Herkunft

47 3 1
                                    

»Um Ihren Vater. Ihren leiblichen Vater. Darum, wer er ist und was er getan hat.«

Ich glaubte, beinahe vom Stuhl zu kippen. Sebastian wusste, wer mein leiblicher Vater war. Er hatte die Antwort. Und ich war kurz davor sie zu erfahren.

Er sah mich prüfend an, als würde er meinen Zustand genauestens betrachten. Aber ich gab ihm keinen Grund an der Stelle zu stoppen und forderte ihn auf, weiterzusprechen.

Er räusperte sich. »Ihr Vater ist ein adliger, Aisha. Er hat eine Familie, die er über alles liebt. Und all die Jahre hat er sich nach Ihnen gesehnt. Aber er wusste, dass er sich von Ihnen fernhalten musste. Dass er es noch immer tun muss.«

Erneut machte Sebastian eine Pause. Er gab mir Zeit seine Worte zu verdauen. Und die brauchte ich auch.

Er ist ein Adliger ...

... hat eine Familie, die er über alles liebt ...

... muss sich von mir fernhalten ...

»Er hat mich ausgesetzt, richtig? Ich ging nicht verloren, es war Absicht.«

Sebastian presste seinen Kiefer aufeinander und nickte. »Er wusste, dass diese Familie hier kein kleines Mädchen auf der Straße sitzenlassen würde. Er hatte keine andere Wahl, das kannst du mir glauben.«

»Warum?«

Ich hatte angst vor seiner Antwort. Was, wenn er mich nicht genug geliebt hatte? Wenn ich ein Versehen war, welchen er nicht ertragen konnte zu sehen? All die Jahre dachte ich, dass ich einfach verlorengegangen wäre. Und nun?

»Er hat seine Frau betrogen. Mit einer Frau, die damals verlobt war. Als er erfuhr, dass diese Frau guter Hoffnung war, bekam er angst. Er fürchtete sich davor, dass seine Frau die Wahrheit erfuhr. Aus dem Grund hat er Sie ihr weggenommen und ausgesetzt. So konnte sie damit nicht zu seiner Frau gehen. Sie hatte ja nichts gegen ihn in der Hand, wenn es kein Kind gab.«, erzählte er weiter.

Ich hob meine Hand, um ihn vom Weiterreden abzuhalten. »Mein Vater hat mich meiner Mutter weggenommen und ausgesetzt? Was für ein Mensch tut denn so etwas?!«

Wut begann in mir zu brodeln. Mein leiblicher Vater hatte mir mein Leben genommen, weil er um seins fürchtete!

Sebastian versuchte, meine Wut zu stoppen, und nahm meine Hände, die ich wild in der Luft herumwirbelte. »Er ist kein schlechter Mensch. Er hat nur einen Fehler begannen, den er nicht mehr korrigieren kann. Haben Sie denn nie Fehler gemacht?«

»Nie so einen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist toll hier, aber ich habe mich mein ganzes Leben gefragt, wer meine leiblichen Eltern sind und warum ich nicht bei ihnen bin. Und jetzt das ...«

Stille legte sich über uns. Ich versuchte das alles zu verstehen und nicht durchzudrehen. Dabei tauchten immer mehr Fragen in meinem Kopf auf.

Warum hat meine Mutter mich nie gesucht?

Wieso war ich meinem Vater so egal?

Sebastian rieb sich die Hände. Er hatte mehr Wissen, als er herausgab. Ich verstand es. Er gab mir Freiraum.

»Sebastian, warum sagen Sie mir das alles? Was haben Sie davon?«

Er blickte wieder zu mir auf. Ein kleines, angedeutetes Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Dein Vater, Aisha, ist auch mein Vater.«

»Du bist mein Bruder?«, flüsterte ich erschrocken.

Er nickte. »Halbbruder. Wir haben nur verschiedene Mütter.«

Behind the MaskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt