NEUNZEHN

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Bevor der Mann Miguel am Fuß packen kann, schwingt er sich ganz locker flockig drüber, als wäre das bloß ein halber Meter. Dann nimmt er meine Hand in seine und läuft die Straße entlang.

Nach einigen Metern wird er immer langsamer und ich auch. Ich lache glücklich und zufrieden. Ohne Miguel hätte ich das alles niemals geschafft. Er ist toll. Also... ich meine natürlich, dass seine Anweisungen toll waren...

„Danke", meine ich und sehe zu ihm hoch.

Er blickt auf die Straße. „Ich kann dich schließlich nicht verhungern lassen. Das geht doch gegen alle Regeln, nicht wahr?"

Ich kichere. „Ja. Aber ich meinte eigentlich das, dass du mir über den Zaun geholfen hast."

„Das warst du. Ich habe nur gesagt, wo du wie was hinsetzen musst."

Er ist so bescheiden. Das finde ich toll bei Männern. Dass sie nicht großartig mit etwas herumprahlen und die heldenhafte Tat an die große Glocke hängen.

Wir gehen Schulter an Schulter am Straßenrand. Komisch, im Grunde genommen kenne ich Miguel erst seit ein paar Stunden. Und jetzt sind wir uns schon so nahe. Es fühlt sich aber großartig an. Ich mag das Gefühl nahe bei ihm zu sein. So idiotisch und naiv das auch klingen mag. Aber ich spüre da eine gewisse Vertrautheit, die mich vergessen lässt, dass ich das eigentlich nicht tun sollte.

Am liebsten würde ich so die ganze Zeit laufen. Doch dann holt er eine Zigarettenschachtel und ein Feuerzeug aus seiner Gesäßtasche. Er greift eine Zigarette heraus und zündet sie an. Dann nimmt er einen Zug und bläst den grauen Smoke wieder aus. Am liebsten hätte ich ein Herz in den Rauch gezeichnet, aber ich traue mich nicht.

Ich wusste gar nicht, dass er raucht. Klar, wieso auch. Eigentlich mag ich das ja nicht. Aber ihm steht's.

Mit der Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger, wirkt er ziemlich sexy. Immer wieder nimmt er einen Zug und scheint sich dadurch mehr und mehr zu lockern. Sein Brustkorb hebt und senkt sich, wenn er das macht.

Er ist wirklich total hübsch. Würde ich James nicht so gut finden, würde ich mich glatt an ihn ranmachen. Er hat einen guten Style, seine Haare sind zurückgelegt. Er weiß, dass er gut aussieht, ist aber keineswegs eingebildet oder arrogant. Er scheint sich nicht schnell stressen oder beunruhigen zu lassen. Er weiß, wie er etwas managen soll, habe ich so den Eindruck. Darum fühle ich mich so wohl bei ihm. Als er mich vorhin so gehalten hat, habe ich ein komisches Gefühl in der Magengegend gespürt. Aber angenehm komisch.

Mein Herz klopft immer etwas schneller, wenn er mich ansieht. Ich mag ihn. Wirklich. Es ist fast so, als würden wir uns seit Ewigkeiten kennen.

Miguel ertappt mich, als ich ihn anstarre und dabei lächle. Schnell sehe ich weg. Röte schießt mir ins Gesicht. Oh Gott...

Beim Gehen berühren sich unsere Hände immer wieder unabsichtlich. Und immer wieder verspüre ich den Drang, ihn an mich zu ziehen. Was ich natürlich nicht kann, was würde er sonst von mir denken. Er denkt ja nicht so wie ich. Er ist schließlich ein Junge.

Aus meinem Augenwinkel sehe ich, wie Miguel seine Zigarette auf den Boden wirft und sie mit seinem Schuh zermalmt. In der Nähe höre ich Autos. Einen richtigen Verkehr, nicht so still wie hier. Nein. So, als würde in der Nähe ein Dorf sein, oder so. Und je näher wir den Geräuschen kommen, desto eher bestätigt sich meine Vermutung. Nach einer Gehzeit von circa einer halben Stunde, stehen wir tatsächlich auf einem Dorfplatz. Es ist kein Dorf, wo nichts los ist. Hier ist alles im Gange und auch viele Leute spazieren fröhlich herum.

Verzaubert von dieser Atmosphäre, kann ich mit dem Starren gar nicht aufhören. Die Sonne ist tief unten und wirft noch letzte Strahlen auf uns. Traumhaft schön ist es hier und die jetzige Stimmung.

„Was meintest du eigentlich, als du sagtest, du möchtest dir den Hunger aufsparen? Wir haben immerhin kein Geld, um uns etwas Besseres zu kaufen."

Er sieht geradeaus. Sein Blick verrät nicht viel. Ich kann daraus nichts ziehen. Miguel seufzt kaum merklich. „Kannst du mir etwas versprechen?"

„Klar."

Er scheint zu zögern. „Versprichst du mir, dass du mich nicht hassen wirst?"

Jetzt werde ich stutzig. Wenn er schon so anfängt, kann er doch nicht von mir erwarten, dass ich ihn am Ende nicht doch hassen werde. Ganz langsam meine ich: „Kommt drauf an..."

„Versprich es", er dreht sich zum mir.

„Ich weiß nicht, Miguel. Ich kann dir doch nicht etwas versprechen, wenn ich nicht weiß, ob ich es halten kann."

„Du hast es aber gesagt."

Ich seufze. Wenn es ihm so wichtig ist... Vielleicht hat es auch einen Grund, wieso er mich so etwas fragt. „Na gut."

Er atmet hörbar aus. „Ich kenne hier jemanden. Sie wohnt gleich in diesem Dorf." Sein Blick weicht von mir ab und ist wieder nach geradeaus gerichtet. „Seit Längerem habe ich geplant, sie wieder einmal zu besuchen. Es ist lange her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe."

„Und was habe ich damit jetzt zu tun?" Ich verstehe nicht, was er mir damit jetzt sagen möchte.

„Gestern habe ich sie angerufen und ihr gesagt, dass ich sie heute besuchen werde. Mit einer Freundin."

„Und? Warum hast du mich dann mitgenommen?"

„Weil du sie bist", antwortet er ruhig.

FORBIDDEN LOVEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt