15.Kapitel -Amaria

11 2 0
                                    


Wir kamen in einen großen, hellen Raum, nachdem wir ein dutzend Gänge, hunderte von Ecken und Kurven und unendlich viele Treppenstufen bewältigt hatten. Ich hatte mich gewundert, dass wir uns nicht verliefen und Jas gefragt. »Ich war hier schon mal«, war seine Antwort. So gut wie er sich auskannte, war das kein Tagesbesuch gewesen. Aber ich fragte lieber nicht. Für heute hatte ich genug erfahren.

Lou kam mir entgegen. »Hey Süße, wie geht's dir? Du warst ganz schön lange weg. Ich dachte schon, vielleicht hat dich ein Elb entführt. Du weißt schon...« Sie wackelte mit den Augenbrauen in meine Richtung und zog ein schmieriges Lächeln. Damit brachte sie mich zum Lachen. Dann sah ich zu Fine.

»Wie geht's dir?« Sie lachte. »Mir geht's gut, aber ich werde hier festgehalten, als wäre ich todkrank.« Lou stöhnte genervt. »Fine verdammt, du warst todkrank! Kathessa, sag du es ihr. Du warst schließlich die ganze Zeit bei ihr.« Ich nickte ernst. »Fine, du hattest kaum noch einen Puls und warst eiskalt. Und dazu noch stundenlang bewusstlos. Das kann man schon ernst nennen.«

Fine guckte erstaunt. »Tatsächlich? Ich hab denen echt nicht geglaubt. Lou verarscht mich ja sonst auch am laufenden Band.« Sie lachte vergnügt.

»Ah, wie ich sehe, geht es dir wieder blendend«, sagte jemand hinter mir. Ich drehte mich um und bemerkte Talaria, die in der Tür stand. Sie sah mich verständnisvoll an und ich drehte mich schnell wieder zu meinen Freunden, bevor mich wieder alles überrollte. »Sei trotzdem vorsichtig. Du bist noch nicht wieder vollkommen genesen«, fuhr sie fort und Fine nickte brav. Dann ging Talaria wieder und Jas folgte ihr. Dabei zwinkerte er mir einmal kurz zu und ich unterdrückte ein Grinsen.

»So, was wollen wir anstellen?«, fragte Lou verschmitzt. »Gar nichts, du Idiotin. Hast du Talaria nicht gehört? Ich glaube kaum, dass es das Beste für Fine wäre, hier herumzurennen«, fauchte Alessandro. Erstaunt sahen wir drei ihn an. Er verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich auf einen Stuhl, der in der Ecke stand. »Ach, komm schon, Alessandro«, sagte Fine. »Sei kein Spielverderber. Mir geht's gut. Was spricht denn dagegen, uns hier etwas umzusehen? Ich kann ja auch eine Pause machen, wenn ich nicht mehr kann.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, schlug sie die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Ich lachte laut auf, denn sie hatte nicht mehr ihre eigene Kleidung an. Sie trug irgendeine Mischung aus Kleid und Kartoffelsack in einem pampigen Grünton. Sie guckte fassungslos auf ihr Outfit und lachte dann lautstark mit mir. »So wenig Geschmack ist echt schon eine Herausforderung. Helft mir mal, wir müssen doch irgendwas Normales hier haben«, gluckste sie und stand auf.

»Hier ist was!«, rief Lou und hielt ein Kleidungsstück in den Händen, das nach einem Kleid aussah. »Zeig mal her«, meinte Fine und streckte die Hände aus. Lou warf es ihr zu und Fine fing es auf. dabei taumelte sie etwas und setzte sich wieder aufs Bett. »Siehst du? Dir geht's noch nicht wieder gut.«, sagte Alessandro besorgt und leicht verärgert. Fine machte eine wegwischende Handbewegung und faltete das Kleidungsstück auseinander.

Es war kein Kleid, sondern ein weites Hemd und eine Hose in einem hellen Braun. Lou schickte Alessandro raus und Fine zog sich um. Dann fanden wir noch eine Bürste, die wir alle gut gebrauchen konnten und gingen kurz später raus auf den Flur zu Alessandro. Der war nicht mehr alleine.

Ein hübsches schwarzhaariges Mädchen stand bei ihm und redete mit ihm. Wir gingen zu ihnen und sie blickte auf. Ihre eisblauen Augen funkelten schelmisch, als sie uns kommen sah. »Hi, ich bin Amaria. Ich hab gehört, ihr wollt euch ein bisschen umsehen und dachte mir, vielleicht könnte ich euch begleiten und euch alles zeigen.« Sie lächelte, doch irgendwas an ihr kam mir seltsam vor. Es gab Menschen, die ich auf Anhieb nicht mochte und meistens mochten sie mich auch nicht. Amaria war eine von der Sorte.

Allerdings dachten Lou und Fine wohl nicht so und lächelten zurück. »Gerne«, sagte Lou. »Das ist echt nett von dir. Ich bin Lou, das sind Fine und Kathessa. Ich hoffe, Alessandro hat sich bereits vorgestellt.« »Ja, das hat er«, lachte Amaria und winkte uns hinter sich her. Dabei blieb sie immer dicht neben Alessandro, was mich gar nicht stören sollte. Tat es aber.

Ich versuchte mich auf unsere Umgebung zu konzentrieren, aber ich sah immer wieder böse zu Alessandro rüber. Er hatte seit dem Streit in dem Felsen kein einziges Wort mehr mit mir gewechselt, geschweige denn mich angesehen. Gerade als ich dachte, wir würden uns gut verstehen. Es verletzte mich mehr, als ich zugeben wollte.

So bekam ich also kaum mit, wo wir herliefen und was wir sehen sollten. Nach einiger Zeit krachte ich voll in Amarias Rücken und erschreckte mich zu Tode. Ich hatte nicht mitbekommen, dass die Anderen stehen geblieben waren.

»Hoppla, tschuldigung«, murmelte ich und sah auf. Ich hatte erwartet, dass wir wieder da angekommen waren, wo wir angefangen hatten, aber ich irrte mich. Wir standen am Rand einer weiten Wiese, auf der ein Kreis von Leuten zu tanzen schien.

Es sah wunderschön aus, wie sie sich harmonisch zusammen bewegten und am liebsten hätte ich mitgemacht. Obwohl ich ja bekanntlich nicht tanzen kann. »Das sind Elfen, passt also auf. Es sei denn, ihr wollt euch zu Tode tanzen«, warnte Amaria uns. Na gut, dann wollte ich eben nicht mittanzen. Stattdessen blickte ich Amaria erschrocken an.»Zu Tode tanzen? Das geht?« Sie nickte. Wie ich sie hasste. Dieses selbstgefällige Grinsen. Uäh.

»Die Elfen lassen dich nicht aufhören. Sie tanzen bis du umfällst. Dann suchen sie sich ein neues Opfer.« Ich nickte unbeteiligt. Alessandro hatte gesprochen. Ich hatte mich gerade so zurückhalten können, ihn erstaunt anzugucken.

»Woher weißt du das?«, fragte ich dann aber ehrlich interessiert. Er zuckte gelangweilt die Schultern. «Meine Mutter ist eine Elfe. Also sind Lou und ich Halbelfen. Da weiß man sowas.« Ich nickte wieder. Das erklärte auch ihre spitzen Ohren.

»Also, wollen wir weiter?«, fragte Amaria, bemüht darum, wieder Alessandros Aufmerksamkeit zu erlangen. Fine und Lou folgten ihr begeistert, aber ich zögerte.

Sollte ich mit Alessandro sprechen? Ich musste wissen, ob er mich einfach nicht mochte oder ich ihn irgendwie beleidigt hatte, sodass er nicht mehr mit mir sprach. Aber dann lief er den anderen hinterher und meine Chance war vertan.

Ich seufzte verärgert auf und setzte meinen Weg fort. Hoffentlich waren wir bald fertig. Glücklicherweise stellte sich nach etwa zwanzig Metern eine andere Lösung in den Weg. Eigentlich waren es zwei Personen, die sich uns anschlossen.

Blöd wie ich nun mal bin, bemerkte ich sie nicht, bis Jas mich an der Schulter fasste. Ich schrie auf und er lachte mich schamlos aus. Blödmann. Und natürlich lachten alle anderen sofort mit. Das heißt, alle außer Alessandro. Er sah immer noch gelangweilt aus. Und Amaria's Lachen klang eher gezwungen.

»Was verschafft mir die Ehre?«, fragte ich Talaria und ignorierte Jas trotzig. »Du selbst«, antwortete die Herrscherin. Ich hasste solche Antworten, aber ich versuchte Talaria nicht böse anzusehen. »Komm, wir haben etwas vor uns, dass du nicht verpassen solltest«, sagte sie und streckte die freie Hand aus. Die andere hielt nämlich Jas. Ich nahm sie zögernd und folgte ihnen.

Das Reich der vier MächteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt