Kapitel 7

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Als ich am Morgen aufgewacht war, haben sich alle Ereignisse des gestrigen Tages in meinem Kopf versammelt und mir keine ruhigen Gedanken mehr gelassen. Ich konnte und kann noch immer an nichts anderes mehr denken, als daran, dass ich in den nächsten Tagen eine Entscheidung treffen muss.
Und zwar nicht irgendeine unwichtige Entscheidung, sondern Eine, die mein Leben für immer verändern könnte.

Oft sagt man, dass man solch wichtige Entscheidungen öfters in seinem Leben treffen müsste, aber ist das wirklich so? Habe ich schon jemals in meinem Leben eine solche Entscheidung getroffen? Ich denke nicht. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Aber vielleicht werden in meiner Zukunft solche Entscheidungen auf mich warten. Und das in Vielzahl. Aber wann weiß man das schon?

Ich weiß, dass mir meine Arbeit wichtig ist, denn immerhin tue ich meine Arbeit gerne und freue mich jeden Tag aufs Neue, wenn ich mein eigenes Büro betrete. Aber seit gestern weiß ich nicht mehr, wie ich über meine Arbeit denken soll. Vor allem über meinen Chef.

Wie soll ich Mr. Miller in Zukunft behandeln? Ich kann diesen Vorfall nicht einfach vergessen, ihn aus meinem Gehirn verbannen. Für manche mag diese sexuelle Andeutung vielleicht nicht weltbewegend sein, aber für mich ist es ein harter Brocken, etwas das ich nicht vergessen kann.

Hinzu kommt auch noch, dass Nathan ab nun meinen Chef hasst, ihn abstoßend findet. Aber ehrlich gesagt, kann ich seine Meinung über Mr. Miller nur teilen.

In ein paar Tagen muss ich es wissen, was ich machen werde. Doch noch immer bin ich völlig ratlos und warte geduldig auf Mary, die ich vor ca. einer Stunde telefonisch gebeten habe, bei mir vorbeizuschauen. Und als ich ihr über das Telefon eine ungenaue Schilderungen der jetzigen Situation gegeben habe, hat sie auf ein Treffen in meiner Wohnung sofort zugestimmt.

Ich bin froh darüber , dass Nathan sich ebenfalls mit Robert verabredet hat, der ihn bereits abgeholt hat. Wo die beiden hinfahren, wurde mir allerdings vorenthalten. Wobei ich das verstehen kann, denn wahrscheinlich werden sie an einem ruhigen Ort sein, wo Nathan sich seinem Freund über unseren Vorfall anvertraut.

Ein stürmisches Läuten durchkreuzt meine Gedankengänge und schnell entscheide ich mich dazu, die Türe zu öffnen. Vermutlich ist es Mary.

Als ich die Türe öffne, wird meine Vermutung bestätigt und eine ratlose Mary fällt mir zur Begrüßung in die Arme.

"Ach Süße!" Mary drückt mich fest an sich und streichelt mir aufmunternd meinen Rücken.

In Momenten, wie diesen, bin ich unglaublich froh, eine solche Freundin wie Mary zu haben. Sie versteht mich einfach immer und versucht, egal was ich ausgefressen habe, eine Lösung zu suchen und mir dabei keine Schuld zu zuschieben.

"Möchtest du was trinken?", frage ich sie, als wir auf den Weg ins Wohnzimmer sind. Verneinend schüttelt sie den Kopf und setzt sich mir gegenüber auf das Sofa.

"Was ist jetzt alles genau passiert, Harper?", fordert Mary mich auf, ihr alles haargenau zu erzählen.
Ich lege meine Hände auf meine Oberschenkel und lasse meinen Blick darauf senken. Als ich anfange zu erzählen, wird mir eigentlich bewusst, in was für eine verzwickte Situation ich mich da hinein geritten habe.

"Gestern hatten wir, wie schon oft, eine kleine Auseinandersetzung. Wie immer ging es um das altbekannte Thema: meine Arbeit." Kurz erscheint der gestrige Morgen vor meinen Augen und lässt mich an alles erinnern. "Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, mich mit Nathan zu streiten und bin deshalb einfach aus der Türe hinausgestürmt. Ich habe dieses ewige hin und her nicht mehr ausgehalten, weißt du Mary." Ich Hebe meinen Blick und suche nach Marys Augen. Ich kann Mitgefühl sehen, denn ich habe ihr schon öfter von unseren kleinen Streits am Morgen berichtet und jedes Mal, konnte Mary mich verstehen, sich in mich hineinversetzen. "Er wird wohl nie damit klarkommen, dass du diejenige bist, die arbeitet oder?", hackt Mary nach und bringt mich somit zum nachdenken.

Ich hoffe es sosehr, dass er endlich damit klarkommt, aber langsam gebe ich meinen Wunsch auf, den als Nathan gestern sagte, dass es ihm zu Hause schlecht gehe, hat es mir das Herz gebrochen. Ich hatte nie den Eindruck, dass er sich langweilte, doch jetzt wird es mir auf einmal bewusst: Natan kann zu Hause nichts machen, denn er ist blind.
Wie blöd war ich eigentlich die ganze Zeit? Ich hätte ihn fragen sollen, was er denn zu Hause alles so macht. Ich hätte soviel machen sollen, habe es aber nicht gemacht und jetzt bin ich in einer unschönen Situation.

"Ich glaube nicht, dass er damit klarkommen wird.", sage ich die Wahrheit, denn alles andere bringt mich nicht mehr weiter.

"Und was ist dann passiert?", fragt Mary.

"Ich bin dann zur Arbeit gefahren und habe wie jeden Tag meine Arbeit verrichtet. Als meine Türe aufging, war Mr. Miller gekommen und war anders als sonst. Er hatte ein Grinsen in seinem Gesicht, ein dreckiges Grinsen, wenn ich nun darüber nachdenke. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihm einen Kaffee oder ein anderes Getränk anbieten könnte. Eigentlich eine normal gestellte Frage, aber weißt du was dieser Mann gesagt hat? Er hat gesagt, ich könnte ihm auch gerne etwas anders anbieten, wenn ich weiß was er damit meint. Mary, ich wäre fast vom Stuhl gefallen, als ich das hörte. Ich hätte kotzen können, denn dieser schmierige, alte Mann hat mich einfach am Arbeitsplatz indirekt gefragt, ob ich mit ihm schlafen möchte.", erzähle ich und wieder überfährt mich ein kalter Schauer.

"Was für ein Arsch! Mann Harper, du könntest ihn wegen sexueller Belästigung anzeigen. Solche Schweine sollten eingesperrt werden. Was glaubst du, wird er machen, wenn du es nicht freiwillig machen wirst? Der hat hundertmal mehr Kraft als du und bestimmt nimmt er keine Rücksicht auf deine Gefühle." Mary macht wilde Gesten und ist völlig außer sich.

"Jetzt denkst du zu weit. Sowas würde mein Chef niemals machen, denke ich zumindest.", sage ich und hoffe, dass ich richtigliege. Aber würde mein Chef wirklich soweit gehen?

"Und dann?", möchte Mary weiter wissen.

"Na ja, er ist dann in sein Büro gegangen und hat sich nicht mehr blicken lassen. Als ich wieder einigermaßen beruhigt war und den Vorfall verdrängt habe, hat mein Handy geklingelt. Nathan hat angerufen. Er hat sich von mir entschuldigt, was er noch nie tat und als ich ihn fragte, warum er es ausgerechnet heute machte, erzählte er mir zuerst eine Ausrede, aber dann rückte er mit der Wahrheit raus. Er hat fürchterlich Angst, dass ich ihn verlassen könnte und dann meinte er auch noch, dass er ein Vollitiot und feige sei, weil er es mir nicht ins Gesicht sagen könnte. Er fing dann auch an zu weinen, Mary."
Wenn ich an diesen Moment zurück denke, zerreißt es mir das Herz. Nathan ist normalerweise immer der taffe und starke, lässt sich nie etwas anmerken, wenn es ihm schlecht geht. Doch gestern ist der Damm gerissen. Er hat sich mir auf eine Weise geöffnet, die ich zuvor nicht kannte, nicht gewohnt war. Doch nicht desto trotz, finde ich es schön, dass Nathan sich mir so geöffnet hat, sich nicht geschämt hat.
Doch dieses Geständnis zeigt auch, dass er nicht mehr weiterweiß, dass er in einem Tief angelangt ist. Und genau in dieser Phase benötigt er mich, meine Nähe, meine Berührungen. Ich soll ihm zeigen, dass ich immer bei ihm bleiben werde und genau das habe ich auch vor. Nichts anderes.
Doch die Frage ist, wie ich ihm das zeigen kann.

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Hallöchen ☺️
Nach langer, langer Zeit kommt mal wieder was von mir. 😁
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und ich würde mich sehr über Kommentare freuen. 😇😀

ps: Das nächste Kapitel wird heute geschrieben. 😁
Wahrscheinlich werde ich es dann morgen hochladen. 😉

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