Der große Tag, Teil 2

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Der Abend war noch lang, doch ich fühlte mich erdrückt. Ich benötigte ein wenig frische Luft, um wieder frei atmen zu können. Dabei sorgte ich mich auch weniger darum, ob Maximilian mich wiederfinden würde. In diesem Zustand sollte mich niemand erblicken.

Der schnellste Weg nach draußen führte über den Balkon. Von dort aus wendelten sich Treppen hinab in den Vorgarten. Und genau dort ließ ich mich auf eine Band sinken. Der kühle Wind wehte mir um die Ohren und meine Atemwege wurden wieder frei.

Wilhelm glaubte, mich zu kennen. Ich erinnerte ihn an jemanden. Kannte er womöglich meine leiblichen Eltern? Kannte er mich, als ich noch ein junges Mädchen gewesen war? Könnte es sein, dass er der Schlüssel zu der Wahrheit war?

Fragen über Fragen. Und ein kleiner Hoffnungsschimmer. Auch wenn dies nur ein Brotkrümel war, war es dennoch ein Anfang. Ein schmaler Pfad, der mich zu der Wahrheit führen könnte.

Jemand setzte sich neben mich. Auch ohne einen Blick zur Seite zu werfen wusste ich, dass es sich um Katherina handelte. Sie legte ihre Hand auf meinen Arm und wartete darauf, dass ich etwas erwiderte.

Und das tat ich. »Er hat jemanden in mir gesehen.«, flüsterte ich.

»Wer? Und wen?«, fragte Katherina.

Ich hob meinen Kopf in ihre Richtung. »Maximilians Vater. Ich erinnere ihn an jemanden. Ich weiß nicht wer, und er weiß es auch nicht mehr. Aber er fragte mich, ob ich ihn kennen würde. Oder ob irgendwelche meiner Verwandten seine Bekanntschaft bereits gemacht haben.«

Sie überlegte. Für ein paar Minuten war es zwischen uns vollkommen still. Nur der Wind gab ein leisen Ton von sich.

Dann unterbrach sie die Stille wieder. »Ein Hoffnungsschimmer. Er könnte deine leiblichen Verwandten kennen.«

»Scheint so. Ich kenne ihn nämlich nicht. Und euch sehe ich auch nicht gerade ähnlich. Wenn ich könnte, würde ich weiter nachfragen. Wilhelm erinnert sich allerdings nicht daran, wem ich ähnlichsehe.«

»Und wenn du Maximilian einweihst und ihn bittest dir mehr Informationen zu geben, wenn er welche hat?«, schlug Katherina vor.

»Wir können niemanden einweihen. Das weißt du. Wenn jemand herausfindet, dass ich nicht mit euch verwandt bin oder Paulus mich auf rechtlichem Wege adoptiert hat, dann kann das schlimm enden.«

Sie nickte. »Daran habe ich gar nicht gedacht.«

Erneut begann sie zu überlegen. Dieses Mal tat ich es ihr nach.

Wie konnte ich herausfinden, wer die Person war, die Wilhelm in mir sah? Und wenn er es wieder wusste, würde er eins und eins zusammenzählen? Wäre Paulus in Gefahr, wenn er erfuhr, dass ich gar nicht seine leibliche Tochter war?

Meine Hände begannen zu schwitzen. Ich wollte Paulus nicht in Gefahr bringen. Nicht, nachdem er all die vielen Jahre hinter mir gestanden und mich so großherzig aufgezogen hatte.

»Wie soll ich das bloß anstellen?«, fragte ich mich selbst.

Katherina seufzte leise. »Der einzige Weg wäre Maximilian einzuweihen. Auch, wenn es riskant ist.«

»Ich kenne ihn nicht genug, um sicherzugehen, dass es kein böses Ende nehmen würde. Und ich möchte niemanden Probleme bereiten.«

»Dann finde heraus, ob du ihm trauen kannst. Er ist der Schlüssel zur Wahrheit. Ohne Maximilian kommst du an die Informationen seines Vaters nicht heran. Du brauchst ihn dafür.«

Ich war hin und hergerissen. Katherina hatte recht. Trotzdem wusste ich nicht, ob ich ihm vertrauen konnte. Maximilian steckte doch selbst zwischen zwei Stühlen. Sein Vater war der Berater des Königs. Da konnte er ihm nicht verheimlichen, dass Paulus mich einfach so aufgenommen hatte. Und sei er noch so sympathisch.

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