Kapitel 2

220 20 6
                                    

Mit den Armen hinter dem Kopf verschränkt starrte er an die Decke. Man hatte ihn einfach nach Blackgate gesteckt - ohne Anhörung, ohne Anwalt und vor allem ohne triftigen Grund. Naja, abgesehen von dem Arkham-Ausbruch, die Demolierung einer Leiche und natürlich die ganzen Morde, für die er aber ursprünglich als unzurechnungsfähig eingestuft worden war. Aber alles in allem gab es eigentlich keinen triftigen Grund. Seit zwei Monaten saß er nun im Gefängnis, und das hätte ihn vor  den schrecklichen Ereignissen gewiss verrückt gemacht. Er hätte schon in der ersten Woche einen Versuch gestartet, auszubrechen. Auch hätte J keine Anstalten gemacht, jeden einzelnen hier drinnen abzustechen, zu erschießen oder einfach bloß zu erdrosseln. Doch er war müde und erschöpft. Ihm fehlte es an Kraft, an Lebensgeist. Tagelang hatte er nun nicht mehr richtig geschlafen, denn jedes Mal, wenn er seine Augen schloss, hörte er diesen Schuss... Er sah Arianas schmerzerfülltes Gesicht und wie sie zu Boden sackte... Er durchlebte diesen Augenblick immer und immer wieder aufs Neue, und wenn er sich dann dazu entschloss, wach zu werden, dann sah er sie noch deutlicher vor sich. Blutend. Sich krümmend. Sterbend. Ein Anblick, der ihm vor nicht all zu langer Zeit noch sehr zugesagt hatte - ja, er liebte es sogar dabei zuzusehen, wie das Leben aus jemandem wich. Doch jetzt... Er konnte es sich nicht erklären, wieso er mit ihr fühlte. Wieso er ihr diese Schmerzen ersparen wollte. Wieso er nun gerne auf diesen einst wundervollen Anblick verzichten wollte. Er war erstaunt und beinahe angewidert von sich selbst. Wo war sein altes Selbst geblieben? J hatte es satt, in einer Haut festzustecken, die nicht die seine war. Morgen würde er wieder anfangen zu trainieren. Er musste sich endlich aufrappeln, sich fassen. So konnte es einfach nicht weitergehen. Und telefonieren musste er auch. Sein allwöchentlicher Anruf stand wieder bevor. Diesmal gab es hoffentlich erfreulichere Neuigkeiten...

Gotham General

Deliah stand im Empfangsbereich und trat nervös auf der Stelle herum. Der Chefarzt hatte ihr gesagt, dass sie hier warten sollte, bis er sie holen kommen würde. Anscheinend war sich niemand so recht sicher, ob Ariana Besuch bekommen sollte. Kein einziger Arzt schien erfreut über Deliahs Anfrage zu sein. Vielleicht hätte ich erst morgen kommen sollen, dachte sie. Den Blicken nach zu urteilen beantwortete sich die gedachte Frage fast schon von selbst. Klüger wäre es mit Sicherheit gewesen, den Besuch zu vertagen. Welches Krankenhaus nahm schon gerne Besucher um 11 Uhr abends entgegen? Doch nach etwa einer halben Stunde, die sich für die Frau allerdings wie eine Ewigkeit angefühlt hatte, kam der Chefarzt zurück.
"Hier entlang", sagte er, so freundlich es ihm möglich war. Er deutete ihr mit der Hand, dass sie vorausgehen sollte. "Und Sie sind... Eine Freundin der Patientin?"

Deliah nickte. "Wie lange darf ich denn bei ihr bleiben?"

Der Arzt ignorierte ihre Frage mit stählerner Gleichgültigkeit. "Wir sind da. Oh und... Bitte fassen Sie da drinnen nichts an. Die Geräte sind sehr empfindlich" Mit diesen Worten ließ er sie vor dem Zimmer stehen. Deliah wusste, der Anblick ihrer Freundin würde sie treffen, und so atmete sie einmal tief durch, bevor sie die Tür öffnete.
Da lag sie. Ihre beste Freundin. Und sie konnte rein gar nichts tun, um ihr aus dieser Misere zu helfen. Langsam ging sie auf das Bett zu, in dem sich Arianas regungsloser Körper befand, angeschlossen an einen Ernährungsschlauch, ein Beatmungsgerät und einen Herzfrequenzmesser, der leise und beständig vor sich hin piepste. Ihr Gesicht zierten ein paar Pflaster und ihre Arme waren übersät mit grün-gelben Flecken. Deliah wurde schnell klar, dass man sie geschlagen, wenn nicht sogar regelrecht verprügelt haben musste. Angespannt nahm sie neben ihr auf der Bettkante Platz. Sie berührte sanft ihre warme Hand, welche Deliah als Einziges das Gefühl vermittelte, dass tatsächlich noch Leben in ihrer Freundin war.

"Hey, Blacky. Rate, wer hier ist. Hab' gehört, was geschehen ist und ... Ich weiß gar nicht was ich sagen soll... Es ist schrecklich. A-aber weißt du, Blacky, dieser Patient von dir, der dabei war... Bist wohl mit ihm durchgebrannt, hm? Ich bin stolz auf dich" Sie presste ein leises, gequältes Lachen hervor. "Ich wünschte, du würdest eins von deinen verlegenen 'Ach sei doch still'-s bringen. Wenn ich dich so sehe, so ... alles andere als gesprächig... Naja, du weißt schon. Dann komm' ich mir blöd vor, mit meinen dummen Witzen"

Unexpected - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt