Kapitel 4

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Gotham General

Deliah stand gerade an Arianas Bett, als der Chefarzt hereinkam. Argwöhnisch beäugte er sie von oben bis unten. "Sie schon wieder", sagte er genervt und sichtlich erschöpft. Heute trug sie ausnahmsweise eine Hose, jedoch ließ der Ausschnitt ihrer rosaroten Bluse etwas mehr Einblick zu als sonst. Deliah wusste, wie sie bekommen konnte, was sie wollte. Und bei diesem unfreundlichen Arzt musste es wohl auch funktionieren, denn ansonsten hätte er sie bestimmt schon lange rausschmeißen lassen. Mit einem charmanten Grinsen blickte sie ihm entgegen.  "Doktorchen, gibt's was neues?"

"Nein, tut mir leid. Ihre Werte sind unverändert und Miss Black wird deshalb auch nicht so schnell aufwachen. Also... Wenn Sie hier darauf warten sollten, dass sie die Augen öffnet, dann... Dann rate ich Ihnen, sich einen Kaffee zu holen"

Noch immer keine Veränderung. Noch immer alles beim Alten. Doch zumindest schien es ihrer Freundin nicht schlechter zu gehen. Deliah wusste, dass der Arzt soeben einen Scherz gemacht hatte, doch ihr war nicht nach Lachen zumute. Also setzte sie ein seichtes Schmunzeln auf, in der Hoffnung, es würde ihm reichen. Er war weder charmant, noch der Typ Mann, den es kümmerte, wenn eine Frau betrübt war. Womöglich hatten ihn die Jahre als Arzt etwas unsensibel gemacht, rauer sogar. Doch selbst, wenn er ihr gegenüber nicht gerade die Ausgeburt der Freude war, schien ihn das Schicksal von Ariana gewissermaßen zu berühren. Wenn sie sich ein bisschen zusammenriss, dachte sie, dann würde er ihr gegenüber vielleicht auch ein wenig offener werden. Also wartete sie geduldig die Visite ab und scherzte zu der einen oder anderen Bemerkung des Arztes. Hin und wieder versuchte er ihr klarzumachen, dass sie nicht rund um die Uhr im Krankenhaus verbringen müsste. Die lebenserhaltenden Maschinen "würden auch noch weiterlaufen, wenn sie nicht im Zimmer wäre". Sehr witzig, Schlaumeier, dachte Deliah. Aber ein Ass im Ärmel habe ich noch, wirst schon sehen.  Nachdem er das Zimmer wieder verlassen und sie ihn mit einem dankenden Nicken verabschiedet hatte, nahm Deliah Arianas Hand und drückte sie ganz fest. "Ich verspreche dir, Blacky.. Ich schwöre dir, dass ich dich wachkriege. Verlass dich drauf" Im nächsten Moment klingelte auch schon ihr Handy.

Blackgate

"Hey, Clownsfresse!" Es war der Insasse der Zelle neben J's. Dieser saß in der Cafeteria immer ein paar Plätze weiter gegenüber von ihm. Ein ruppiger, tattoowierter, glatzköpfiger Schwachkopf, in J's Augen. Er ignorierte ihn immer gekonnt, besonders dann, wenn er ihm mit Sprüchen wie "Clownsfresse", "Lippenstiftlesbe" oder einfach nur (einfallsreich wie er war) "Trottel" nannte. Nein, J mochte ihn nicht besonders.
"Clownsfresse! Bist du taub!?"

Gelangweilt schmatzte J in seine Richtung. Seit sie ihm sein Make-Up weggenommen hatten, fühlte er sich irgendwie ausgelaugt und sprechfaul. Sie hatten ihm seine Identität genommen, seine Therapeutin und seine Privatsphäre. Von seinem Zellengenossen bekam er zusätzlich des nachts mehr mit, als ihm lieb war. Einmal wachte er sogar auf, als er eine fremde Hand auf seinem Hintern gespürt hatte. J hätte sich vermutlich geschmeichelt gefühlt, wenn es nicht gerade die Hand seines Zellengenossen gewesen wäre, sondern vielleicht die von Ariana. Aus Enttäuschung darüber brach er ihm das Kiefer und trat ihm in seine Weichteile.
Und nun... Nun machte ihm auch noch dieser tattoowierte Vollhonk das Leben schwer. Ein weiteres "Clownsfresse" riss ihn aus seinen Gedanken. Als er aber erneut nicht darauf reagierte, beschloss sein Peiniger, sich eine neue Beleidigung einfallen zu lassen. "NARBENGESICHT!" Am Tisch gröhlten plötzlich alle wie verrückt. Nicht, weil es etwa ein so geniales Schimpfwort gewesen wäre, sondern weil es wie erwartet J nicht kalt ließ. Nur er allein durfte über seine Narben sprechen. Dieses Privileg hatte niemand sonst. Mit hasserfülltem Blick sprang er auf und versuchte flink über den Tisch zu ihm zu gelangen. Die anderen hielten ihn jedoch fest und zerrten ihn zurück auf die Beine. "Ja komm, du Redenschwinger!", schrie J, beinahe Blut spuckend. Keine Sekunde später fühlte er auch schon einen harten Schlag in seiner Magengegend. Der Schmerz zog ihm bis in die Leiste, doch anstatt sich zu krümmen fing er an, völlig durchgeknallt zu lachen. "UHAHAHAHAHA gleich nochmal! Das kannst du doch bestimmt besser" Der nächste Schlag folgte, und so ging es weiter, bis J schließlich am Boden lag - lachend und blutend. Diesmal war keiner der Cops dazwischen gegangen, denn insgeheim hoffte jeder von ihnen, er würde hier drinnen den Löffel abgeben. Und aus irgendeinem Grund war er ganz froh darüber. Zum allerersten Mal seit er im Blackgate war fühlte er sich wieder wie früher. Auch, wenn sein Körper etwas darunter zu leiden hatte, war er glücklich über den Schmerz. Das Wissen, dass jeder Tag sein letzter sein könnte, weil man ihm nach dem Leben trachtete, befriedigte ihn auf eine noch nie dagewesene Weise. J spürte jede Faser seines Körpers - er fühlte sich lebendig.
Am Nachmittag schlurfte er zu den Telefonzellen und wählte erwartungsvoll die Nummer, die Deliah ihm gestern gegeben hatte. Noch hustend und ächzend von der Schlägerei ein paar Stunden zuvor, presste er sein übliches "Hiiiiiii" heraus. Am anderen Ende des Hörers ertönte Deliahs Stimme. "Okay Joker.. ich bin gerade im Krankenhaus bei Ariana"

Unexpected - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt