Nein, DEIN Ende

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Ich fühlte nichts. Kein Gefühl. Kein Gedanke. Keine Sorge. Nichts. Leer. Allein.
War das wirklich passiert? War ich jetzt wirklich unter diesem undurchdringlichen Eis gefangen? War ich jetzt schon tot? Würde ich jetzt in den Hallen von Valhalla aufwachen, meinen Vater sehen oder doch nur wieder aufwachen, auf der Berserkerinsel in einem Bett, weil mir dann doch alles zu viel wurde? Was war mit Ohnezahn? Wie ging es ihm? Würde er ohne mich leben können oder wurde er auch mit in den Tod gerissen? Was war mit Astrid? Wie würde es ihr gehen?
Zu viele Fragen, auf die ich alle keine Antwort wusste, stürzten auf mich ein. Wieso konnte das alles hier nicht einfach sein? Nein, mein ganzes Leben war schon immer kompliziert gewesen, angefangen damit, dass ich keine Drachen töten wollte, dass ich alle Drachen retten wollte und schlussendlich auch noch den Friedensverkünder spielen wollte.
Plötzlich nahm ich etwas war. War ich doch noch nicht tot? Nein, da war es wieder. Es klang wie ein Herzschlag. Es wurde schneller und plötzlich sah ich blaues Licht. Und dann leuchteten mich grüne Augen an. ,,Ohnezahn?", fragte ich schwach. Er gurrte leise und sah sich vorsichtig um. Und jetzt bemerkte ich, dass um mich herum gar kein Eis war. Aber wo waren wir? Ich entdeckte nur Steine und Sand. Verwundert sah ich nach oben. Dort schimmerte schwaches Licht durch einen gewaltigen Eisblock. ,,Wie...?" Ich sah Ohnezahn überrascht an. ,,Hast du dich durch den Sand und die Steine gesprengt?" Ohnezahn schüttelte seinen Kopf und nickte gleichzeitig. Dann hob er eine Tatze. Zwischen seinen Krallen entdeckte ich Sand. ,,Du hast dich durchgesprengt UND durchgegraben?!" Ungläubig sah ich ihn weiterhin an. ,,Auch durch den Stein?!" Der Nachtschatten schnaubte und schubste mich tiefer in das Loch, während mein langsames Gehirn die Informationen verarbeitete. Und dann merkte ich auch endlich, wo wir waren. Die Tunnel, die die Flüsternden Tode damals gegraben haben, reichten bis zum Strand, unter dem wir uns nun befanden. ,,Ohnezahn, wir müssen hier raus." Sofort sprang der Nachtschatten los und ich folgte ihm schnellen Schrittes. Vor uns sah ich noch die letzten Strahlen der untergehenden Sonne, aber angesichts der Situation konnte ich das überhaupt nicht genießen.
Und dann waren wir draußen. Ich atmete die frische Luft ein und schwang mich auf Ohnezahns Rücken. Schnell erhob sich mein Freund in die Luft und steuerte die Stelle an, an der sich der Große Überwilder, Drago und der Nachtschatten befand. Letzterer bereitete mir weiterhin Sorgen, da ich nicht einschätzen konnte, auf welcher Seite er kämpfen würde, wenn er nicht unter der Kontrolle des Überwilden war.

Der riesige Drache erschien vor uns, Ohnezahn schnellte hinter einen Felsen, der höher gelegen war als die Stelle, an der ich meine Freunde entdeckte. Sie waren zusammengefesselt, von mehreren Wachen umstellt und am Schlimmsten: vor ihnen stand der Nachtschatten. Er öffnete sein Maul und während mein Herz mehrere Schläge aussetzte, weil ich meine große Liebe, mein einziges Familienmitglied und meine besten Freunde in jedem Augenblick verlieren würde, reagierte Ohnezahn in der Geschwindigkeit eines Nachtschattens und schoss auf den Nachtschatten. Es rauchte und qualmte, es erklangen mehrere Schmerzensschreie und ich hatte Angst, dass meine Freunde verletzt waren, wenn nicht sogar so stark von der Explosion getroffen wurden, dass sie tot waren. Da lichtete sich der Rauch und ich sah den Nachtschatten am Boden liegen. Drago stand mit einem ungläubigen Blick daneben und fixierte Ohnezahn und mich mit einem hasserfüllten Blick. Ich suchte mit meinen Augen meine Freunde. Aber ich sah nur einen Drachen in der Nähe des Nachtschattens. Es war ein Nadder, aber nicht irgendein Nadder, es war Sturmpfeil. Ich lenkte Ohnezahn nach unten zu Sturmpfeil, konnte aber schnell erkennen, dass sie nicht zu stark von der Explosion verletzt wurde und dass sie noch lebte, da sich ihre Flanken hoben und senkten. Trotzdem musste sie dringend versorgt werden. Unter ihren Flügeln konnte ich Personen entdecken und würde ein Yak darauf verwetten, dass der tapfere, treue Nadder, die Wikinger beschützt hat. Ich hoffte nur, dass auch diese die heftige Explosion überstanden hatten.

,,Du!" Drago trat bedrohlich näher. ,,Hicks der Hüne!" Ich sah ihn unverwandt an, während sich Sturmpfeil neben mir rührte und den Blick auf meine Freunde frei gab. Diese standen alle langsam auf und sahen sich ungläubig um. Astrid sah kurz zu mir, ehe sie Sturmpfeil vom Schlachtfeld lotste. Gleichzeitig stellten sich die anderen trotz Wunden und Schrammen hinter mich. ,,Wie schaffst du das? Ich hab dich jetzt schon zum dritten Mal tot gesehen!"

,,Mich haut nichts so schnell um", sagte ich ruhig, aber dennoch mit Nachdruck.

,,Das wird dein Ende sein!" Er schrie, woraufhin der Große Überwilde seinen Kopf zu Ohnezahn und mir wandte. Ich schaute kurz zu den anderen. ,,Los, geht weg! Er darf uns nicht alle erwischen!"

,,Hicks, mein Sohn!" Valka sah mich flehend an.

,,Keine Sorge, Ohnezahn und ich bekommen das hin. Wir haben es schon zweimal gemeinsam geschafft, wir schaffen es auch ein letztes Mal." Ich lächelte jeden nacheinander aufmunternd an. ,,Holt eure Drachen, wenn es soweit ist und dann vertreiben wir Drago und seine Anhänger ein für alle Mal!" Alle nickten und ich sah die Sorge in ihren Blicken, wandte mich aber wieder zum gewaltigen Drachen, als sie sich zum Gehen wandten.

,,Vernichte sie!", schrie Drago und sah mich mit dunklen, hasserfüllten Augen an. Der Drache öffnete sein Maul, sammelte all seine Feuerkraft und fixierte uns mit einem eisigen Blick. Aber auch diesmal reagierte Ohnezahn in so einer Schnelle, bäumte sich auf, lud einen gewaltigen Plasmablitz auf und schoss inmitten des Mauls vom Überwilden. Dieser wurde durch die Wucht des Plasmablitzes nach hinten geschleuderte, versuchte sich zu halten, aber fiel von der Klippe, an der er stand, ins Meer. Eine riesige Wasserfontäne schoss hoch und dann beruhigte sich das Wasser.

,,Was hast du getan!?" Drago rannte auf mich zu, schwang seinen Stab und schlug zu. Ich fing den Schlag mit meinem Inferno ab und schleuderte Drago mit einem gekonnten Schwung zu Boden. ,,Du hast einen unschuldigen Drachen getötet! Ich hasse dich, Hicks, ich hasse dich!"

Ich sah ihn wortlos an.

,,Du wirst das bereuen Hicks, das verspreche ich dir! Das wird dein Ende sein!" Und während er das sagte, bäumte er sich auf, schmiss mich von sich und trat auf meinen Bauch, als ich zu Boden fiel. Ohnezahn wollte reagieren, aber Drago hielt seine Speerspitze an meine Kehle und funkelte Ohnezahn warnend an. Der Nachtschatten hielt unsicher inne und sah zu mir. Stumm nickte ich, woraufhin er sich zurückzog.

,,Nein, das ist dein Ende", ertönte eine leise Stimme ganz aus der Nähe. Astrid stand hinter Drago, hielt ihre heißgeliebte Axt an Dragos Hals und zog ihn mir weg. Keine Sekunde später stach er zu, aber Ohnezahn hatte wohl auf diesen Augenblick gewartete und schoss einen Plasmaball auf den Stab, der in tausende Stücke zerbarste. Drago schrie gequält auf und sank auf den Boden.

Schwerfällig stand ich auf, Ohnezahn war sofort an meiner Seite und stütze mich. Dankbar lächelte ich ihn an. ,,Kümmer dich mal um all die Drachen." Ich deutete nach oben, wo die Drachenarmee noch umherflog. Ohnezahn gurrte, sprang auf einen Felsen und brüllte. Sofort entstand ein geordnetes Chaos, Drachen flogen zu ihren Besitzern, in die Ferne oder landeten auf Berk, sowohl einheimische als auch fremde.

Kurze Zeit später war Ohnezahn wieder an meiner Seite und meine Freunde umzingelten auf ihren Drachen Drago, der immer noch gebrochen kniete.

,,Schaffft ihn weg." Meine Stimme war kühl.

,,Wir sollten ihn umbringen! Er hat es nicht anders verdient!" Rotzbacke sprang wütend von Hakenzahn und richtete sein Schwert auf Drago.

,,Dann wären wir aber nicht besser als er", versuchte ich ihn zu besänftigen.

,,Was hast du dann vor?", fragte Astrid.

Ich dachte kurz nach. Bei uns wäre er nicht gut aufgehoben. So viele auf Berk wollten ihn tot sehen, aber ich konnte es nicht verantworten, dass hier ein Mord geschieht. ,,Bringt ihn zur Insel der Verbannten und bittet Alvin darum, ihn in eine gutversperrte Zelle zu packen. Ich will ihn auf Berk nicht mehr sehen."

,,Oh wie großzügig der große Drachenmeister doch ist." Drago sah mir in die Augen. Ich sah nichts als Schwärze in seinen.

,,Ey, sei froh, dass du noch leben darfst!" Astrid begann ihn zu fesseln.

,,Ich glaube, dass es viel mehr eine Strafe ist, jetzt ins Gefängnis geworfen zu werden als umgebracht zu werden", warf Taffnuss ein.

,,Rotzbacke, die Zwillinge und Linda, könnt ihr das übernehmen? Ich würde gerne hier bleiben und mich mit Fischbein, Astrid und Valka um den Nachtschatten kümmern." Die Angesprochen nickten, schnappten sich Drago und verließen die Insel. Fischbein war währenddessen zum Nachtschatten gegangen.

,,Ich bin so froh, dass du lebst!" Astrid schlang ihre Arme um mich und gab mir einen Kuss, den ich gerne erwiderte. ,,Aber auch nur, weil du mich gerettet hast Milady." Eng umschlungen genossen wir die Nähe des anderen. Seufzend schloss ich meine Augen und vergrub mein Gesicht in Astrids Haaren.


,,HICKS!"

I won't let you goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt