Eine große Ehre?

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Aisha

Mit großen Augen starrte Alba mich an. Sie rang sichtlich mit den richtigen Worten. Mehrmals öffnete sich ihr Mund ohne Worte hinauszulassen.

»Ich höre?«

Sie kam zu mir ans Bett und ließ sich darauf fallen. »Ich weiß weniger, als du denkst. Eigentlich weiß ich so gut wie gar nichts. Jonathan und ich, wir... wir waren im Nachbarsdorf. Haben dort gefragt, ob ein Kind als vermisst gemeldet wurde. Wurde es nicht. Dann haben wir versucht mehr aus dieser Nacht zu erfahren, doch niemand wollte darüber sprechen.« Sie konnte mir nicht einmal mehr in die Augen sehen.

Ich schnaubte empört. »Ihr habt hinter meinem Rücken nach meiner Familie gesucht? Warum habt ihr mich nicht angesprochen, denkt ihr etwa, dass mir meine Wurzeln egal seien?«

Sie zuckte mit ihren Schultern. Mit ihrem Zeigefinger puhlte sie an ihrer Hand herum. »Jonathan meinte, dass du wütend werden würdest. Und Vater, er würde denken, ich wolle dich loswerden. Dabei möchte ich nur wissen, woher du kommst.«

»Und was hat das dann mit deinem Satz -etwas Illegales- zu tun? Denkst du, dass meine Mutter eine Dirne war? Und mein Vater ein Freier?«

Sie nickte vorsichtig. »Das würde erklären, warum deine Eltern dich nicht mehr wollten... Wenn der König das herausgefunden hätte, dann-«

»Wäre ich oder meine Mutter bereits tot! Vermutlich eher ich, weil ich dann nämlich nur ein Stück Abschaum wäre!«, schrie ich sie an.

Alba zuckte zusammen. In ihren Augen bildeten sich Tränen. »So meinte ich das doch nicht... Ich... ich weiß ja selber nicht, was ich davon halten soll... Jonathan, er-«

»Erzählt nur Übles über mich? Redet mich schlecht? Warum hörst du überhaupt auf ihn?«

Sie mahlte auf ihrem Kiefer. »Er...« Ein Seufzer drang aus ihrer Kehle. »Er könnte recht haben.«, flüsterte sie schwach.

Ihre Worte trafen mitten in mein Herz. Ich wusste nicht, ob ich empört oder enttäuscht sein sollte. Waren wir nicht Schwestern? Warum also hielt sie mich auf einmal für die Tochter einer Dirne? »Du gehst jetzt besser.«, befahl ich ihr.

»Aber, Aisha, ich-«

»Geh! Ich kann deinen Anblick gerade nicht ertragen.«

Alba zögerte kurz, ehe sie sich schließlich erhob und das Zimmer verließ. Kaum fiel die Tür hinter ihr ins Schloss, begann ich zu schluchzen. Meinen Kopf vergrub ich in meinen Händen, während mir die Tränen unkontrolliert über die Wange liefen. Das Herz tat mir weh.

Meine eigene Familie hielt mich für Abschaum. Die ganzen Jahre dachte ich, dass sie mich als Mitglied ansah und in Wahrheit gaukelten sie mir etwas vor. Hinter meinem Rücken suchten sie nach meiner »wahren« Familie, damit sie mich zu ihnen abschieben konnten.

Meine starke Hülle drohte einzustürzen. All die Jahre gab ich mir Mühe eine gute Tochter für Paulus zu sein. Er sollte es nicht bereuen mich aufgenommen zu haben. Hatte ich auch in diesem Bezug alles verbockt?

Ich musste hier raus. Weg von diesem Haus, weg von Paulus, Alba und Katharina, die vermutlich bald wiederkommen würde. Einfach raus, egal wohin. Ein bestimmtes Ziel hatte ich nicht vor Augen. Aber meistens fand ich mich an dem Stadtbrunnen wieder, wo ich auch heute ankam.

Meine Finger ließ ich ins kalte Wasser gleiten. Die Hautkuppen begannen zu schrumpeln, was mich aber nicht weiter störte. Ich genoss einfach die Kälte, welche durch meine Finger hinauf zum Rest meines Körpers strömte. Dabei schweifte ich mit meinen Gedanken zu meinem Leben ab. All die Jahre zogen vor meinen Augen vorbei. Wie ich mich als kleines Kind freute endlich eine neue Familie zu haben und nicht länger in der Kälte sitzen zu müssen, nachdem ich lange hin und her gelaufen war. Dank der herzlichen Aufnahme war es mir möglich mich schnell einzuleben. Als Agnes verstarb war das ein Schock für mich. Mir war zwar klar, dass sie nicht meine leibliche Mutter war, trotzdem liebte ich sie wie eine.

Behind the MaskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt