SIEBZEHN

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Lachend wirft Miguel seinen Kopf in den Nacken und nimmt sich einen.

Nachdem wir alle beide einen vernascht haben, lehne ich mich zu ihm hinüber und biete ihm den letzten an.

Er jedoch schüttelt bloß seinen Kopf und meint grinsend: „Ich bin schon groß und stark. Du brauchst ihn dringender."

„Soll das heißen, ich sei nicht groß und stark?"

„Das hast du jetzt gesagt."

„Gedacht hast du es dir aber", kontere ich.

„Was ist so schlimm daran ein kleiner Schwächling zu sein?", fragt er schließlich.

„Dass Typ wie du einen damit aufziehen."

„Tue ich doch gar nicht."

„Und ob du das tust."

„Ich finde klein und schwächlich süß", lenkt er ab und lächelt mich mit ehrlichen Augen an.

Ich spüre, wie meine Wangen langsam erröten. War das gerade ein Kompliment? Ich sage nichts darauf, weil ich auch keinen Plan habe, wie man sich in solchen Situationen verhält, und lasse dieses Statement mal so im Raume stehen.

Wir sitzen eine gefühlte Ewigkeit so da und meiden die Blicke des anderen. Bis Miguel die Stille bricht. „Wir sollten gehen", meint er und nickt in die Ferne.

Da hat er wohl recht. Ich möchte so schnell wie nur möglich zu Hause sein.

Schweigend gehen wir, nach ein paar Minuten, nebeneinander her. Das viele Grün um mich herum, macht mich langsam doch ein bisschen depressiv, wenn ich ehrlich bin. Ich bin noch nie auf Klassenfahrten verloren gegangen. Außer einmal, als wir im Museum waren und ich Idiot mit der falschen Klasse mitgegangen bin. Ich war so auf die alten Steine und Kristalle fixiert, dass ich es in den ersten dreißig Minuten gar nicht mitgekriegt habe. Bis jedoch meine atemlose Lehrerin mich am Handgelenk gepackt und mich zu meinen Mitschülern gezerrt hat.

Aber direkt im Land verloren? Niemals.

„Ich habe Hunger", jammere ich wieder.

Er dreht sich nicht mal um. „Wir haben doch eben unser Abendessen gehabt."

„Ja, also, ein Marshmallow und ein paar Blaubeeren ist nicht wirklich das Abendessen, was mich satt macht."

„Dann iss eben den, der übrig geblieben ist."

Ob das etwas hilft, bezweifle ich. Dennoch, ein Marshmallow ist besser als gar nichts. Ich greife in meine Gesäßtasche. Nichts. Dann in die andere. Nichts. Dann in die Taschen vorne. Nichts. Nichts außer Fussel und ein Kaugummipapier. Ich schlucke. „Den habe ich wohl auf der Wiese vergessen."

Als Antwort bekomme ich nur ein verständnisloses Schnauben. „Tut mir leid, aber ich kann dir jetzt kein Menü aus dem Ärmel zaubern."

„Das habe ich auch nicht erwartet", zische ich.

Doch dann unterbricht er mich: „Apfelbäume!" Er zeigt zu einem eingezäunten Grundstück, wo reihenweise Bäume stehen.

"Was ist damit?", hake ich skeptisch nach.

"Da kannst du wenigstens ein wenig zu dir nehmen."

"Wie..." Wir sollen da rein? Nein, niemals. Fix nicht! „So weit kommt's noch! Ich breche doch nicht in ein fremdes Grundstück ein, ich bin schließlich nicht kriminell!", protestiere ich.

„Hast du Geld dabei?", fragt er.

„Nein."

„Eben", meint er und rüttelt an der Eisentür, als wir ankommen. Miguel versucht die Verriegelung irgendwie aufzukriegen.

„Verdammt, Miguel, lass den Scheiß!" Ich ziehe an seinem arbeitenden Arm.

Ohne Mühe reißt er sich los und hat die lange Tür geknackt. „Mach dir nicht ins Hemd, ich habe das schon tausendmal gemacht", versucht er mich zu beruhigen.

Natürlich. „Wenn ich mit dir ins Gefängnis geworfen werde, dann..."

„Dann was?", provoziert er. Er steht nun hinter dem Tor, sieht mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und hält mir seine Hand hin.

„Dann kannst du was erleben, mein Lieber", fauche ich und nehme seine Hand, um mich durch den Schlitz zu zwängen.

„Ein paar Tage auf engstem Raum mit dir? Das will ich doch hoffen", schmunzelt Miguel.

Verlegen boxe ich ihm auf die Brust. „Du kannst mich mal."

Grinsend schiebt er die Tür wieder zu und drückt sich an mir vorbei. Vorsichtig gehe ich ihm nach und werfe immer wieder flüchtige Blicke zum Bauernhaus, dass uns ja niemand sieht. Warum hätten wir nicht einfach weitergehen und uns etwas Anderes suchen können. Blaubeeren zum Beispiel.

Mein Magen knurrt laut. Vor Angst, dass mich jemand hört, drücke ich meine Hand auf meinen Bauch. „Ach ja", sagt Miguel und rupft einen Apfel von einem Baum und reicht ihn mir.

„That's what I needed", schwärme ich. Miguel lächelt mich an. „Nimmst du dir denn keinen?"

Er schüttelt den Kopf. „Ich habe nicht so viel Hunger. Ich spare ihn mir lieber auf."

Aufsparen? Wofür? 

FORBIDDEN LOVEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt