12. Kapitel: Die Flucht vor der Dunkelheit

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Ich spürte warme Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht, als ich aufwachte. Ich setzte mich auf und merkte, dass ich allein lag und Jeff ein paar Schritte weiter auf einem Baumstumpf saß. Ich hatte überraschender Weise ausgesprochen gut geschlafen. Ich überlegte mir, woran es liegen könnte, bis mir auffiel, dass ich das erste Mal seit einem Jahr keinen Albtraum hatte.

Jeff wandte den Kopf und sah mich an. Er hatte wieder einmal sein Messer in der Hand und ließ es geschickt durch seine Finger wirbeln. Er stand auf und fragte, ob wir weiter gehen wollen. Ich nickte und stand ebenfalls auf. Ich sammelte meine Sachen vom Boden ein, zog Jeffs Hoodie aus und gab ihm den Pullover zurück. Er zog ihn über und sein muskulöser und für mich überraschend anziehender Oberkörper verschwand hinter weißem Stoff.

Und so gingen wir weiter, Stunde um Stunde und Meter für Meter. Wieder näherte sich die Nacht und der Himmel färbte sich langsam dunkelblau. Ich achtete nicht viel auf Jeff und auf meine Umgebung, sondern hing in Gedanken. Bis sich plötzlich etwas in meinem Fuß einhakte und ich mich der Länge nach auf den Boden legte. Stöhnend kam ich wieder auf die Beine und schaute, was mich zu Fall gebracht hatte.

"Blöde Wurzel", murmelte ich.

Ich wollte wieder Jeff hinterher laufen, doch da war niemand mehr. Ein dumpfes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Ich schaute mich um, aber ich konnte auch dort niemanden sehen. Angestrengt überlegte ich, wann ich überhaupt das letzte Mal darauf geachtet hatte dass er vor mir war, doch ich stellte mit Entsetzen fest, dass es schon relativ lange her war.

Ich versuchte ruhig zu bleiben und nicht in Panik zu geraten.

"Das ist nur ein dunkler Wald", versuchte ich mich zu beruhigen.

Je länger ich in die Dunkelheit starrte, kam es mir vor als würden die Schatten Formen annehmen und mit ihren langen schwarzen Armen nach mir greifen. Eine Gänsehaut zog sich über meine Haut. Das Knacken eines Asts ließ mich herumlaufen. Der Wind ließ die Blätter über meinem Kopf so rascheln, dass es einem Wispern vieler Stimmen ähnlich kam. Wieder knackte ein Ast und mein Herz fing an zu galoppieren. Das Knacken der Äste wurde lauter und kam näher.

Eine schrille Stimme in meinem Kopf schrie "Renn" und ich befolgte diesem Befehl. Kopflos, wie ein fliehendes Reh rannte ich durch den Wald, wich Bäumen aus und sprang über Wurzeln. Doch dann gab der Boden unter mir nach und ich kugelte mit einem Quietschen den Abhang hinunter. Als ich nicht mehr weiter rollte, versuchte ich aufzustehen, doch der Schmerz explodierte in meinem rechten Knöchel. Testweise versuchte ich es noch einmal, doch es hatte wieder den gleichen Effekt. Hilflos schaute ich mich um. Vor Angst, dass ich hier liegen bleibe und überhaupt nicht mehr herauskomme fing ich an zu weinen. Salzige Tränen bedeckten mein Gesicht.

Nach einiger Zeit hörte ich, wie sich jemand mir näherte. Er hob mich hoch und ich wurde an einen warmen Oberkörper gedrückt, der mich wieder den Anhang hochtrug. Ich wollte runtergelassen werden und strampelte, doch ich kam nicht von seinem festen Griff weg.

"Du warst auf einmal weg", erklang Jeffs raue Stimme.

"Ich habe nicht auf den Weg geachtet und bin gestolpert. Danach habe ich Geräusche gehört und bin weggerannt", erzählte ich. Meine Stimme zitterte.

"Ich höre auch die ganze Zeit Geräusche und ich renne auch nicht panisch weg", erwiderte er mit spöttischer Stimme.

"Sie haben mir Angst gemacht", versuchte ich mich mit leiser Stimme zu verteidigen.

Jeff kicherte und schüttelte bloß den Kopf.

Er setzte mich auf einem Baumstumpf ab und machte sich dran ein Feuer zu entfachen. Nachdem er es geschafft hatte, dass Holz zum brennen zu bekommen, setzte er sich neben mich und starrte in das Feuer. Wir schwiegen eine Weile, bis er sich zu mir umwandte und mich ansah.

"Als ich dich nicht mehr hinter mir gesehen habe, hatte ich befürchtet, dass ich dich nicht mehr wieder finde."

Die flackernden Flammen des Feuers warfen tanzende Schatten auf seinem Gesicht.

"Ich habe etwas gespürt, was ich schon lange verloren geglaubt hatte. Angst."

Er rutschte näher zu mir, sodass die Lücke zwischen uns geschlossen wurde. Ich hörte zwar die Worte die er sagte, aber mein Gehirn war zu paralysiert, um zu begreifen, was hier gerade passierte. Jeff lehnte sich langsam zu mir.

Mein Instinkt schrie: "Lauf! Schubs ihn weg!"

Aber er verstummte, als seine Lippen auf meine trafen. Er war alles was ich noch spürte. Ich krallte meine Hände in seine Haare, um ihn näher an mich heranzuziehen, während seine Hände sengende Muster auf meiner Haut hinterließen. Synchron bewegten sich unsere Lippen aufeinander und ich spürte, wie seine Zunge gegen meine Lippen stieß und um Einlass bat. Ich gewährte ihr ihn.

Atemlos lösten wir uns voneinander. Er schaute mit in die Augen, stand auf und verschwand im Schatten der Bäume. Ich blickte ihm nach, wandte mich aber dann zum Feuer um und beobachtete die Flammen. Langsam wurde ich müde und mir fielen die Augen zu.

His Smile shines through his Darkness || Jeff The KillerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt