Kapitel 39

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Liebe Ally,

wenn du diesen Brief hier liest, werde ich nicht mehr bei dir sein und dich trösten können. Ich sitze gerade hier und schreibe dir diesen Brief, weil du das Recht hast zu erfahren, warum ich nicht länger bei dir bleiben konnte. In meinem Papierkorb unter meinem Schreibtisch sammeln sich mittlerweile die Papierkugeln, weil ich nicht weiß wie ich am besten anfangen soll.

Ich beginne einfach ganz von vorn. Zwei Jahre vor deiner Geburt lernte ich eine unglaubliche Frau kennen. Sie war wunderschön, liebevoll, witzig, klug. Ich könnte jetzt noch hundert weitere Adjektive aufzählen, die diese Frau beschreiben. Sie war aus gutem Elternhaus und ich nur ein einfacher Verkäufer aus dem Supermarkt um die Ecke. Ich war ein niemand, nur jemand, der von Amerika nach Deutschland gezogen ist, um die Trauer über seine verstorbenen Eltern zu vergessen. Sie hatte Geld und ich nicht. Wir kamen trotz der ganzen Gegensätze zusammen und es rückte der Tag näher, an dem sie mich ihren Eltern vorstellen wollte. An diesem Tag ging alles schief. Ihre Eltern haben mich eine Stunde lang ausgefragt, als was ich arbeite, wie viel Geld ich habe und noch mehr solche oberflächlichen Dinge. Diese ganzen Fragen haben Eris und Peter Schmidt ein Urteil über mich bilden lassen. Sie haben ihrer Tochter ein Ultimatum gestellt: entweder sie schießt mich in den Wind oder sie ist nicht länger ihre Tochter. Sie hat sich für mich entschieden und somit sind wir zusammen nach Hamburg gezogen. Wir haben uns eine kleine Wohnung gesucht und waren glücklich. Wir hatten nicht sonderlich viel Geld, aber wir hatten uns und das hat gereicht. Als sie mir sagte, dass sie schwanger sei, war ich der glücklichste Mann der Welt, glaub mir und für mich war klar, dass ich diese Frau für immer an meiner Seite haben wollte! Der Tag unserer Hochzeit und die Geburt unseres ersten Kindes rückte immer näher und mein Puls beschleunigte sich aus Angst, irgendetwas falsch zu machen. Mit einer Frau, welche im siebten Monat schwanger war, stand ich nun vorm Altar und aus Janet Schmidt wurde Janet Hamilton. Nachdem du geboren wurdest, war unser Glück perfekt. Wir zogen aus unserer kleinen Wohnung in ein kleines, gemütliches Haus, das Haus, was die ganzen Jahre dein Zuhause war. Gerade als du ein Jahr geworden bist, entschied deine Mutter sich dazu, wieder arbeiten zu gehen und besorgte sich einen verdammt gut bezahlten Job. Als Opfer für ihren Wunsch kündigte ich meinen Job, um für dich da zu sein. Während deine Mutter arbeiten war, kümmerte ich mich um dich und das schweißte uns zusammen! Ich suchte mir als du alt genug warst wieder einen Job, zwar nur einen Halbtagsjob für wenig Geld, aber das hat mir gereicht. Wir beide haben zusammen gekocht und gebacken, weißt du noch? Du bist so schnell erwachsen geworden, bist von der vierten in die fünfte Klasse gekommen. Aber für mich bleibst du immer meine kleine Prinzessin.

Wir machen einen kleinen Zeitsprung, ungefähr drei Wochen bevor ich dich verlassen habe, Schätzchen. Ich kam gerade von meinem Job nachhause, hatte schon eine Stunde eher Feierabend, schloss die Tür auf und hörte deine Mutter mit jemandem telefonieren. Ich habe mir nichts dabei gedacht und bin in die Richtung gelaufen, wo ihre Stimme herkam. Als ich sie gerade fragen wollte, mit wem sie telefoniert, sagte sie: „Ja Schatz, ich werde es ihm sagen und dann kommen Ally und ich zu dir.". Für mich war alles klar, die Frau, mit der ich eine wunderbare Tochter habe betrügt mich und will mir mein Ein und Alles wegnehmen. Ich bin ausgerastet und habe sie zur Rede gestellt. Sie hat mir alles erzählt, dass sie seit ungefähr einem halben Jahr ihre große Liebe gefunden hat und gehen wird. Mit dir. Bei mir sind alle Sicherungen durchgebrannt und ich habe sie angeschrien, dass sie das nicht machen kann. Du warst zu der Zeit zum Glück noch in der Schule. Ich fragte sie wohin sie mit dir gehen will, weil ich sie nicht davon abbringen konnte zu gehen. Ich habe es versucht, glaub mir und als sie dann 'San Francisco' sagte, brach meine komplette Welt zusammen. Sie sagte mir: „Es war nett mit dir und ich dachte wirklich, dass ich dich liebe. Aber als ich Lukes kennenlernte, wurde mir bewusst was Liebe ist. Er ist perfekt und vor allem kann er mir und meiner Tochter etwas bieten. Wir haben nämlich etwas besseres verdient als das hier.", sie zeigte auf unser Haus. Das Haus, was wir liebevoll zu unserem Zuhause gemacht hatten. Ich habe sie angefleht, dich mir nicht wegzunehmen, doch alles was ich von ihr zu hören bekommen habe war, dass ich dich von selbst loslassen muss oder wir das gerichtlich klären. Für mich war in dem Moment klar, dass ich dich verliere, da 'ein Kind bekanntlich zu seiner Mutter gehört' und sie das bessere Einkommen hat. Da du noch nicht 18 bist, hast du kein Mitspracherecht. Hätten wir beide zu der Zeit noch das gemeinsame Sorgerecht für dich gehabt, hättest du entscheiden können wo du hin möchtest. Das Problem dabei: deine Mutter hat beim Jugendamt schon das alleinige Sorgerecht beantragt und deinen Pass für Amerika in Arbeit gestellt. Bis zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, was man mit Geld so alles erreichen kann.

Für mich war klar, dass mein Leben ein Ende findet, wenn du gehst und deswegen schreibe ich diesen Brief. Ich möchte nicht, dass du dir die Schuld gibst oder im Ungewissen lebst. Ich weiß, dass ich dir mit meinem Tod unglaublich wehgetan habe und du weißt nicht wie sehr ich mich dafür hasse! Ich hasse mich so sehr, sodass ich glücklich bin, dass ich nicht mehr lebe.

Versprich mir, dass du mich so in Erinnerung behältst, wie ich einmal war und vor allem, denk immer daran,dass du alles für mich bist und warst! Ich verspreche dir vom Himmel aus zuzusehen und auf dich aufzupassen, Schätzchen! Gott möge dich schützen!

In Liebe, Dad.

Damn StepbrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt