Ein abendlicher Tanz

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»Sind das alles Geschäftspartner Ihres Vaters?«

Der Saal war gefüllt mit hunderten von Männer und Frauen, die miteinander sprachen. Sie alle waren festlich gekleidet und hielten sich zurück, was ihre Getränkewahl betraf.

Maximilian schmunzelte bei meiner Frage. »Wenn dem so wäre, dann habe mein Vater eine enorme Bekanntheit und müsste sich nicht regelmäßig dazu bekennen neue Bekanntschaften zu pflegen.«

»Oh. Verzeiht. Ich nahm an, dass Ihr Vater Ihnen alle die Ehre erwiesen hätte.«

Maximilian führte mich Richtung Balkon. Bereits mehrere Stunden verbrachten wir gemeinsam auf dem Ball. Wie versprochen half er mir, neue Bekanntschaften zu machen und sie vorsichtig nach der Rabennacht auszuhorchen. Bislang ohne Erfolg. Nun wirkte er ermüdet.

»Mein Vater genehmigt die Leute ihre wichtigsten Bekanntschaften und Freunde hierher einzuladen. Auf diesen Weg vergrößert er seinen eigenen Bekanntschaftskreis. Diesen benötigt er auch, um dem König ein guter Berater zu sein.

Was genau war noch einmal die Aufgabe Ihres Vaters?«

»Er richtet Menschen. Mehr erlaubt er uns nicht zu wissen. Seine Arbeit ist ihm sehr wichtig und er geht ihr gern nach. Seit seine Frau, Agnes, uns verlassen hat, verstärkte sich diese Leidenschaft. Und trotzdem ist er uns ein gutes Vorbild.«, erzählte ich mit dem Blick auf den Vorplatz.

Er sah mich von der Seite an, während ich sprach und auch danach tat er es weiterhin. »Selbst für Sie ist er ein Vorbild?«

»Natürlich. Er erzog mich wie eine Tochter. Ich bin ihm nicht weniger lieb als meine beiden Schwestern.«

»Und trotzdem ersuchen Sie sich Antworten. Warum, wenn Sie doch eine Familie haben, in der Sie lieb und teuer sind?«, erfragte er weiter.

Diese Frage war nicht einfach zu beantworten. Egal, wie ich es ausdrückte, es kam undankbar rüber. »Mir sind meine Wurzeln nicht bekannt. Woher ich komme, was geschehen war. Es sind offene Fragen, die mich nachts nicht schlafen lassen. Die Mein Herz unerfüllt lassen. Ich kann nicht von Ihnen verlangen, dass sie es verstehen.«

»Ich verstehe es. Aber ich finde, dass Sie viele Probleme auf sich nehmen, damit Sie etwas herausfinden, was Ihnen aus einem bestimmten Grund verwehrt geblieben ist. Haben Sie mal darüber nachgedacht?«

Ich runzelte die Stirn. »Sie wollen mir sagen, dass ich es hinnehmen soll, dass ich meine Familie nicht kenne, weil sie aus einem bestimmten Grund meine Anwesenheit nicht dulden?«

Er schüttelte meinen Kopf, aber ich war bereits zu erbost, um weiter mit ihm darüber zu sprechen. Stattdessen drehte ich mich um und verließ den Balkon über die Treppe, welche in den großen Garten führte. Maximilian rief mir hinterher, aber ich ignorierte seine Worte.

Seine Worte waren wie ein zu enges Korsett. Es schnürte mir die Brust ein und hinderte mich am Atmen. Er verstand meine Beweggründe nicht. Für ihn war es selbstverständlich seine Familie zu kennen, aber er wusste nicht, wie es war, wenn man sie nicht kannte.

Was, wenn meine Eltern mich nicht absichtlich aussetzten? Was, wenn ich mich verlaufen hatte oder nach einem Streit weggelaufen war?

Auf der Bank beim kleinen Teich ließ ich mich nieder. Die Tränen waren über meine Wangen gelaufen, ohne das ich sie verstand. Maximilian schien mich entweder nicht verstehen zu wollen oder er konnte es einfach nicht. Egal, was von beiden der Grund für seine Ansichten war, es verletzte mich. Wie konnte ich auf seine Hilfe setzen, wenn er nicht für das stand, was er tat?

»Ich wollte Sie gewiss nicht kränken.«, vernahm ich die Stimme von ihm.

Er stand direkt neben der Bank, sein Blick auf mein Gesicht gerichtet. Aus Anstand zog er ein Taschentuch aus seiner Tasche und reichte es mir.

Ich nahm es dankend entgegen und wischte die Tränen fort. »Ich verstehe selbst nicht, warum ich mich gekränkt fühle. Sie haben Ihre Ansichten und ich die Meine.«

Er kniete sich vor mich und nahm meine Hände in seine. »Aisha, Sie gehen ein großes Risiko ein. Sollte jemand Verdacht schöpfen, dann hat das gewaltige Auswirkungen. Ihr Vater wird verhaftet, Sie werden aus Ihrer Familie gerissen und ich werde nicht minder bestraft für meine Beihilfe. Sie sollten sich klarmachen, ob es sich lohnt. Ich wollte Ihnen nur die Möglichkeiten aufzählen, die Sie in dieser Entscheidung weiterhelfen könnten.«

»Das ist umsichtig von Ihnen, Maximilian. Aber ich werde weiterhin die Wahrheit ersuchen. Und entweder helfen Sie mir oder Sie lassen es.«

Seufzend begann er zu nicken. »Mir behagt es nicht, aber Sie alleine suchen zu lassen empfinde ich als äußerst dämlich. Nur ich fürchte, dass wir heute Abend keine weiteren Fortschritte mehr machen werden.«

»Das hatte ich bereits befürchtet.«, murmelte ich.

Er stand wieder auf und reichte mir seine rechte Hand. »Am besten nutzen wir die letzten Stunden des Abends und tanzen.«

Ich sah ihn verblüfft an. Wir waren bereits so lange hier und bisher hatte er mich kein einziges Mal zum Tanz aufgefordert. Hin und wieder hatte er andere Damen dazu aufgefordert, aber nie mich. Damit gerechnet hätte ich schon gar nicht.

Sofort erfüllt ein Lächeln mein Gesicht und ich legte ihm die Hand sachte in seine. Er half mir hoch und führte mich zurück in den Saal und direkt auf die Tanzfläche. Ein paar Mal hatte ich bereits in meinem Leben getanzt. Aber die Gegenwart von Männern war mir meistens suspekt, weshalb ich es vermied.

Maximilian verbeugte sich vor mir und ich knickste als Antwort. Als er seine Hand an meinen Rücken platzierte und die zweite an meine Hand, wurde mir klar, dass mir seine Gegenwart keineswegs suspekt war. Ich dachte nicht viel darüber nach und genau darin lag anscheinend der Schlüssel.

Ich legte meine freie Hand auf seine Schulter und schon begann er mich über das Bankett zu führen. Er wusste genau, wie man eine Dame führte, und schon bald begann ich den Tanz zu genießen. Wir drehten uns und ich schwebte förmlich über den Boden. Geschickt wichen wir den anderen Tanzpaaren aus. Einmal wäre ich ihm beinahe auf die Füße getreten, doch als wenn er es geahnt hätte, trat er einen Schritt zurück.

Wir sahen nicht auf den Boden oder das, was unsere Füße taten, sondern in die Augen des jeweiligen anderen. Es lag ein gewisser Funken in seinen Augen, den ich nicht ganz begreifen vermochte, mir aber eine Gänsehaut bescherte.

Als die Musik endete, drehte er mich zum letzten Mal und verbeugte sich dann vor mir. Ich tat es ihm nach.

Danach tanzte ich noch mit ein paar weiteren Männern, die mich höflich aufforderten, doch nie war es wie mit Maximilian. Meine Blicke schweiften immer wieder in seine Richtung und wenn ich ihn mit einer anderen Dame tanzen oder reden sah, bekam ich einen Stich im Herzen.

Am Ende des Balls suchte er mich noch einmal auf. Er führte mich zu seinem Vater, vor dem ich kurz knickste. »Sehr erfreut, Sir.«

»Guten Abend, Miss Gottlob. Ich hoffe, Ihnen hat der Abend gefallen?« Wilhelm Plantagenet hielt ein Glas in der Hand, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Alkohol gefüllt war.

Ich lächelte. »Es war wunderbar. Ich komme nicht oft zu der Ehre, an einem Ball teilnehmen zu dürfen.«

Er runzelte die Stirn. »Ihr Vater ist Anwalt?«

»Ja, Sir.«

»Dann dürfte er aufgrund seines Standes genug Einladungen bekommen.«

»Wenn dem so wäre, dann würden meine Schwestern und ich mehr Gelegenheit dazu haben an Abenden, wie diesen hier, Anteil zu haben.«, erwiderte ich freundlich.

Er nickte knapp. »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und grüßen Sie doch ihren Vater von mir.«

»Das werde ich, guten Abend, Sir.«

Er ging und ließ Maximilian mit mir alleine. Dieser begleitete mich bis zu meiner Kutsche und küsste meine Hand zum Abschied. Das Kribbeln, welches er durch diesen kurzen und unschuldigen Kuss auslöste, blieb bis ich mich schlafen legte.

Behind the MaskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt