FÜNFUNDZWANZIG

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Er beugt sich nach unten. Ich denke schon, dass er mich wieder küssen will, darum weiche ich etwas zurück. Dabei schlage ich mir aber den Kopf am Schrank hinter mir an, weshalb ich vor Schmerz aufstöhne.

Er schmunzelt. Seine Lippen streifen mein Ohr. „Du bleibst heute hier."

Ich erschaudere. „I-ich, äh, weiß nicht..."

„Das war keine Frage." Wie so wenige Wörter so viel in mir auslösen können. Sein Daumen streicht sanft über meine Halsschlagader, bevor er sich abwendet und weiter abwäscht.

Miguel hat mir verboten wieder Geschirr anzugreifen. Er meinte, ich habe eh schon beim Kochen geholfen, da würde ich nicht auch den Abwasch machen müssen. Da habe ich natürlich nichts darauf gesagt, ich meine, wenn ich schon Pause machen darf, dann sage ich bestimmt nicht nein.

Alles ist abgewaschen, abgetrocknet und eingeräumt. Wir gehen hinauf in irgendein Zimmer. Die Stufen knarzen und ein heimeliges Gefühl kommt in mir hoch. Die Wand, die bis in den zweiten Stock verläuft, ist mit vielen eingerahmten Bildern und Fotos geschmückt. Einige sind noch schwarz-weiß, ein paar sind schon farbig. Eines ist mir besonders aufgefallen. Auf einem Foto liegt ein Baby auf dem Rücken und grinst in die Kamera, die es von oben fotografiert. Seine dicken, kleinen Hände greifen nach ihr und seine Beine sind angezogen, sodass man seinen Pippimatz nicht sehen kann. Es trägt ein blaues Lätzchen mit Winnie Puh und Tigga drauf, die aus einer Honigschüssel essen. Sonst ist der kleine Knirps komplett nackig. Er erinnert mich total an Miguel. Seine blauen Augen, die in die Linse strahlen und sein Grübchen, das er nur auf der linken Wange hat. Ich grinse vor mich hin. Miguel war schon ein süßer Fratz.

„Als kleiner Mann hat er auch schon immer gedacht, er könnte sich alles erlauben", höre ich eine Stimme nahe an meinem Ohr. Ich schrecke hoch und klammere mich an Miguel fest. Sie betrachtet das Bild eindringlich. „Das denkt er jetzt zwar auch noch..."

„...aber ich habe ihn im Griff", beende ich ihren Satz und strahle sie freundlich an. Ich mag diese Frau.

Ihre warmen Augen sehen zwischen uns hin und her. „Das ist gut, mein Kind, das ist gut. Aber jetzt, hopp! Es ist schon spät, morgen müsst ihr früh raus. Das Frühstück kauft sich nicht von selbst", ruft sie über ihre Schulter und geht die Stufen hinunter.

Oben angekommen, biegen wir rechts ab, in ein Zimmer, dessen Wände mit gelb-weißen Streifen tapeziert sind. Es ist alles sehr schön hergerichtet. Die Betten sind gemacht, mit gelben und blauen Überzügen. Wie, als wäre es extra für uns gemacht.

FORBIDDEN LOVEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt