Das Ende

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Hakenzahn schlug immer langsamer mit den Flügeln, aber trotzdem schien er weiter zu wollen. Von vorne ertönte ein Krächzen des Tödlichen Nadders, der es nicht mehr mit den Nachtschatten aufnehmen konnte.

,,Sie sind zu schnell." Astrid seufzte, als sie wieder neben uns flog.

,,Aber warum beeilen sie sich denn so?" Fischbein sah ratlos in die Runde.

,,Vielleicht hat jemand ja sein kleines Kuscheltier geklaut", spekulierte ich, woraufhin ich sofort einen vernichtenden Blick von Astrid erntete.

,,Rotzbacke! Das ist nicht lustig! Am Ende wirst du froh sein, dass Hicks und Ohnezahn so schnell auf Berk waren!" Stumm sah ich sie an. Irgendwie stimmte das ja schon, aber ich wollte es nicht zugeben. Astrid wandte sich wieder ab und sah nach vorne. Ich sah die Sorge in ihrem Blick und konnte sie vollkommen verstehen. Mein Blick schweifte zu Linda. Auch um sie hatte ich mir imense Sorgen gemacht und war erleichtert, als ich sie endlich wieder in den Arm schließen konnte. Astrid konnte das schon lange nicht mehr behaupten. Hicks war andauernd weg oder beschäftigt.

,,Aber warum hat er nichts gesagt?" Der kräftiggebaute Junge auf dem Gronkel blickte ängstlich umher. ,,Er hat sich sofort auf Ohnezahn geschwungen und ist abgehauen..."

Astrid drehte sich wieder um und hob zu einer Antwort an, als sie von einem lauten Brüllen unterbrochen wurde. Alle sahen in die Richtung, aus der das Geräusch erklang. Berk war in Sicht, aber jedem stockte der Atem. Der Große Überwilde war zurück. Eine riesige Drachenarmee bedeckte den Himmel. Langsam schluckte ich und sah die anderen voller Angst an. Der Schock und die Angst war jedem ins Gesicht geschrieben und wir trieben unsere Drachen an, schneller Berk zu erreichen. Sie sammelten ihre letzten Kräfte und schlugen kraftvoll mit ihren Flügeln. Plötzlich ertönten Explosionen. Bei jeder einzelnen zuckte ich zusammen und sah, dass es den anderen nicht anders erging. Aber dann erstarrten sowohl wir als auch die Drachen. Ein lauter, schmerzvoller Schrei ertönte und danach war Stille. Eine unheimliche Stille legte sich auf Berk. Eine Stille, die von einem einzelnen verzweifelten Trauerschrei durchschnitten wurde, gefolgt von einem gehässigen Lachen und dem Brüllen des riesigen Drachens. Mein Blut gefror mir in den Adern.

,,Drago...", hauchte Astrid. Ihre Augen waren glasig, als sie sich umdrehte und uns ansah. Geschockt starrte ich zurück. ,,Nein", hauchte sie weiter, als der Nebel sich lichtete und der Blick auf einen Eisblock frei wurde. Neben diesem stand Drago, am Eis gelehnt entdeckte ich Valka und darüber ragte das Monsturm. ,, Das darf nicht sein!" Mit einem spitzen Kriegsruf raste sie auf Drago zu, aber niemand rechnete mit dem schwarzen Schatten, der sie von Sturmpfeil zog. Ich hielt die Luft an und starrte auf den Drachen, der Astrid vor Drago absetzte.

,,Ein weiterer Nachtschatten?" Linda sprach die Tatsache, die niemand laut sagen wollte, aus. Darauf folgte jedoch nur Schweigen. Niemand wusste so recht, was wir jetzt machen sollten. Zu tief saß der Schock, dass Drago zurück war und Hicks und Ohnezahn scheinbar wieder im Eis gefangen waren.

,,Wir müssen nur noch kurz warten, dann sind sie wieder frei...", murmelte Fischbein.

Linda sah ihn verwirrt an. ,,Aber sie sind doch scheinbar unter dem Eis. Die Chance, dass sie leben, ist sehr gering." Sie sagte dies vorsichtig und sah mich entschuldigend an. In ihrem Blick lag Trauer und Angst.

,,Naja, wir kennen dieses Monster da unten. Wir haben es schon mal bekämpft..."

Fischgesicht unterbrach mich. ,,Hicks und Ohnezahn."

Ich schnaubte. ,,Jaja, das Oberhaupt und der Alpha. Jedenfalls hat Ohnezahn damals es irgendwie geschafft, den Eisblock von innenheraus zu sprengen."

Ungläubig blickte Linda mir in die Augen. ,,Nachtschatten sind wirklich unglaublich mächtige Drachen."

,,Und scheinbar ist da unten ein weiterer", meldete sich Raff zu Wort und zeigte überdeutlich auf den Nachtschatten, der mittlerweile über Astrid stand und Sturmpfeil aggressiv anknurrte.

,,Wir müssen Astrid helfen!" Fischbein quietschte aufgeregt herum, woraufhin ich einfach die Augen verdrehte.

,,Keine Sorge, Fischi, die wahren Drachenreiter werden das regeln. Lehn dich zurück und lass uns machen." Ich ernetete daraufhin einen genervten Blick von dem Angesprochenen, ignorierte das aber gekonnt. Jahrelange Übung. ,,Na los, worauf warten wir noch?"
Taff, Raff und Linda sahen mich erwartungsvoll an und ballten ihre Hände zu Fäusten. ,,Drago machen wir platt!", rief Taff euphorisch.
Ich grinste und spornte Hakenzahn an, der sofort losflog und den Großen Überwilden anvisierte. Wirbelwind flog direkt neben uns und ich lächelte Linda sanft an. Sie erwiderte mein Lächeln und fixierte dann wieder den riesigen Drachen an. Hakenzahn öffnete bereits sein Maul, als plötzlich ein Brüllen uns ablenkte, woraufhin das Monstrum sich umdrehte und die Drachen unter seine Kontrolle brachte. Hakenzahn wurde bockig und versuchte mich abzuschütteln. Das Feuer war in seiner Kehle stecken geblieben. Mit einem flüchtigen Blick merkte ich, dass es Linda und den anderen ähnlich erging. Und dann schaffte mein Drache es, mich abzuschütteln, und flog zu der breiten Drachemasse über dem Überwilden. Schreiend fiel ich in die Tiefe, aber etwas fing mich auf und brachte mich in rasanter Geschwindigkeit auf den Boden, stoppte davor aber abrupt und setzte mich ab. Der Nachtschatten, der mich ,,gerettet" hatte, knurrte mich warnend an und schwang sich dann wieder in die Luft, um nur nach kurzer Zeit mit den Zwillingen aufzutauchen. Ehe wir uns versahen, waren wir gefesselt zusammengebunden. Astrid und Valka ging es nicht anders, aber beide schien das nicht sonderlich zu berühren. Beide ließen den Kopf hängen, aber mich durchfuhr plötzlich eine unglaublich große Wut. Wollten wir das alles jetzt einfach aufgeben, nur weil Hicks nicht mehr unter uns weilt? Ich ballte meine Hände zu Fäusten, als Fischbein von dem fremden Nachtschatten zu uns gebracht wurde. Ich riss an den Seilen, die um meinen Körper gebunden worden waren.

,,Ey! Was soll das? Wir sind auch noch da!", vernahm ich Raffs Stimme leise in meinem Ohr, ignorierte sie aber und versuchte weiterhin, mich zu befreien. Dragos gehässiges Lachen erklang dunkel in meinem Kopf, was mich noch wütender machte. Plötzlich wurde mir etwas Spitzes zwischen die Rippen gerammt. Meine Bewegungen stoppten und ich hielt inne. Ich vernahm das leise Flüstern von Taff. ,,Hör auf, du machst es nur schlimmer. Du ziehst die gesamte Aufmerksamkeit auf dich und vor allem der Nachtschatten scheint nicht sonderlich gut auf uns zu sprechen zu sein. Naja, Nachtschatten können nicht sprechen. Jedenfalls nicht mit uns. Mit Hicks schon, aber der ist ja nicht hier." Und tatsächlich brachte mich Taffs gemurmelter Unsinn dazu, mich zu beruhigen.

,,Berk, eine Insel, die sich nicht ergeben wollte, und nun ist euer Oberhaupt schon wieder tot." Drago lachte. ,,Jedes Mal, wenn ich hier bin, stirbt ein Nachfolger. Und ihr scheint jetzt keinen Nachfolger mehr zu haben." Wieder lachte er. ,,Das ist euer Untergang." Er trat zu Valka und Astrid und hielt ein Schwert an Astrids Kehle. ,,Berk gehört nun mir und die Drachen ebenfalls. Ein zweites Mal werdet ihr mich nicht aufhalten können."

,,Und ob wir das können!", knurrte Astrid wütend und starrte ihn herausfordernd an. Aber ich sah, dass sie zitterte, und das schien auch Drago zu sehen, denn er lachte wieder nur.

,,Es ist traurig, zu sehen, dass ihr nicht eine Niederlage annehmen könnt. Ich hätte euch leben lassen können, aber wenn ihr Widerstand leistet müsst ihr sterben." Drago nickte seinen Männern zu und sie brachten Fischbein, Linda, die mittlerweile an Fischbein gefesselt wurde, die Zwillinge und mich zu Valka und Astrid. Murrend versuchte ich mich wieder zu befreien, erntete aber einen Schlag in die Magengrube. Jetzt saßen wir, aneinander gefesselt, da, vereint, zusammen, gemeinsam. Ich wusste, dass ich Angst haben sollte, aber ich spürte nichts außer Hass, Hass auf diesen hässlichen Mann, der alles zerstörte, immer dann, wenn alles gut war.
Ein Pfeifen ertönte und der Nachtschatten stand vor uns, fixierte uns mit seinen stechend gelben Augen. Seine Pupillen waren schmal, er stand also unter der Kontrolle des Überwildens. Der schwarze Drache knurrte und kam näher. Sein Maul war geöffnet, seine Zähne geflescht und man sah schon das blaue Feuer in seinem Rachen.

,,Leute, ich bin echt froh, dass wir Freunde waren und eine echt tolle Zeit gemeinsam hatten. Ich hab euch lieb...", murmelte Fischbein und jeder grummelte nur zustimmend, wissend, dass es das Letzte war, was wir machen konnten. Naja, abgesehen von Stoßgebeten an die Götter, aber das brachte jetzt auch nichts mehr. Gegen einen Nachtschatten kam doch kaum jemand an. Ich kniff meine Augen zusammen. Und dann kam es ganz plötzlich, der Drache schoss den Plasmaball ab, es krachte, ich vernahm Schreie und dann wurde alles schwarz...

I won't let you goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt