Kapitel 17

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Blackgate

Mit dem Autoschlüssel fest in der Hand stand Ariana vor dem Gefängnis. Nachdenklich kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Es wurde Zeit, J wieder einmal zu besuchen. Viel zu lange war sie ihm nun schon ausgewichen. Aber seit dem letzten Besuch hatte sich irgendetwas verändert. Nicht unbedingt in ihr, doch ganz bestimmt in ihm. J hatte reserviert gewirkt, damals. Als wäre er nicht an einer Unterhaltung mit ihr interessiert. Gewiss, es gab fast nichts, worüber man sich noch unterhalten konnte. Ihrer beider Leben hatten sich in komplett unterschiedliche Richtungen entwickelt. Sie war gezwungen, sich auf ihre Gesundheit zu konzentrieren, und J - naja, J war ein Gefangener. Bei ihm sah fast jeder Tag gleich aus. Ariana zupfte mit dem Fingernagel am Autoschlüssel herum und zersplitterte den roten Lack. J und sie waren nicht gerade fröhlich gestimmt auseinandergegangen. Sie konnte das nicht einfach so stehen lassen. Außerdem hatte sie das Bedürfnis, ihm von ihrem neuen Vertrauten zu erzählen. In Tim hatte sie jemanden gefunden, mit dem sie über alles sprechen konnte. Seit Deliah Gordon nachjagte und J im Gefängnis saß war sie im Prinzip allein. Einen Ansprechpartner und Freund zu haben tat ihr gut. J würde es bestimmt freuen zu hören, dass es ihr besser ging. So etwas tun Freunde. Sie freuen sich für den anderen.

Ariana atmete einmal tief durch und setzte ein Lächeln auf. Zielstrebig steuerte sie auf das Gefängnistor zu, an dem sich ein Wachhäuschen befand. Heute hatte jemand anderes als sonst Dienst, und diese Person sah alles andere als sympathisch aus. Ariana räusperte sich. "Hallo" Die Wärterin hinter der Glasscheibe biss genüsslich in ihren vor Fett triefenden Burger und schaute weiter in ihre Zeitung - keine Anstalten machend, diese womöglich zu senken. Erneut sagte Ariana freundlich 'Guten Tag' und fügte noch bei: "Ich bin Ariana Black und ich möchte gerne zu meinem -<<

>>- ich möchte auch etwas, Schätzchen. Diesen Artikel zu Ende lesen"

Völlig ungläubig starrte Ariana durch die Scheibe. Dann schnaubte sie: "Also ich denke wirklich nicht, dass dieses Verhalten angebra -<<

>>- also schön." Missmutig legte die Wärterin ihre Zeitung beiseite. "Black, oder?" Sie durchblätterte ihre Unterlagen mit ihren Fettfingern, auf der Suche nach ihrem Namen. "Sie stehen nicht auf der Liste, Lady"

"Bei allem Respekt, aber ich bin Therapeutin und ich möchte gerne zu meinem Patienten"

Die Dame hinter der Scheibe kaute an einem viel zu großen Stück Burger herum. "Falls Sie's noch nicht mitgekriegt haben, wir haben eine Ausgangssperre über das Gefängnis erhängt. Nur ein paar wenige Auserwählte dürfen rein oder raus. Ende im Gelände" Und mit diesen Worten nahm sie wieder ihre Leseposition ein. Ariana stand da, wie überfahren, und spielte mit ihren Schlüsseln. Sie stammelte mit sich selbst - nicht recht wissend, was sie und ob sie noch etwas sagen sollte. Angestrengt blickte sie sich um; als ob irgendwo um sie herum die Lösung versteckt wäre. "Könnten Sie wenigstens so freundlich sein, und Mr. J ausrichten, dass ich da war?" Sie wartete, doch von der Frau aus dem Posten kam keine Reaktion. Nach einer gefühlten Ewigkeit marschierte sie dann über den Parkplatz zurück zu ihrem Wagen. Nicht zu fassen. Erschöpft lehnte sie sich zurück, die Hände am Lenkrad festgekrallt. Das war's dann wohl mit der Aussprache, sagte sie zu sich selbst. Allmählich verlor sie jeglichen Bezug zu ihm. Ihr Therapeut sähe das natürlich als positiv an, doch Ariana war dabei, einen Freund zu verlieren. Gerade, als sie losfahren wollte, klingelte ihr Telefon. Es war Tim, und ihre Mine hellte sich ein wenig.

"Wo bist du gerade? Ich habe Dienstschluss, und dachte, wir könnten vielleicht was unternehmen"

Für einen Augenblick hielt sie inne. "Ich bin vorm Gefängnis ... J besuchen" Sie blickte zum Wachposten hinüber und sah die Frau, wie sie sich über ihren Artikel totlachte. Genervt verdrehte Ariana die Augen. "Das wird heute aber ohnehin nichts mehr, also ..."

"Gut, ab wann hast du Zeit?", fragte er freundlich. Ein leichtes Grinsen hatte sich auf Arianas Mundwinkeln abgezeichnet. "Ich bin in 'ner halben Stunde beim Gotham General"

****

Gotham General

"Also ich muss schon sagen", schmatzte Ariana genüsslich über ein Fitness-Brötchen und einen großen Erdbeermilchshake hinweg. "das Essen für die Ärzte schmeckt irgendwie besser" Tim lachte es weg, doch ihm war bewusst, dass sie recht hatte. Das GG hatte in den letzten Jahren mit enormen Verlusten zu kämpfen, weshalb in einigen Bereichen finanzielle Einsparungen getätigt werden mussten. Dies war nicht minder ein Grund für den lebensverändernden Vorfall in seiner Berufskarriere. Ariana sah sich gespannt um. Die Krankenhauskantine bot die perfekte Mischung aus steril und bequem. Riesige Fensterfronten erlaubten dem Licht auf die weißen Stühle zu scheinen. Auch der weiße Boden glänzte; man hätte von ihm essen können. Ihr Blick schweifte nach oben zur Decke, die alles andere als in greifbarer Nähe zu sein schien. Beinahe ehrfürchtig senkte sie ihren Kopf und blickte in Tims grinsendes Gesicht. "Toll, das Krankenhaus mal von dieser Seite aus kennenzulernen, oder?"

Ariana nickte. Sie schlürfte großzügig an ihrem Milchshake. Tim sah ihr dabei aufmerksam zu, was sein Gegenüber in Verlegenheit brachte. "Ich hab Neuigkeiten", sagte er plötzlich, nicht minder aufgeregt. Ihre Aufmerksamkeit galt ganz ihm. "Wenn du wieder arbeitsfähig bist, hättest du eventuell die Möglichkeit, hier anzufangen"

"Was?" Ungläubig starrte sie ihm entgegen.

"Ja, Ariana. In der Krankenhauspsychiatrie werden immer wieder Psychologen und Therapeuten gesucht. Und du wärst fürs Erste keinem Risiko ausgesetzt, da wir keine Straftäter, sondern Ärzte und Patienten behandeln"

In ihrem Kopf schien sich alles zu drehen. Die letzten Wochen hatte sie sich damit beschäftigt darüber nachzudenken, was sie tun sollte, wenn ihr Krankenstand vorüber war. Klein anfangen, war ihr in den Sinn gekommen. Irgendwo als Assistenz. Außerhalb Gothams hätte sie bestimmt auch etwas gefunden. An das Krankenhaus hatte sie im Leben nicht gedacht.

"Überleg's dir einfach, okay? Wenn du eine Entscheidung getroffen hast, lass es mich wissen. Dann rede ich mit meinem Boss"

In Ariana breitete sich eine Woge der Hoffnung aus. Tim war so lieb zu ihr, so fürsorglich. Er würde ihr tatsächlich einen Job besorgen. Und obwohl sie vorhatte, nicht wieder gleich Vollgas zu geben, keimte in ihr die Motivation auf, selbst wieder zu therapieren. Zu helfen. Gebraucht zu werden. Es fühlte sich gut an.


Unexpected - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt