Kapitel 26

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Ally

Hey Daddy,

ich schreibe dir gerade diesen Brief. Aus Verzweiflung, Trauer und vor allem aus Liebe. Es gibt so vieles, was ich dir nie gesagt habe, was ich dir nicht mehr sagen kann und deswegen schreibe ich dir diesen Brief. Ich weiß, dass du jetzt da oben sitzt und mir zusiehst und dass du diesen Brief liest, dass ich eine direkte Verbindung mit diesem Brief zu dir habe.

„Die Blümelein, sie schlafen schon längst im Mondenschein.
Sie nicken mit dem Köpfchen auf ihren Stengelein.
Es rüttelt sich der Blütenbaum,
er säuselt wie im Traum:
Schlafe, schlafe, schlaf ein, mein Kindelein.
Die Vögelein, sie sangen so süß im Sonnenschein.
Sie sind zur Ruh gegangen in ihre Nestchen klein.
Das Heimchen in dem Ährengrund,
es tut allein sich kund.
Schlafe, schlafe, schlaf ein, mein Kindelein.
Sandmännchen kommt geschlichen und guckt durchs Fensterlein,
ob irgendwo ein Liebchen nicht mag zu Bette sein?
Und wo er noch ein Kindchen fand,
streut er ins Aug' ihm Sand.
Schlafe, schlafe, schlaf ein, mein Kindelein."

Dieses Lied hast du mir immer beim Einschlafen vorgesungen, als ich noch kleiner war. Du hast es mir auch vorgesungen als ich Albträume hatte, warst immer da und hast dich um mich gesorgt, selbst wenn du dafür die ganze Nacht wach bleiben musstest. Du hast jeden Abend in meinem Schrank und unter meinem Bett nach bösen Monstern geschaut und jede dunkle Ecke hast du mit einer Taschenlampe ausgeleuchtet,damit ich schlafen konnte. Immer kurz bevor ich eingeschlafen bin hast du mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt, ehe du mit einem „Gute Nacht Spätzchen" das Zimmer verlassen hast, bis zu deinem letzten Tag. Der Tag der alles verändert hat, der Tag an dem ich dich für immer verloren habe.

Wir haben zusammen gelacht, getanzt, gesungen, gebacken, gekocht und so vieles mehr! Erinnerst du dich Daddy? Erinnerst du dich wie glücklich ich war? Sieh mich an Daddy, wie ich hier sitze und meine Tränen unkontrolliert meine Wangen herunterlaufen, wie ich am liebsten schreien würde, wie sehr ich dich vermisse. Ich vermiss meinem Papa, meinen großen Helden, den Menschen den ich mehr als alles andere liebe! Du kannst doch nicht einfach so weg sein!

Ich warte immer noch darauf, dass du durch die Tür trittst, mich an der Hand nimmst und sagst: „Lass uns nach Hause gehen." Dass wir uns in das nächste Flugzeug setzen und nach Hamburg zurückfliegen. Aber es wird nicht passieren! Ich bin hier, in San Francisco, allein. Mum ist mit Lukes beschäftigt wie du sicherlich schon mitbekommen hast. Er ist zwar nett und versucht sein bestes, damit ich ihn akzeptiere, das habe ich schon bereits, aber er ist nicht du und wird es auch nie sein. Mit seinem Sohn Jake hatte ich keinen besonders guten Start. Um ehrlich zu sein war das ein beschissener Start, aber jetzt scheint es so als wäre alles in Ordnung. Ich habe auch meinen besten Freund wieder, Daddy. Liam ist wieder da und hat die Lücke in meinem Herzen geschlossen, die er aufgerissen hatte. Das macht aber nichts besser, denn du hast eine noch größere Lücke aufgerissen, die nur du füllen könntest. In der Schule habe ich ein Mädchen kennengelernt. Sie heißt Saphira und man könnte schon sagen, dass ich sie in mein Herz geschlossen habe, als beste Freundin.

Daddy ich bin am verzweifeln! Meine Gefühle spielen verrückt und ich wünschte du wärst da und ich hätte eine Schulter zu anlehnen. Obwohl Jake nicht besonders nett zu mir war bekomme ich jedes mal wenn er mich berührt eine Gänsehaut und mein Herz schlägt plötzlich so schnell. Ist das Liebe? Ich kann mich doch nicht in den Sohn von dem Freund meiner Mutter verliebt haben, oder? Mein Leben ist ein einziges Chaos, Daddy! Du fehlst mir so sehr, in jeder Situation.

Du hast mir mal versprochen, dass du immer für mich da bist! Hast mir versprochen mich auf dem Weg zum Traualtar nicht fallen zu lassen und mit mir abzuhauen, falls ich doch kalte Füße bekomme! Doch ich werde alleine zum Altar gehen werden und es wird auch niemand mit mir auf meiner Hochzeit den Vater-Tochter-Tanz tanzen, geschweige denn bei meinem Abschluss. Du wirst nie deine Enkel kennenlernen! Aber ich verspreche dir, dass ich ihnen alles über dich erzählen werde!

Aber vielleicht werde ich auch nicht heiraten und Kinder bekommen. Vielleicht werde ich allein sterben. Vielleicht reißt mich ein Unfall aus meinem Leben und wir werden uns schon eher wiedersehen oder vielleicht möchte ich auch gar nicht länger leben und beende alles selbst. Man weiß nie was die Zukunft bringt, oder?

Ich habe Angst, Daddy! Angst, dass die Erinnerungen an dich verblassen bis sie am ende ganz verschwinden. Dass ich mich nicht mehr an dein Aussehen, deine Gangart, deine Stimme und dein Lachen erinnern kann.

Ich würde so vieles dafür geben dich noch ein mal zu sehen, dich zu umarmen und dir zu sagen wie sehr ich dich liebe! Hörst du Daddy? Ich liebe dich, mehr als alles andere. Ich hoffe nur, dass du bis wir uns wieder sehen gut auf mich aufpasst und mit Stolz auf mich herabsiehst. Denn ich verspreche dir, dass ich immer mit Stolz zu dir aufschauen werde.

Ich vermisse dich und hoffe,dass du jetzt an einem besseren Ort bist und es dir gut geht! Ich liebe dich Daddy.

~ Ally

Damn StepbrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt