Das Gefängnis

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Dagur führte uns einen dunklen Pfad entlang. Ein Schauer fuhr über meinen Rücken. Wir waren schon an vielen Drachenleichen vorbeigezogen und jedes mal bedachte Dagur uns mit einem Grinsen. Fischbein hatte seinen Kopf eingezogen und trippelte ängstlich neben mir her. Jetzt mal ehrlich! Den kann man viel zu schnell einschüchtern! Er sollte mal mehr an sich arbeiten! In Gedanken versunken merkte ich nicht, dass Dagur stehen geblieben war, und knallte gegen Fischbein. Dieser quiekte erschrocken auf. Innerlich verdrehte ich die Augen und betete zu Thor, dass Fischbein die nächsten Stunden und Tage einfach seinen Mund hält. Thor musste mich erhört haben, denn kurz darauf deutete Fischbein auf etwas am Himmel, ohne auch nur einen Mucks zu machen. Angestrengt starrte ich hinauf und erkannte winzige Punkte, die allmählich größer wurden. War Rotzbacke gekommen, um mich, ähm, ich meinte, uns zu retten? Ganz bestimmt. So wie ich ihn kannte. Ich lächelte leicht, aber dann stieß mich Fischbein an. Etwas verärgert drehte ich mich zu ihm um, aber er sah mich nur warnend an. Ehe ich reagieren konnte, schubsten uns die Berserker weiter. Wir kamen an einem Dorfplatz an. Viele Berserker musterten uns misstrauisch und tuschelten angeregt miteinander. Als hätten die nicht schon mal Gefangene gesehen! Gerade nachdem ich das gedacht hatte, hätte ich mich ohrfeigen können. Wir würden hier nicht so schnell rauskommen, jedenfalls nicht unverletzt und ohne Verluste. Frustriert kickte ich einen Stein weg. Plötzlich sah ich Stiefel vor mir und langsam hob ich meinen Kopf. Vor mir stand Dagur und grinste hämisch. ,,Na Lindalein. Vermisst du schon deinen romantischen Rotzbacke?" Ich holte aus, doch wurde von einem Berserker gestoppt, der meine Hand festhielt. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu versuchen, mich zu befreien und gleichzeitig Dagur tödliche Blicke zuzuwerfen. ,,Kampfgeist hat die Kleine ja." Dagur lachte. ,,Gefällt mir." Er drehte sich zu Fischbein um und musterte ihn abfällig. Das kotzte mich wiederum an und ich hätte beinahe wieder versucht, ihn zu schlagen. Doch ich besann mich eines anderen. ,,Schafft sie weg." Dagurs Stimme war kalt, aber trotzdem hörte ich einen Hauch von Überlegenheit und Schadenfreude. Noch bevor ich etwas dazu denken konnte, wurde ich nach vorne gestoßen. Wütend brummte ich mir etwas unter die Nase und setzte mich in Bewegung. Die Wachen führten uns in eine finstere Höhle hinein. Ein paar Fackeln tauchten den Gang in ein schummriges Licht und erleuchteten einige Gitterstäbe, die die Zellen andere Gefangenen vom Hauptgang abtrennten. Alte sowie auch junge Männer und Frauen drängten ans Gitter und streckten ihre Finger nach uns aus. Ich drängte mich näher an Fischbein, der sich ebenfalls an mich drängte. So liefen wir direkt in der Mitte des Ganges, bis wir vor einer schweren Eisentür anhielten. Die Berserker öffneten die Tür und mit einem Knarzen fiel die Tür wieder ins Schloss, nachdem sie uns lachend in den Raum geschubst hatten. Ich inspizierte den Raum. Leer. Nur ein Fenster mit Gitterstäben, das viel zu hoch war. Sonst gähnende Leere. Frustriert drehte ich mich zu Fischbein um, der unschlüssig und zitternd im Raum stand. ,,Fischbein!", herrschte ich ihn an. Er schreckte zurück und sah mich mit großen Augen an. Bevor er was sagen konnte, holte ich tief Luft und donnerte los. ,,Weißt du eigentlich wie erbärmlich du bist? Ein blinder, tauber Gronckel könnte deine Angst bemerken! Denkst du etwa du siehst furchteinflößend aus?!" Wütend stampfte ich auf ihn zu. Leise wimmernd trat er einige Schritte zurück, immer noch mit riesigen Augen. ,,Argh! Willst du so gegen die Berserker kämpfen?! Die lachen sich schlapp und müssen gar nichts machen, weil du vor Angst ja gleich umkippst!" Meine Stimme wurden nach jedem Wort lauter und eigentlich wollte ich noch mehr hinzufügen, aber ich hielt inne. Schritte näherten sich der Tür. Mein Blick glitt wieder zu Fischbein, der mich ängstlich anschaute. Dann sprang ich in die Mitte des Raumes, ballte meine Hände zu Fäusten und heftet meinen Blick auf die Eisentür. Ein Berserker stürmte hinein und blickte sich verwirrt um. Ich schrie kampflustig auf und ging auf ihn los. Mit einem Tritt in den Bauch lag er am Boden. Zufrieden sah ich auf ihn herab, aber so schnell wie er auf dem Boden war, stand er auch wieder. Er drängte mich mit einem wütenden Blick an die Wand und verpasste mir eine schallende Ohrfeige. Als er zur nächsten ausholte, umfasste eine Hand seine und knickte sie nach hinten. Mit einem hässlichen Knacken ging der Feigling zu Boden. Erleichtert sah ich in Fischbeins Gesicht. ,,Danke", murmelte ich während ich meine pochende Wange hielt. ,,Tut mir leid, ich wollte nur die Wachen auf uns aufmerksam machen. Das war alles mein Plan. Jetzt lass uns abhauen." Mit diesen Worten stürmte ich aus dem Raum und schloss die Tür, nachdem Fischbein sich umsah, ob auch keine Wachen in der Nähe seien. Wir gingen langsam den Hauptweg zurück. Die Gefangenen musterten uns verwirrt und bettelten darum, dass wir sie befreien. Hilflos schaute ich Fischbein an, der mich ebenso ratlos ansah. ,,Wir können sie nicht befreien. Erstens haben wir keinen Schlüssel und zweitens sind die alle so abgemagert und schwach, dass sie niemals zehn Meter laufen könnten, geschweige denn, sich gegen die Berserker wehren könnten", fing Fischbein an. ,,Außerdem sitzen einige von denen bestimmt aus einem guten Grund hinter Gittern." Ich nickte nur stumm und warf einer ausgemergelten Frau einen mitleidigen Blick zu. Schnell fasste ich mich wieder und bedeuete Fischbein, leiser zu sein, da wir uns dem Haupteingang näherten. Schon verwunderlich, dass keine Berserker hier patrouillierten. Naja, hier saßen ja auch nur Leute hinter schwer zerstörbaren Metallgittern, die garantiert nicht ausbrechen würden, weil sie so schwach waren. Mein Blick glitt zu den Wachen vor der Höhle und ich schaute Fischbein fragend an, der nur unsicher nickte, weshalb ich leise weiterging. Ich hörte einen unterdückten Schrei, aber ehe ich mich umdrehen konnte, lag eine Hand auf meinem Mund und ein starker Arm schlang sich um meinen Bauch. Ich versuchte mich zu wehren, aber der Wikinger war stärker und zerrte mich zurück. So leicht gab ich jedenfalls nicht auf und trat nach ihm. Daraufhin lockterte er seinen Griff und ich hechtete in Sicherheit, naja, jedenfalls aus der Höhle. Dort warteten aber ein Dutzend Berserker und grinsten, als sie mich erblickten. Neben mir hielt ein schwer atmender Fischbein an. ,,Das schaffen wir nie", keuchte er. Da musste ich ihm leider Recht geben, auch wenn ich gerne was anderes behauptet hätte. Wir hatten keine Chance. Ich warf Fischbein einen Blick zu und nickte. Und schon gingen die Berserker auf uns los. Ich wusste, dass wir keine Chance hatten, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

I won't let you goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt