»Semyar. Du siehst aus wie Semyar.« Ich klappte fast wieder den Mund auf. »Das ist mein Vater«, antwortete ich. »Ja natürlich, Kathessa!«, rief sie erfreut. Danach wurde sie wieder ernst. Es war echt gruselig, wie schnell ihre Emotionen wechseln konnten.
»Dann ist es also tatsächlich so weit. Ich wollte, es wäre nicht wahr«, murmelte die Herrscherin vor sich hin.
Sie wandte sich an Alessandro und Lou. »Ich merke, ihr macht euch Sorgen um eure Freundin. Lioran bringt euch zu ihr.« Sie gab ihrem Bediensteten ein Zeichen und er ging voraus, in einen Gang, der sich links von uns befand.
Ich wollte mich ihnen anschließen, doch Talaria hielt mich zurück. »Bitte bleib, Kathessa. Wir müssen sprechen.« Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. So fühlte man sich, wenn der Lehrer einen nach der Stunde noch sprechen wollte und alle anderen an einem vorbei gingen.
Lou zeigte mir ihre gedrückten Daumen. Von Alessandro kam leider nichts. Er blickte sich nicht mal um. Blödmann.
Ich schaute zu Talaria. Sie hatte die Stirn gerunzelt und sah mich mit einem undefinierbaren Blick an. »Kathessa, weißt du, aus welcher Familie du kommst?«, fragte sie.
Ich prustete fast los. Was war das denn für eine Frage? Als ob ich nicht wüsste, aus welcher Familie ich komme. Zugegeben, ich hatte zwei Familien, aber so viele waren das nun auch wieder nicht.
»Majoris«, antwortete ich und versuchte, meinen Ich-bin-nicht-doof-Blick abzuschütteln. Ich glaubte, dass ich damit nicht allzu gut ankäme. Aber ich konnte nichts dagegen machen. Die Frage war einfach ein bisschen dämlich gewesen.
Die Herrscherin nickte, als hätte ich irgendwas wie erwartet falsch gemacht. »Weißt du auch, was an deiner Familie so besonders ist?«, hakte sie nach. Verdammt. Ich schüttelte den Kopf.
»Nun, deine Familie herrscht seit Generationen über das Volk von Parlos.«
Okay, ich war doch so blöd gewesen, nichts über meine Familie zu wissen. Ich sollte mir dringend abgewöhnen, immer vorschnell zu urteilen. Aber vor allem sollte ich meine Mimik in den Griff bekommen. Ich guckte nämlich schon wieder so doof.
»Kathessa? Geht's dir gut?« Ich sah Jas an und nickte.
»Klar, erfahr du doch mal eben, dass deine Familie krass mächtig ist. Ich wette, du wärst total cool drauf«, antwortete ich spitz. Doch Jas verkniff sich nur ein Grinsen.
Irgendwann würde ich es schaffen, dass er mich ernst nahm. »Also, dann bin ich jetzt...« »Eine Prinzessin. Der Traum eines jeden Mädchens«, lächelte Talaria verständnisvoll. Das war echt heftig. Langsam wurde mir etwas klar. »Wenn meine Eltern tot sind... Hab ich bitte irgendwelche Tanten oder Onkel, von denen ich noch nichts wusste?« Ich sah die beiden fast flehend an. Jas schüttelte den Kopf. »Semyar hatte keine Geschwister.« »Ganz sicher?« Er nickte bestimmt. »Du bist die einzige Nachfahrin und Erbin deiner Familie.«
Das kam mir irgendwie bekannt vor. Ich überlegte und mir kam ein beunruhigender Gedanke. »Die einzige Nachfahrin. So hat mich auch die gruselige Frau genannt. Weiß sie etwa, wer ich bin?« Jas sah Talaria an. »Sie weiß es?«, fragte sie ihn. Er zuckte mit den Schultern. »Ich denke schon. Vielleicht lag es am Fluss der Wahrheit. Wir sind durch ihn durch gegangen. Das hat vielleicht ihr Aufsehen erregt.«
Ich runzelte verärgert die Stirn. Sie redeten schon wieder über irgendetwas, von dem ich nichts verstand und beachteten mich nicht. Wie ich das hasste.
»Wer ist sie?«, mischte ich mich ein. Oder besser: Ich versuchte, mich einzumischen. Die beiden ignorierten mich und redeten weiter. Ich beherrschte mich, Talaria nicht mit der Hand vor dem Gesicht rumzuwedeln. Ich glaubte kaum, dass sie das lustig gefunden hätte. Also biss ich wütend die Kiefer zusammen und wartete, bis ich wieder beachtet wurde.
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Das Reich der vier Mächte
FantasyParlos, das Reich der vier Mächte, schwebt in immer größerer Gefahr, und Kathessa, wie sollte es anders sein, ist mit seinem Schicksal eng verwoben. Denn Parlos war einmal das Reich der fünf Mächte. Die fünfte Macht hat sich abgewendet und wurde ve...