Gespräche

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Die letzten zwei Wochen verbrachte ich damit herauszufinden, ob Maximilians Vater nicht doch auf dem richtigen Weg war. Vielleicht kannte nicht ich diesen ehemaligen Geschäftsmann, sondern Paulus. Doch in seinen Unterlagen fand ich keinerlei Hinweise darauf. Das einzige, was ich erreichte waren Schuldgefühle, weil ich in seinem Privateigentum sah.

Und dennoch glaubte ich daran, dass es wichtig war herauszufinden, wer dieser Geschäftsmann war. Vielleicht jemand aus meinem Leben vor der besagten Nacht? Ein Freund der Familie?

Es war unwahrscheinlich. Bestimmt richtete ich meine Hoffnung in eine Richtung, die ins Leere führte. Am Ende würde ich noch im Gefängnis landen. Würde Maximilian mich verraten? Seine Loyalität galt seinem Vater. Mich kannte er kaum.

Und dennoch hatte Alba nicht ganz unrecht. Maximilian begann etwas in mir zu regen. Ihn zu sehen hatte mich erfreut. So wie jedes Mal. Aber erging es ihm genauso? In diese Richtung sollte ich nicht denken. Meine Prioritäten gingen in eine andere Richtung. Ich fand die Wahrheit über meine Vergangenheit nicht, wenn ich über ihn nachdachte. Denn er gehörte nicht zu meiner Familie.

Der Ball fand bald statt. Gestern kam die Einladung, was mir einen verwunderten Blick von Paulus bescherte. Ich war bisher immer diejenige gewesen, über die er sich am meisten Sorgen machen musste, wenn es um die Zukunft ging. Er hatte nie versucht mich zu verheiraten, aber bisher sah es ganz danach aus, dass er genau dies tun musste, wenn für mich gesorgt sein sollte.

Nun hatte er wieder Hoffnung.

»Er ist ein Adliger. Jemand, dessen Blutlinie unserer gut tun würde. Er könnte gut für dich sorgen und dir das Leben geben, welches du verdienst.«, hatte er gesagt.

Es war deutlich, dass er sich Maximilian bereits als meinen Ehemann vorstellte. Ohne zu wissen, dass er mich nur einlud, weil ich so an die wichtigen Leute der Gesellschaft kam und Nachforschungen anstellen konnte. Es war also keineswegs so eine Einladung.

Die Wahrheit würde zu enttäuschend für ihn sein. Denn dann müsste er einsehen, dass alles zu einer geplanten Ehe hinauslaufen wird. Etwas, womit ich mich bereits abgefunden hatte. Was aber nicht zu meinem entzücken war.

Paulus war beschäftigt, als ich ihn um Erlaubnis bat mit Katharina ausgehen zu dürfen. Bis zu ihrer Hochzeit waren nur noch wenige Tage und sie wurde zunehmend nervöser. Sie zweifelte keinesfalls an der Ehe mit dem Mann, den sie liebte, lediglich vor der Hochzeit selbst. Ich wäre auch nervös, wenn alle Blicke auf mich gerichtet wären.

Natürlich missbilligte er die Verabredung nicht. Er war froh, wenn ich raus kam und das nicht nur auf den Markt. Bevor er seine Entscheidung zurücknahm, traf ich meine Schwester auf der Lichtung vor dem Wald. Auf dieser Lichtung hielten einige Bauer ihre Pferde. Es war ein sehr idyllischer Ort, der einem das Gefühl von Ruhe und Sicherheit vermitteln vermochte.

»Katharina?«

Sie saß auf einer ausgebreiteten Decke vor der Wiese, auf der einige Pferde abgestellt waren. Als sie mich erblickte, hob sie die Hand. »Aisha? Ich dachte schon, du hättest mich versetzt.«

Ich lächelte und ließ mich neben ihr auf der Decke nieder. »Nein. Aber ich wollte erst sichergehen, dass mein Verschwinden keine Fragen aufwerfen würde.«

»Bei dir klingt das immer so, als würdest du uns im Stich lassen«, stichelte sie kopfschüttelnd. »Und nicht als würdest du dich mit deiner Schwester treffen.«

»Ich pflege nur meine Erziehung. Ohne Erlaubnis das Haus zu verlassen vermag Paulus ein schwaches Herz bescheren.«, erklärte ich ihr.

Sie nickte. »Er macht sich Gedanken.«

»Worum?«

»Dich. Deine Zukunft. Du bist die einzige von uns, die Vater die Angst bescheren kann, dass du als Ledige sterben würdest.«

Ihre Worte setzten sich in mein Herz. Es war mir nicht bewusst, dass Paulus sich meinetwegen solche Sorgen machen musste. »Das ist nicht meine Absicht.«

»Was ist es dann? Warum fällt es dir so schwer einen Mann zu finden?«

Ich sah auf meine Hände hinab, die in meinem Schoß ruhten. »Ich weiß nicht wer ich bin. Wie soll ich da jemanden finden, der mich lieben kann?«

Ihre Hand legte sich auf meine. »Du bist Aisha, meine Schwester. Die liebenswerteste Person, die ich kenne. Es ist nicht das, was ich mir für dich wünsche, aber wenn du nicht denkest, dass du jemanden finden kannst, den du und der dich lieben könne, dann tu es auch nicht. Finde jemanden, der dir eine sorgenlose Zukunft bieten kann.«

Mein Blick glitt zu ihr. »Ich soll also jemanden heiraten, der mir fremd ist? Jemanden, den ich nicht liebe und der dies auch nicht für mich tut?«

Sie seufzte. »Es ist nicht das, was du dir wünschst. Aber du kannst unmöglich für dich selbst sorgen.«

Das wusste ich. Aber es widerstrebte mir eine Zukunft zu sehen, in der ich jemanden heiraten würde, der nur aus finanziellen Gründen mein Mann war. Das geschah schon viel zu oft. Menschen heirateten immer seltener aus Liebe, sondern aus Geldnot oder Ansehen. Was sagten Menschen über unverheiratete Frauen? Nichts Gutes. Außerdem war es gefährlich. Jede Frau brauchte einen Mann, der sie beschützte.

»Wie wäre es mit dem jungen Mann, von dem du auf diesen Ball eingeladen wurdest? Er ist finanziell gut abgesichert und du bist ihm nicht abgeneigt.«, fuhr sie fort.

Ich zog meine Augenbrauen hoch. »Es ist nur eine Einladung. Kein Antrag.«

»Das habe ich auch nicht gesagt. Vater war wirklich erfreut, als die Einladung eintraf. Und ich ebenfalls. Alexander verriet mir, dass er ledig sein soll, sein Vater aber eine baldige Hochzeit nicht ausschließen würde.«

»So wie es üblich ist in seinem Alter. Was hat das mit mir zu tun?«

Wieder seufzte sie. Vermutlich verstand sie nicht, warum ich nicht verstand. »Es könnte ebenso deine Hochzeit sein.«

Nun entzog ich ihr meine Hand. »Ich kenne Maxmilian doch gar nicht!«

»Dieser Ball könnte es ändern. Zieh es wenigstens in Betracht, ja? Versprich es mir.«

»Du möchtest also, dass ich ihm eine Möglichkeit gewähre mich kennenzulernen und ich meine nutze ihn kennenzulernen? In der Hoffnung er möge meine Zukunft sichern?«

Sie nickte.

Ich schloss meine Augen und stand auf. »Ich verstehe die Gründe. Aber ich habe momentan andere Prioritäten.«

Katharina sah mich entsetzt an. »Was kann wichtiger sein als seine Zukunft zu sichern? Als Vaters Herz zu schonen?«

»Gewissheit.«, erwiderte ich leise und verließ meine Schwester.

Sie sah mir nach, das wusste ich. Sie meinte es nur gut, auch das wusste ich. Aber sie alle konnten nicht verstehen, dass ich nicht heiraten konnte, wenn ich mich selbst nicht kannte. Meine Herkunft nicht kannte. Es war naiv und riskant, aber es war mein Wunsch.

So wie es Katharinas Wunsch war zu heiraten.

Und Paulus Wunsch mich glücklich zu sehen.

Behind the MaskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt