „Du bist doch erst ein Kind. Du musst dir über deine Gefühle erst einmal im Reinen werden. Das ist bloß eine Schwärmerei, nichts weiter."

Ich spüre, wie meine Sicht plötzlich verschwimmt. Wut kocht in mir hoch, gemischt mit Enttäuschung und Trauer. „Du kannst mir nicht sagen, dass du mich nie geliebt hast! Sonst hättest du mit mir nie die Sachen gemacht, wie in den letzten paar Tagen! Das Funken, der Kuss zwischen uns. Als du mich in die Kabine gezerrt hast. Tu nicht so, als wäre das alles nie passiert!" Ich merke, wie sich eine Träne ins Freie bahnen will. Krampfhaft versuche ich sie wegzublinzeln, um nicht wie eine verdammte Heulsuse rüberzukommen. „Außerdem habe ich mit dem plötzlichen Erscheinen der Mädchen nichts zu tun! Ich wollte doch nur... Ich wollte einfach bei dir sein. Und keinen Racheakt auf die ausüben!" Ich atme tief ein und aus. Beruhigen. Sky, beruhige dich. „Heißt das, dass du das mit uns komplett beenden willst?"

Er sieht noch immer zu Boden, macht keine Anstalten mir in die Augen zu blicken. „Sie", sagt er schließlich.

Meine Hand wischt über meine Wange, um die einzige Träne wegzuwischen. „Was?"

Nun schaut er hoch. Sein Blick verrät keinerlei Emotionen. Keine Trauer, keinen Schmerz. Nichts. Nichts außer kühle Leere. „Du sollst mich siezen."

Jetzt reicht es. Er hat das Fass zum Überlaufen gebracht, dieser Penner. „Du beschissener Spießer", schreie ich und werfe ihn die geöffnete Mineralflasche hin, sodass sich das Innere auf ihn ergießt. Dann stehe ich auf und laufe davon.

Dieser Mistkerl! Dieser Herzensbrecher! Dieser... dieser Lügner! Ich hätte es vorher wissen müssen. Aber wieso hat er es dann überhaupt so weit gehen lassen? Wieso hat er das alles zugelassen? Wieso, verdammt nochmal, hat er mir bloß so weh getan! Ist das so seine Taktik, mich loszuwerden? Ich liebe ihn und er nützt es scharmlos aus und lässt mich fallen. Ich weiß, dass er das zwischen uns nicht nur beendet hat, weil ich ihn gestern ungewollt bloßgestellt habe. Da ist noch etwas Anderes.

Ich bahne mir den Weg durch das Laub, die Äste und die vielen, dicken Wurzeln am Boden. Aber da ich gerade nicht viel Kraft habe, halte ich an und rutsche mit meinen Rücken einen Baum hinunter. Tränen rinnen unkontrolliert meine Wangen runter und tropfen auf meine Hände, die ich vor mein Gesicht geschlagen habe. Ich schluchze in meine Handflächen und kriege mich nicht mehr ein.

Ich nehme die frische Luft wahr, die mir mein mittellanges Haar zerzaust, mir den aufgewirbelten Staub in das Gesicht weht. Nehme das ferne Gekicher der Mädchen war, die Grüppchenweise neben den Toiletten stehen und plaudern. Die johlenden Burschen, die Tannenzapfen weit in den Wald werfen und versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen.

Keine Ahnung, wie lange ich schon so dagesessen bin, aber als ich meine Hände vom Gesicht nehme, höre ich nichts mehr. Kein Gekicher, keine Zapfen, die mit einem dumpfen Schlag am Boden aufkommen, nichts. Der Wind ist etwas stärker geworden und pfeift durch das Laub. Langsam stehe ich auf und sehe mich um. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich so weit in den Wald hineingelaufen bin. Goldschimmernde Sonnenstrahlen werfen ihr vages Licht durch die Nadeln und blenden mich ein wenig.

Als ich schließlich aus dem Wald draußen bin, stockt mir der Atem. Der Bus ist weg. Mitsamt den Leuten, die gerade eben noch dastanden. Um Himmels willen, wie viele Minuten bin ich denn weggewesen? Oder waren es Stunden? Voller Verzweiflung renne ich umher, um vielleicht irgendjemanden zu finden. Insgeheime hoffe ich, dass alle hinter einem Busch hervorspringen und mich erschrecken. Doch das tun sie nicht, so lange ich auch warte. Niemand kommt hervor und meint, dass ich bloß verarscht wurde und das nur so ein Insider ist auf Klassenfahrten, oder so. Aber es bleibt still.

Mit gesenktem Kopf trotte ich wieder zum Bänkchen, als ich plötzlich etwas höre. Ein Rascheln, nicht weit weg von hier. Mit leisen Schritten nähere ich mich ihm, bis ich jemanden entdecke, der mit dem Rücken zu mir dasteht und irgendwohin sieht.

Ich gehe auf denjenigen zu und bleibe vor ihm stehen. Das gibt es doch nicht. Das ist Miguel!

FORBIDDEN LOVEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt