Kapitel 3

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Weitere zwei Wochen vergingen, und weitere zwei Male rief er an. Beim letzten Anruf hinterließ er nur noch eine Nachricht, in der er darum bat (oder wie auch immer man es nennen konnte), ihn doch bald zurückzurufen und ihm endlich Neuigkeiten zu bringen. Abgesehen von einigen nicht so galanten Ausdrücken gestaltete sich J's Nachricht als höflich, seiner Meinung nach. Im Moment wollte ihm einfach niemand etwas mitteilen. Er konnte nicht einmal sicher sein, ob Ariana überhaupt noch lebte. Sie hätte genauso gut schon vor Tagen, Wochen oder sogar noch während der OP sterben können, und er hätte nichts davon erfahren. Hier in Blackgate versuchte man nämlich, die Außenwelt zu ignorieren und den Insassen klarzumachen, dass einzig und allein in eben diesem Gefängnis die Musik spielte. Keine Zeitungen, keine Gotham News, kein Radio. Natürlich gab es Trakte, in denen man Radios zuließ, doch in einen solchen würden sie J niemals verlegen. Dafür hatte er einfach "viel zu viel falsch gemacht".
Er musste sich wohl fürs Erste fügen und sich an die neue Situation gewöhnen. Ebenfalls musste er sich mit dem Gedanken abfinden, wohl nie wieder auch nur ein Sterbenswörtchen von Ariana zu hören. Jedoch, was niemand wusste war, dass er, J, sich selbst die Schuld an allem gab. Er hatte sie in dieses Schlamassel gebracht und er war es auch, der in den Spielen verloren hatte. Mittlerweile wären ihm des Nachts so viele Möglichkeiten eingefallen, wie er alles verhindern hätte können. Und er ohrfeigte sich dafür, dass ihm das nicht früher in den Sinn gekommen war. Fast schon glaubte er zu meinen, er wollte damals gar nichts unternehmen. Ja, im Geiste hatte er seine Therapeutin bereits für tot erklärt. Warum sonst hatte niemand etwas gesagt?
So musste es sein. Sie war tot, und er hatte es zu verantworten.

GCPD

"Hören Sie, Gordon", schimpfte ein Mann mit äußerster Vorsicht. "Wenn das alles umsonst war, die Mission und die Gefährdung meiner Tochter wegen so einem ... Möchtegernverbrecher, dann hören Sie von meinem Anwalt"

Jim versuchte, den Herrn zu beschwichtigen, doch sanfte Worte schienen abzuprallen. "Sir. Bitte, hören Sie. Die Mission läuft noch. Und ich versichere Ihnen, dass wir Ihre Tochter niemals in Gefahr bringen würden. Wir beschützen unsere Lockvögel sehr gut"

"Das rate ich Ihnen auch, Gordon. Einen schönen Tag noch" Und erhobenen Hauptes marschierte er hinaus. Deliah sah ihm verwundert nach. Sie war gekommen, um Gordon nach irgendwelchen Neuigkeiten zu fragen. Doch alles was sie erfuhr war, dass alle Beteiligten der Entführung entweder geschnappt wurden oder tot wären. Jim versicherte ihr, der einzige schuldige Arzt war Jeremiah Arkham.
"Aber wer sollte sonst im Krankenhaus anrufen und sich nach ihr erkundigen, von dem die Ärzte nicht wollen, dass er anruft oder vorbeischaut?"
Der Commissioner atmete einmal tief durch. "Naja, ich hab da eine Ahnung, wer das sein könnte"

"Ja dann.. Wer!?"

"Ihr Patient. Oder besser gesagt, ihr ehemaliger Patient. Wir haben ihn vorübergehend nach Blackgate gebracht. Ihm steht pro Woche ein Anruf zu, und nachdem wöchentlich zur selben Zeit im Krankenhaus angerufen wird, vermute ich mal, es handelt sich dabei um ihn. Außerdem er war dabei, als sie angeschossen wurde. Aber das wissen Sie ja bereits"

"Oh, jetzt wird mir einiges klar.... Aber wieso sitzt er in Blackgate? Ich dachte, er wäre bloß so ein Verrückter"

"Naja, ich würde stark behaupten, wegen der ganzen Morde und Anschläge. Der Joker ist nicht gerade ein Schmusekätzchen"

Deliahs Augen weiteten sich schlagartig. "D-dann, war der Joker dabei, als sie angeschossen wurde? Er war ihr Patient? Na dann ist ja alles klar. Dieser Irre ist gefährlich... und wahrscheinlich war es seine Schuld, dass Ariana fast gestorben wäre!"

Gordon schüttelte leicht den Kopf und bat ihr an, sich wieder zu setzen, da sie aus Zorn aufgesprungen war. Der Commissioner fing an, ihr alles zu erklären, was er wusste und beteuerte ihr, dass der Joker Ariana gegenüber überraschenderweise keine bösen Absichten hatte. Deliahs Gesichtszüge waren nach wie vor verhärtet, doch sie war nicht mehr so wütend wie vorhin. "Miss Barks. Sie können gerne ihre Freundin selbst danach fragen, sobald sie aufgewacht ist"

"Sie meinen, falls sie aufwacht"

"Geben Sie nicht auf. Besuchen Sie sie sooft Sie können und reden Sie mit ihr. Komapatienten registrieren meistens gewisse Vorgänge um sie herum. Erzählen Sie ihr etwas, lesen Sie ihr was vor. Vielleicht reagiert sie ja darauf"

Die Frau nickte. Es machte Sinn, was Gordon sagte, doch sie allein würde nichts ausrichten können. Ariana brauchte jemand anderes. Und irgendetwas würde sie sich diesbezüglich schon einfallen lassen. Lächelnd schüttelte sie Jims Hand, dann huschte sie bei der Tür hinaus, vorbei an all den Polizisten, die ihr neugierig hinterher starrten.

Blackgate

J hatte vor einigen Tagen wieder angefangen, ein wenig zu trainieren. Pro Tag gab es eine Stunde Ausgang, welche er zum Laufen auf dem Gelände nutzte. Die frische Luft tat ihm gut und er genoss es, mit niemandem dabei sprechen zu müssen. Der Mann, welcher mit ihm die Zelle teilte, saß nun schon viele Jahre und würde noch viele weitere hier drinnen verbringen. Doch er kannte seinen Namen immer noch nicht. Bis auf das eine Mal, als J die Zelle bezogen hatte, hat er nie mit ihm gesprochen. Nicht, weil er ihn nicht leiden konnte. Es interessierte ihn einfach nicht. Und nun, da er seine Runden lief und Zeit zur Genüge hatte, dachte er darüber nach, wie es wohl wäre, sich im Blackgate ein paar "Freunde" anzulachen. Ein wahrlich schwieriges Unterfangen, wenn man bedachte, dass J bei allen unbeliebt war.
"Hey, Clownsfresse! Besuch"
Abrupt blieb er stehen. Er hatte Besuch? Heute? Jetzt? Das war unüblich. Außerdem, wer würde ihn denn schon freiwillig besuchen kommen? Mit großen Schritten schlurfte er an dem Wärter vorbei, der ihm verschmitzt zugrinste. J beäugte ihn misstrauisch. "Was?", fragte er ihn. Der Polizist gröhlte und klopfte ihm auf die Schulter. "Eine Frau! Du ... Hast Besuch von einer Frau! Irgendwas musst du anscheinend richtig machen"

Etwa Blacky? War sie vielleicht aufgewacht und genesen und nun wollte sie ihn sehen? Ohne ein weiteres Wort zu sagen raste er hinein und sauste in den Besuchstrakt. Ein zweiter Wärter escortierte ihn zu einem kleinen Raum, in dem sein Besuch bereits auf ihn wartete. Angespannt stand er vor der Tür, die schwitzenden Hände zu Fäusten geballt. Hoffnungsvoll trat er ein und erblickte - nicht Ariana. "Wer zum Kuckuck bist du denn?"
Die blonde Frau starrte ihm mit ernstem Blick entgegen und deutete ihm, dass er Platz nehmen soll. "Mein Name ist Deliah. Ich bin Blackys beste Freundin"

J's Augen wanderten von ihren Haaren hinunter zu ihren High Heels und wieder hinauf. An ihren riesigen Ohrringen blieb sein Blick dann haften. "Aaah ja... Sie hat mir mal ähm irgendwas über dich erzählt. Hat sie dir von mir erzählt? Bist du deswegen hier?", schmatzte er ihr entgegen.

"Du weißt, dass sie im Koma liegt? Deswegen bin ich hier. Hör zu, sie sieht übel zugerichtet aus und ich will ehrlich gesagt auch gar nicht genau wissen, was da in dieser Nacht passiert ist. Ich will nur, dass sie wieder gesund wird. Und du, mein Freundchen, wirst mir dabei helfen"

Dass noch immer keine Besserung eingetreten war traf ihn wie ein Blitz. Doch er schenkte ihr all seine Aufmerksamkeit, die er aufbringen konnte. "Wie aaah.... stellst du dir das vor, hm?"

Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. Der Wärter im Raum, der die Vorgänge überwachte, wurde etwas unruhig. Doch in ihrer Hand war bloß ein Zettel. Sie zeigte ihn dem Polizisten, der ihr mit einem Nicken bestätigte, dass es in Ordnung war. J nahm das Stück Papier und betrachtete es lange. "Was ist das?"

"Meine Nummer. Morgen um diese Uhrzeit rufst du mich an, verstanden?"

Er wollte fragen, was das alles sollte, doch Deliah war bereits aufgestanden und zur Tür gegangen. "Keine Spielchen, Joker, okay? Die Lage ist ernst" Mit diesen Worten marschierte sie ab. Perplex starrte er ihr nach. Was hatte diese Frau bloß vor?

Unexpected - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt