Kapitel 7

893 43 2
                                    

Also ging ich, immer von diesem Stechen in meiner Brust begleitet. Das Brennen der Tränen in meinen Augen mein ständiger Weggefährte. Ich ging, ohne zu wissen wohin.

Meine Gedanken spielten Verrückt. Ich hatte unglaubliche Angst Oliver zu verlieren. Warum musste ich denn jetzt kennenlernen? Warum waren die Umstände so blöd? Könnte er jemals das Kind lieben?

Sein Blick, als ich ihn das Geständnis gemacht habe, war eindeutig. Enttäuschung, Verzweiflung, Wut, Schmerz.

Und in mir sah es ähnlich aus. Es schmerzte mich, dass Oliver mich nicht wollte. Ich hatte Angst vor einer Zukunft, in der mich niemand mehr wollte, nur weil ich schon ein Kind hatte. Ich war verzweifelt, denn wie würde ich es so lange allein aushalten, wenn ich doch schon einen Tag ohne Oliver als unerträglich empfand. Meine Enttäuschung war jedoch die größte Sorge. Hier wollte ich glücklich werden, doch tief in mir wusste ich, Oliver an der Strasse vorbeigehen zu sehen, mit seiner Frau im Arm und einen Kinderwagen schiebend, das würde mich umbringen.

Und doch, hätte ich es nie sein können. Wäre ich nicht schwanger, wäre ich nicht hierher gezogen. Und Oliver niemals kennengelernt zu haben wäre ein Leben ohne wahres Glück zu kennen. Echte Sicherheit. Denn so fühlte ich mich auf dem Motorrad. Geborgen, Sicher, Glücklich und Sorgenfrei.

Meine Gedanken hatten mich sosehr in ihren Bann gehalten, dass ich, als ich aufsah, nicht mehr wusste wo ich war. Der Weg, auf den ich gegangen bin, war definitiv nicht mehr unter meinen Füßen. Das einzige unter meinen Füßen war unbefestigter Waldboden. Überall um mich herum waren Bäume, die kilometerweit in den Himmel gingen. Zumindest schien es mir so. Fest davon überzeugt den Weg wiederzufinden, drehte ich mich um 180 Grad herum und ging gradeaus weiter. Doch je länger ich ging, desto aussichtsloser schien die Situation. Meine Augen wurden immer müder, und ich hatte riesigen Durst, schließlich hatte ich seit Stunden keinen Tropfen Wasser im Mund.

Kurz setze ich mich auf den Waldboden und rastete meine müden Beine aus. Mir kam die Idee, doch einfach jemanden anzurufen, doch als ich auf mein Handy sah, musste ich erkennen, dass kein Netz vorhanden war. Ich war auf mich alleine gestellt. Die Uhr schockierte mich jedoch um einiges mehr. Es war schon 8 Uhr Abends, dass hieß das die Sonne in wenigen Minuten wohl untergehen würde. Ich bekam Angst. Riesige, alles durchdringende Angst. Der Wald mochte untertags wunderschön sein, doch Nachts würde die Finsternis die Gesträuche mit hundert schwarzen Augen versehen. Den Wald zu einem Gefährlichen Ort machen.

Also beschloss ich die letzten Minuten der Helligkeit nutzen, um mir ein Versteck zu suchen. Unweit von mir entfernt war eine kleine Höhle, eher die Einkerbung eines Felsvorsprunges, zu sehen. Dort ging ich hin, denn dort würde ich wenigstens vor dem Wind geschützt sein.

Als ich mich zum Boden niederliess, bemerkte ich, wie frisch es doch geworden war. Heute Mittag waren noch 20 Grad, doch nun schien es nichteinmal 10 Grad zu haben und meine Sommerjacke sah um einiges besser aus, als sie mich vor der Kälte Schütze.

Und als ich dann dort saß und gegen die Müdigkeit ankämpfte, wurde ich hungrig. Und noch durstiger. Und schließlich noch müder.

Das größte Problem war jedoch, dass niemand nach mir suchen würde. Olivers Reaktion nach zu urteilen wollte er nichts mehr mit mir zutun haben, und mit Sasha war ich morgen nicht verabredet. Niemand würde mich suchen. Diese Gewissheit drang durch jede Pore meines Körpers, die völlige Hilflosigkeit und Einsamkeit überwältigend. Also weinte ich. Ich weinte es hinaus, all die Angst, all meine Einsamkeit. Die Sorgen um mein Baby und die Furcht vor dem Leben alleine. Ohne Partner.

Aus jetzt, Belle. Hör auf schwarz zu malen. Alles wird gut. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber irgendwann wird alles gut sein.

Durch diesen Gedanken gestärkt trockneten meine Tränen. Meine Schluchzer wurden immer leiser, bis sie in der dunklen Nacht verstummten. Langsam beruhigte ich mich, doch was zurückblieb war die Erschöpfung. Diese war jetzt mein Feind.

Wenn ich einschlafen würde, könnte sich ein Raubtier an mich schleichen, ohne dass ich es überhaupt bemerke. Ein kampfloser Tot kam nicht infrage. Ich wollte Leben, und ich würde bis zur letzten Sekunde kämpfen. Ein Blick aufs Handy erschloss mir, dass ich nach wie vor kein Netz hatte.

Mein Akku würde bald knapp werden. Ob die verbliebenen 40% wohl bis morgen reichen würde? Ich wusste es nicht. Der Blick auf die Uhrzeit verriet mir, dass es bereits 2 Uhr morgens war. Nur noch 5 Stunden, bis ich wieder hinausgehen konnte und weiter den Weg nachhause suchen konnte.

Doch ich fühlte mich Vollkommen ausgelaugt. Nur mit Mühe konnte ich meine Augen am zufallen hindern und die Kälte der Nacht ließ meinen Körper erzittern. Mein Hunger war nur schwer erträglich. Durst war ein noch schlimmeres Gefühl. Ich hatte einmal gehört, dass man wenn einem kalt ist, an den Stand denken soll, und es wird einem automatisch warm.

Funktionierte das wohl auch mit Unbehaglichkeit? Ich versuchte es einfach, und versetze mich Gedanklich zurück zu dem Moment als ich bei Oliver auf dem Motorrad saß. Die Wärme seines Körpers an den Händen spürend, das Vertrauen in ihn so übermächtig. Doch obwohl mich der Gedanke an ihn behaglicher fühlen ließ, war es im Nachhinein gesehen ziemlich dumm.

Denn die Kälte war es letztendlich, die mich wach hielt, und ohne dieser schlief ich schon nach kurzer Zeit ein.


Ich habe gerade gesehen, dass das erste Buch über 100 reads hat. Danke dafür. Als kleines Special gibt's also ein zweites Kapitel heute. :)

Schrei des Wolfes: Das GeständnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt