Kapitel 12: Falsches Spiel

215 15 3
                                    


Die folgenden Wochen bis zum Duell von Giron und Halya verliefen abgesehen von Beleidigungen und Stichelein Girons ruhig.

Jeden Abend kam Ero auf Legolas und Halyas Zimmer, um von Avaro's, Faná's und Rhavan's Training und ihren Fortschritten zu berichten.
Laut Ero machten sie gute Fortschritte und könnten nun schon fast so schnell laufen wie ihr Vater.

*^-*-^*

Es war zwei Tage vor dem Duell, als es passierte. Lystergio hatte ihnen die Aufgabe erteilt, schwarze Tinte zu erhitzen und zu beobachten, was passiert. Der Sinn dieser Aufgabe erschloss sich Halya nicht.
Aber als wohlerzogenes Kind bearbeitete sie die Aufgabe ohne Murren und Knurren mit Vinnea. Legolas war nicht da. Die Heilerin hatte ihn zu sich gerufen, da es anscheinend zu viele Verletzte oder Leute mit Problemen gab.
Halya arbeitete mit Vinnea an ihrem Tisch. Als sie sich vorbeugte um zu sehen wie die schwarze Flüssigkeit brodelte, lief Ero an ihr vorbei. Augenscheinlich waren er und seine Schwester schon fertig.
Doch plötzlich stolperte er und die heiße Flüssigkeit, in einer Phiole, entglitt ihm. Sie fiel auf den Tisch und zersprang. Die heiße Tinte sprizte in alle Richtungen - auch in Halyas Augen.
Mit einem Aufschrei taumelte sie rückwärts, die Hände vor die Augen geschlagen. Die Tinte floss ihr Gesicht herunter.
Lystergio sprang von seinem Stuhl auf und fasste Halya bei den Schultern. "Ich bringe dich zur Heilerin." , sagte er. "Vinnea. Du passt so lange hier auf." Dann führte er Halya zu den Heilräumen.

Vor den Heilräumen angekommen hörten sie die geschäftige Stimme der Heilerin. "Kannst du mir sagen was wir gegen Zahnschmerzen tun?"
In dem Moment öffnete Lystergio die Tür und Halya antwortete: "Man träufelt Nelkenöl auf die betroffene Stelle. Dieses schmeckt für den Patienten zwar nicht, betäubt aber schnell, sodass man den Zahn direkt ziehen kann." Wie gesagt, sie war schon in Heilkunde unterrichtet worden.
"Das ist richtig." , wandte sich die Heilerin an Halya. "Was wollt ihr hier?", frage sie dann auch sogleich. Der Geruch von Kräutern schlug Halya entgegen und sie verzog das Gesicht, bis sie sich an den scharfen Geruch der Kräuter gewöhnt hatte, die von der Decke zum trocken hingen.
"Sie hat Tinte in den Augen. Was ja wohl offensichtlich ist.", antwortete Lystergio gestresst und führte Halya zu einem Stuhl auf den sie sich setzten konnte. "Dann lass mal sehen.", murmelte die Heilerin, zog einen Hocker heran und setzte sich vor Halya.
Sie versuchte Halyas Gesicht zu berühren, doch sie zog sich zurück und versuchte dies zu vermeiden. "Wenn du dich so dagegen wehrst kann ich dir nicht helfen!", schimpfte die Heilerin und warf wütend die Hände in die Luft. "Legolas, bring mir mal bitte einen Lappen und warmes Wasser", bat sie als nächstes.
Erst jetzt als die Heilerin ihn ansprach, nahm Halya den Geruch von einem Wasserfall in einer sternenklaren Nacht wahr.
Legolas verließ das Zimmer und kam kurz darauf wieder. Halyas Ohren waren gespitzt auf ihn gerichtet. Die Heilerin verstand, dass sie sich nur von Legolas helfen ließe, und stand auf um ihm Platz zu machen.
Vorsichtig begann Legolas die Tinte abzutupfen. Als er fertig war versuchte Halya die Augen zu öffnen. Es brannte schrecklich und sie kniff sie wieder zu. Die Heilerin stieß Legolas von dem Hocker um ihrer Arbeit nachzugehen.
Diesmal ließ sie sich auch nicht davon abhalten, Halyas Auge zu öffnen. Es war komplett Schwarz. "Die Sklera sowie die Linse sind komplett getrübt." Eine klare Feststellung. "Schau mal nach links... Nach rechts... Oben... Unten..." , wies sie Halya an. "Wie fühlt es sich an?"
"Es brennt!" , presste Halya zwischen zusammengepressten Zähnen heraus. "Wie ich es mir gedacht hatte", murmelte die Heilerin und ging zu einem Schrank mit allerlei Töpchen, Flakons und anderen Behältern. Während sie mit den Gläsern klimperte kniff Halya wieder die Augen zusammen und hielt sich zusätzlich noch die Hand auf die Augen.
"Hier, diese Salbe muss du dir morgens und abends auf die Augenlieder auftragen.", erklärte sie, als sie die Salbe auftrug.
"Und wie lange wird diese... Blindheit andauern?", fragte Lystergio die Frage, die Halya sich nicht auszusprechen wagte.
"Genaues kann ich nicht sagen. Aber würde ich schätzen, wären es so zwei Tage. Es dauert eine Weile bis sich die Sklera und Linse auf natürliche Weise gereinigt haben."
Halya gefror zu einer Eisstatue bevor sie die Fäuste ballte, bis die Knöchel weiß hervortraten, und die Lippen, wie Lefzen zurückgezogen, ihre Wolfszähne entblößten. Jedes einzelne Haar auf ihrem Körper sträubte sich.
In ihrer Muttersprache fluchend erhob sie sich von ihrem Stuhl und ging auf die Tür zu, um mit voller Wucht dagegen zu schlagen - es kam einem kleinen Wunder gleich, dass die Tür ganz blieb - Staub rieselte von ihr herab.
Einen Wutschrei unterdrückend trat sie nochmal gegen die Tür und versuchte dann verzweifelt den Türgriff zu finden. "Na warte! Wenn du ein falsches Spiel spielen willst. Soll es so sein!", fluchte sie und schlug erneut gegen die Tür als sie den Griff nicht fand.
Legolas konnte sich ihre Verzweiflung nicht länger angucken. Er trat zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Mit wildem Knurren fur sie herum. Er trat noch dichter an sie heran. Sein Geruch hüllte sie ein.
"Entweder du lässt dir von mir helfen, oder ich lasse dich im Schloss herumirren!", drohte er. Daraufhin wurde sie still. Packte ihn ebenfalls bei den Schultern und wirbelte mit ihm herum, sodass nun ihre Plätze vertauscht waren.
"Gut", knurrte sie noch immer gereizt. "Dann geh du voran!" Sie schob ihn an.

Unter Legolas Führung hatten sie fast ihr Zimmer erreicht, als Halya ihn abrupt anhielt. "Warte! Ich will zu Laurea." Folgsam brachte Legolas sie zu der Schneiderin.
"Hallo Laurea", begrüßte Halya die Schneiderin knapp, die an einer Arbeit saß, und quetschte sich an ihr vorbei zu dem offenem Fenster, wo sie sich auf das Sims setzte.
"Was ist denn los?",fragte diese. Halyas miese Laune war ihr nicht entgangen.
Halya riss die Augen auf und starrte sie an. "Oh. War das Giron?", flüsterte Laurea leise an Legolas gewandt. "Natürlich war er das!", fuhr  Halya sie an und schlug gegen den Fensterrahmen. Die andere Hand auf ihre Lieder drückend. "Giron hat Ero zum Stolpern gebracht und mich mit Tinte überschüttet!"
Ohne einen weiteren Kommentar arbeitete Laurea weiter. Legolas hatte sich auf einen Hocker niedergelassen.
"Weißt du", nahm Laurea nach einer Weile das Gespräch wieder auf. "Ich hab eine Vermutung." Halya spitzte die Ohren. "Ich glaube, dass du die Reinkarnation von Legolas Mutter bist." Legolas wäre beinahe vom Hocker und Halya aus dem Fenster gefallen.
"Wie kommst du denn darauf?!", fragte Legolas geschockt. "Na ja. Als du sie Modelliert hattest sah sie genau so aus wie deine Mutter.", erklärte Laurea.
Legolas legte den Kopf in den Nacken und hielt sich die Hand vor Augen, als hätte er plötzlich auch Tinte in den Augen.
"Verstehst du denn nicht warum ich das gemacht habe?", fragte er, als ob gerade sie es verstehen müsste. Halya hatte er es schon erklärt.
"Ich habe das getan, um herauszufinden ob Vater überhaupt noch Gefühle hat! Immer ist er so kalt. Nie lächelt er oder zeigt Freude an etwas. Noch nicht mal an mir! Über 1.000 Jahre hab ich versucht ihn aufzumuntern. Ihn stolz zu machen! Und was macht er? Er ernennt mich zum Anführer der Wache und trinkt seinen Wein!" Eine kurze Pause - in der Legolas tief luftholte und sich neu ordnete.
Halya überschwemmte plötzlich ein Meer aus Mitleid. Doch sie blieb sitzen.
"Es gibt nichts in Mittelerde was ihn aufwärmt; diese Kälte nimmt. Seine Trauer ertrinkt er in Wein und er schützt sich mit einer Maske aus Kälte und Grausamkeit. Er ist blind gegenüber seines Volkes, seines Sohnes und gegenüber sich selbst! Er spielt sich etwas vor, nur damit er nicht Schwach erscheint!
Doch ich glaube Trauer zu zeigen ist eine der größten Stärken die es gibt." Legolas verstummte.
Laurea hatte noch nie einen so extremen Gefühlsausbruch bei dem Prinzen erlebt. In all den Jahrhunderten die Laurea nun schon für ihn arbeitete, hatte er natürlich über seine Trauer um seine Mutter mit ihr gesprochen, aber dass er sich so verlassen und allein fühlte, hatte er nie erwähnt.
"Ich wusste nicht, dass dies dein Motiv war. Entschuldige für meine lächerliche Vermutung", sagte Laurea und nahm sich ein stück Stoff, dass sie annähen wollte.
Nach einigen Minuten des Schweigens fragte Halya, ob jemand einen Schleifstein dabei hätte. Legolas holte einen aus seiner Tasche und warf ihn ihr zu. Zu spät fiel ihm ein, dass Halya Blind war. Doch diese fing ihn gekonnt, bedankte sich und holte einen ihrer krallenförmigen Dolche heraus.
Halya spürte, dass Legolas und Laurea sie ungläubig anstarrten. Daraufhin warf sie den Dolch in die Luft. Er drehte sich zweimal um die eigene Achse, und das Licht des aufgehenden Mondes spiegelte sich in der Klinge, bevor er wieder in ihrer Hand landete.
Eine klare Demonstration, dass sie nicht so hilflos war, wie man meinen sollte. Dann begann sie ihre Klingen zu schärfen.

"Ich glaube wir sollten jetzt gehen. Wir müssen noch Vorbereitungen für das Duell treffen" , sagte Legolas nach einer Weile. Halya sprang vom Fenstersims und gab ihm seinen Schleifstein zurück, bevor sie nach seiner Schulter tastete und wartete dass er losging.
Legolas fühlte sich durch ihre Berührung getröstet.
"Halya, ich hoffe dass du Giron morgen zeigst wer das sagen hat! Schlage ihn in seinem eigenen falschen Spiel!", feuerte Laurea Halya für morgen an

-----------------------------------------------------
Nach langer Schreibblockade endlich mal wieder ein Kapitel!

Hoffe jetzt wird's regelmäßiger.
:-p

Den Schreibstil habe ich wieder geändert. Da mir selbst beim Nachlesen aufgefallen ist, dass das blöd zum Lesen ist.😅

Eine der Gaurwaith (Legolas ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt