Kapitel IV

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Am Donnerstagnachmittag stand die erste Stunde Pflege magischer Geschöpfe an und Harry lief neben Ron und Hermine her zum Wald. Den ganzen Morgen über waren sehr seltsame Geräusche zu hören gewesen, aber kein Lehrer hatte ihnen Auskunft geben können. Dann war es plötzlich still.

Als sie gerade mit den anderen Schülern bei dem Kürbisfeld vor Hagrids Hütte standen, tauchte zwischen den Bäumen eine Gestalt auf, von einem starken Geruch begleitet. Es war Miss Crowfield, deren rechter Arm schlaff und voller Blut an ihrem Körper runter hing. Ein paar Schüler schrieen schrill auf.

„Entschuldigt, Kinder, dass ich ein bisschen zerfetzt ausseh'." Sie lächelte schwach. „Aber is nur halb so wild." Sie ging an der Klasse vorbei und blieb erst stehen, als Hagrid aus der Hütte polterte.

„Sara!" rief er und ließ dann den Blick über die Schüler schweifen. „Hermine! Bring sie in die Krankenflügel!"

„Ich find auch allein hin" wandte Miss Crowfield ein und seufzte, als Hagrid seine Meinung nicht änderte. Hermine ging also mit ihr in Richtung Schloss. Sie schien die Sache nicht sehr ernst zu nehmen. Dabei sah ihr Arm schon von weitem schlecht aus.

„Jetzt wisst ihr wenigstens, dass ihr wirklich nicht einfach in den Wald gehen solltet" meinte Hagrid und brachte die Klasse hinter die Hütte zu einer großen Koppel.

„Was hat sie so zugerichtet?" fragte Ron Hagrid leise.

„Du musst mich nicht den ganzen Weg begleiten" sagte Sara, als sie mit Hermine eine Treppe hinaufstieg, die auf halbem Weg durch den Raum schwang. In den richtigen Flur. Manche waren wirklich nett, andere wollten einen nur ärgern. „Du solltest nicht so viel Unterricht verpassen."

„Aber ich kann Sie nicht allein gehen lassen" widersprach das Mädchen. „Welches Tier hat das eigentlich getan?"

„Ein Hippogreif." Sie atmete tief ein. Diese Art von Schmerzen war sie gewöhnt, gehörte fast zum Job. Und das hier war nichts gegen einiges, was ihr in Rumänien passiert war. Ganz zu schweigen von der Sache im Schwarzwald.

Hermine sah sie bestürzt an. „Ein Hippogreif?"

„Oh, Mist. Jaah, eigentlich war das Hagrids Überraschung für die erste Stunde und er sollte gerade dabei sein, deinen Mitschülern einige vorzustellen." Sie lehnte sich an eine Wand, als eine Hitzewelle sie überkam. Der Schmerz wurde etwas schlimmer. Zum Glück hatte sie immer Blutungsstillenden Trank bei sich, was ebenfalls zum Job gehörte. „Du kannst ruhig gehen."

Wieder wollte Hermine protestieren, fuhr jedoch zusammen.

„Ab hier übernehme ich, Miss Granger. Sie sollten zurück zum Unterricht gehen." Snape war hinter Sara aufgetaucht und packte ihren Arm. Sie warf Hermine noch ein Lächeln zum Dank zu, bevor sie den Gang entlang gezogen wurde, als hätte sie etwas angestellt.

„Du bist gar nicht auf die Idee gekommen, ihn zu betäuben, oder? Ein einfacher Schlafzauber wäre doch nicht so schwer gewesen." Er sprach mit ihr, als wäre sie ein dummes Mädchen, dem man alles sagen musste. Eigentlich gefiel ihr das gar nicht.

„Es gab keine Probleme, bis ich versehentlich ne falsche Stelle berührt hab" verteidigte sie sich. „Außerdem betäube ich meine Patienten ungern, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Aber was regst du dich so auf, ist doch halb so wild."

„Du hast dir deinen Arm nicht näher angesehen, oder?" Er stieß die Tür zur Krankenstation auf und schob sie rein. Sofort kam Madam Pomfrey auf sie zu, die anscheinend spürte, wenn es jemandem in diesem Schloss nicht gut ging.

„Was haben Sie denn angestellt, Miss Crowfield? Sie müssen sich sofort hinlegen. Und ziehen Sie sich bloß diese blutigen Sachen aus, ich kann das nicht mit ansehen. Ich werde das wieder richten, keine Sorge. Aber diese Nacht müssen Sie hier verbringen. Severus, passen Sie doch bitte auf, dass sie keine Dummheiten macht, falls Sie nichts zu tun haben." Während sie redete wie ein Wasserfall, lotste sie Sara zu einem Bett, bedeutete Snape, er solle sich auf einen Stuhl daneben setzen und zog dann die Vorhänge zu. Sara konnte sie durch den Raum gehen hören und dann schloss sich eine Tür.

„Und wie stellt sie sich das bitte vor?" fragte Sara mehr sich selbst, als ihr bewusst wurde, dass sie ihren rechten Arm kein Stück bewegen konnte, ohne höllische Schmerzen zu haben. Und mit links konnte sie kaum ihren Zauberstab führen.

Die Tür zum Gang wurde lautstark geöffnet und Sara erkannte sofort, dass Hagrid den Raum betrat, anscheinend einen jammernden Jungen bei sich. Sogleich waren auch die Schritte der Krankenschwester zu hören.

„Mr Malfoy! Hagrid, legen Sie ihn auf ein Bett." Eine Pause. „So schlimm ist es nicht, ich gebe Ihnen einen Trank, warten Sie."

Doch der Junge jammerte, als würde ein Stück seines Armes fehlen. Natürlich wusste Sara nicht, was genau das Problem war, aber auf die Worte von Madam Pomfrey konnte man sich verlassen. Sie wurde neugierig, aber ihr Arm verhinderte nähere Nachforschungen.

Als Hagrid weg war, fuhr Snape aus seinem Stuhl hoch, riss den Vorhang zur Seite und bedachte Malfoy mit einem prüfenden Blick. Sara konnte ihn da liegen sehen, eine lange, blutende Wunde am Arm und das falscheste Jammern von sich geben, das sie je gehört hatte.

„Er hat mir beinahe den Arm abgerissen!" wimmerte er, aber sie konnte das nicht glauben. Er musste irgendwas Falsches gesagt haben. War das dieser Draco Malfoy, den die Kinder so hassten? Wenn er einen Hippogreif zum Zuschnappen brachte, war das verständlich.

„Sie werden schon nicht sterben, Mr Malfoy" meinte Snape nur und schloss den Vorhang wieder. Sara musste später unbedingt Hagrid fragen.

„Stellt der sich immer so an?" fragte sie und es war ihr egal, ob der Junge sie hörte oder nicht. „Ich hab schon schlimmere Schnittwunden im Zaubertrankunterricht gesehen damals. Er simuliert, glaub mir."

Snape sagte dazu überhaupt nichts. „Solltest du dich nicht eher um dich selbst kümmern?"

„Kannst du mir vielleicht mal helfen? Da hinten ist ein Band, da musst du einfach dran ziehen. Und dann alles ein bisschen lockern, bitte" Sie drehte ihm den Rücken zu und deutete mit der linken Hand an ihren Nacken.

„Wann immer du in der Nähe bist, hab ich keine Ruhe" murmelte er, als er ihr Kleid öffnete. „Manchmal frage ich mich, wie du auf dem Kontinent zurechtgekommen bist."

Lächelnd streifte Sara sich das Kleid vom Oberkörper und sah zum ersten Mal mit klarem Blick ihren Arm an. Im Wald war es etwas unwirklich gewesen und sie hatte nur die Stofffetzen aus der Wunde gezogen. Aber er hatte Recht, das sah wirklich übel aus.

„Da fehlt ein Stück Fleisch" bemerkte Snape seelenruhig. „Sollte man nicht lernen, auf sich selbst aufzupassen, wenn man mit gefährlichen magischen Geschöpfen umgeht?"

„Das sagt der Mann, den Fluffy ins Bein gebissen hat." Sie grinste.

Er verzog den Mund. „Diese Töle."

„Du warst unvorsichtig. Und er hat nur das getan, wozu er da war. Hogwarts ist übrigens der einzige Ort, den ich kenne, wo so viele seltsame Sachen in so kurzer Zeit passieren. In all den Jahren hab ich nur wenige Geschöpfe gesehen, denen es so schlecht ging. Dieser Wald ist zu Recht verboten." Vorsichtig legte sie ihren rechten Arm auf das Laken und ließ dann den Kopf auf das Kissen sinken. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wer hier ist?"

„Ich will es nicht wissen." Altbekannter Hass eroberte seine Augen zurück, nachdem sein Blick einige Zeit lang fast mitleidvoll auf einer gewissen Narbe geruht hatte. „Und gib es zu, du freust dich auch noch, dass er entkommen ist."

Sara nickte. „Und weißt du was? Er ..." Sie hielt den Mund, als die Tür wieder geöffnet wurde und Madam Pomfrey zu ihrem Bett kam. Der Trank, den sie bekam, schmeckte ekelhaft süß und danach kribbelte ihr Arm, als würde er in einem Ameisenhaufen liegen. Sie traute sich gar nicht, hinzusehen, aber ihre Augen wurden gerade auch so schwer.

„Vielen Dank, Severus" sagte sie und merkte, wie ihreStimme schwächer wurde. Verschwommen konnte sie sehen, wie er aufstand, einenAugenblick neben ihr stehen blieb und dann in seiner Fledermausart verschwand.    

Die magische TierärztinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt