Eine große Bitte

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»Wir müssen reden.«

Ich hatte so einiges erwartet, was nun geschehen würde. Dass Maximilian eine Erklärung abverlangen würde, woher ich wusste, wo er sich aufhielt oder was ich mit meiner Aussage zu erreichen versuchte.

Aber niemals erwartete ich das, was er letztendlich erwiderte.

»Ich muss auch mit Ihnen sprechen, Aisha.«

Mein Gesichtsausdruck musste in diesem Moment all meine Gefühle widerspiegeln. Vorneweg meine Verwirrung. So wie er es sagte, klang es, als hätte er nur darauf gewartet, dass ich ihn fand.

»Das müssen Sie mir wohl näher erklären.«, erwiderte ich ihm.

Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Nicht hier. Zu viele Ohren.«

Ich verstand. Vorsichtig umfasste ich sein Handgelenk und führte ihn in Richtung unseres Hauses. Jedoch steuerte ich nicht auf den Eingang zu, sondern ging geradewegs in den Garten. Von hier würde Paulus uns nicht hören und auch nicht sehen können.

»Ich möchte, dass Sie sich zuerst erklären.«, beschloss ich.

Er widersprach nicht. »Mein Vater war der festen Überzeugung Sie zu kennen oder jemanden in Ihnen zu erkennen, dem ihm bekannt ist.«

»Ich bin Ihrem Vater vorher nie begegnet. Die Ehre hatte ich nie.«

»Natürlich. Daher habe ich die Tagebücher meines Vaters gelesen, um nach Personen zu suchen, die er meinen könnte. Ich bin tatsächlich auf etwas gestoßen.«

Ich hob meine Brauen. »Sprechen Sie weiter.«

»Mein Vater erwähnte einen Mann, mit dem er in meinem Alter häufig in Verbindung stand. Dieser Mann zieht sich lange durch seine Erzählungen. An einem gewissen Punkt erwähnte er ihn dann nicht mehr. Als hätte es ihm nie gegeben.«

Nun verstand ich es nicht mehr. Wenn sein Vater ihn so oft erwähnte, musste er ein wichtigen Punkt in seinem Leben gewesen sein. Und so einen Punkt verlor kein Geschäftsmann. Etwas musste geschehen sein.

»Warum sagen Sie mir das alles, Maximilian? Erwarten Sie, dass ich Ihnen mehr dazu verraten könne? Denn das steht nicht in meiner Macht.«

Er blickte in den Himmel empor. Ich konnte nur erraten, an was er gerade zu denken vermochte. »Es ist sicher nur ein Zufall, aber Vater hat sich einige Notizen am Rand gemacht. Er hat mehrfach Ihren Namen verwendet. Ich vermute, dass er denkt, Sie würden ihn kennen.«

»Ich kenne ihn aber nicht. Oder gedenke ihn nicht zu kennen.«

»Das müssen Sie mir nun erklären.«

»Da sind wir auch bei dem Grund, aus dem ich Sie aufgesucht habe; ich habe wirklich darüber nachdenken müssen, ob ich Sie einweihe, aber ich komme nicht weiter. Zuerst: Kennen Sie die Rabennacht und könnt mir etwas dazu erzählen?«

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ab nun konnte ich meine Meinung nicht mehr ändern. Furcht machte sich in mir breit.

Er nickte. »Ich habe davon gehört, aber man erzählt sich nicht viel davon. Es war eine dunkle Nacht, die viel Leid brachte. Eine Menge Raben waren unterwegs, die viele Menschen verletzten. Warum fragen Sie mich zu dieser Nacht?«

Ich atmete tief durch. »Ich muss Sie nun um Diskretion bitten, da Paulus ansonsten in Unannehmlichkeiten geraten könnte.«

»Was auch immer Sie mir zu sagen gedenken, ich werde nichts verraten.«, versprach Maximilian.

Und irgendwie glaubte ich ihm.

»Die Rabennacht hat vermutlich etwas damit zu tun, dass ich in jungen Jahren ausgesetzt wurde. Paulus spricht nicht darüber, ich frage ihn auch ungern. Und dennoch habe ich Pergamente gefunden, die beides in Zusammenhang bringen. Meine eine Schwester möchte nichts damit zu tun haben, dabei konnte sie mir sicher mehr dazu sagen. Ich komme momentan einfach nicht weiter und da dachte ich-«

»Sie könnten mich einweihen und fragen?« Er fuhr sich durch die Haare. »Aisha, so wie Sie das sagen, klingt es, als hätte Paulus keine Genehmigung dafür, dass Sie bei ihn sein dürften. Als hätte er Sie einfach zu sich genommen. Sie wickeln mich da in eine Straftat ein und bitten mich um Diskretion. Wissen Sie überhaupt, was Sie da verlangen?«

»Ja, aber ich vertraue auf Ihre Gutmütigkeit.«

»Das ist eher Dummheit als Gutmütigkeit. Wenn ich das nicht melde, mache ich mich selbst strafbar. Ich riskieren die Stellung meines Vaters.«

Langsam verschwand meine Hoffnung. Was, wenn Maximilian doch eher zu seinen Vater und seinen Pflichten stand? Wenn ich mich in ihm getäuscht und Paulus in Schwierigkeiten gebracht hatte. Und das aus eigennützigen Gründen.

Er musste meine Sorgen in meinen Augen abgelesen haben, denn er seufzte und nahm meine Hand. »Sie möchten erfahren, was Ihnen widerfahren ist?«

Ich nickte.

»Mein Vater kann Ihnen nicht helfen. Das Risiko ist zu groß. Als sein Sohn komme ich nur bedingt an Informationen. Aber ich komme in Kontakt mit Leuten, die welche haben. Aisha, ich kann Ihnen nur solange helfen, wie ich selbst heil aus der Sache herauskomme.«

»Das ist schon mehr als ich zu glauben vermochte.«

»In einem Monat findet ein Ball bei einem Freund meines Vater statt. Ich könnte Sie als meine Begleitung mitnehmen. Dort werden genug Leute sein, die wir unbemerkt befragen können. Bis dahin werde ich schon einmal versuchen andersweit an Informationen zu kommen. Bitte seien Sie vorsichtig mit Ihren Befragungen. Meiden Sie es lieber.«

Ich verstand jedes einzelne Wort von ihm. Er würde mir helfen, aber nur bis er selbst in zu große Schwierigkeiten kommen würde. Niemals würde ich ihn dafür verurteilen.

»Ich werde mich zurückhalten und danke Ihnen für Ihre Hilfe. Vermutlich verlange ich zu viel von Ihnen, aber-«

»Sie verlangen nicht zu viel. Es stand mir frei abzulehnen. Für alles, was aus dieser Entscheidung folgt, trage ich die Verantwortung.«, unterbrach er mich.

Ein kleines Lächeln erschien auf meinen Lippen. »Ich machte mir Sorgen, wie diese Bitte enden würde. Fälschlicherweise, wie ich sehe.«

»Meine Dummheit ist wohl zu groß.«

»Gutmütigkeit nicht Dummheit.«, korrigierte ich ihn.

Er lächelte nun ebenfalls. Seine Finger umkreisen meinen Handrücken und Knöchel. Ein wohliges Gefühl nahm Platz in meiner Bauchregion.

Ein Räuspern erschien hinter mir. »Vater wird gleich mit der Arbeit fertig sein. Wir sollten reingehen.«

Maximilian ließ mich los und nickte knapp. »Dann halte ich Sie beide lieber nicht länger auf. Wir sehen uns dann in einem Monat.«

»Ja.«

Während er mit einem letzten Handkuss von fortging, begann Alba zu kichern. »Ich denke, der Tag war Aufschlussreich.«

»Ja, er wird uns helfen.«

»Das meinte ich nicht, Aisha.« Sie verdrehte ihre Augen als wäre meine Antwort nicht die Richtige gewesen.

Und ich wusste genau, was sie meinte. »Gehen wir rein.«, beschloss ich daher, ehe sie es weiter besprach.

»Okay, aber wir reden später.«

Ich glaubte es nicht.

Behind the MaskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt