Ich habe mir diesen Abend nicht anders vorstellen können, als diesen atemberaubenden duft – eine Mischung aus altem Papier, ein Hauch von befreiter Lust, Energie und Karton einzuatmen.
Meine Nase kitzelt und ich nehme noch weitere Gerüche wahr, die ich nicht so wirklich einordnen kann.
Und obgleich ich diese Düfte riechen kann, muss ich offen zugeben: Ich habe definitiv einen schlechten Geruchssinn. Vermutlich habe ich es von meinem Vater geerbt.
Versteht mich nicht falsch, aber ich mag den Geruch von Büchern. Sei es nun antike Bücher oder solche, die direkt von der Druckerei gepresst worden sind.
Kurzum: Ich liebe Bücher über alles.
Ich habe qualvolle Schmerzen in meinen Füssen und ich kann kaum die Augen vor Müdigkeit aufhalten. Verdammt, warum muss ich bis spät in die Nacht noch meine Texte schreiben? Letzte Nacht habe ich kaum ein Auge zu gemacht. Und der Vormittag in der Universität für Marketing herrscht gähnende Langeweile.
Statt mir wieder unnötig den Kopf darüber zu zerbrechen, stöbere ich ratlos die Regale nach unzähligen Titeln durch.
Es kribbelt ziemlich heftig, als alles rund um mich herum stehen bleibt. Sogar die nervenaufreibende alte Dame, die mich mit ihren unzähligen Fragen über Bücher durchlöchert. Statt, dass sie inzwischen nach Antworten in den geheimnisvollen Schriftstücken sucht, mustert sie stattdessen den Dalmatiner eines anderen Kunden.
«Schön, machen Sie das!», denke ich mir.
Nach den Lektionen verbringe ich den grössten Teil meines Tages hier, in einem Bücherladen. Dank dem recht gut bezahlten Stundenlohn kann ich mir meinen Unterhalt finanzieren und zudem habe ich einen guten Ausgleich zum Studium.
Die Buchhandlung trägt den Namen „Lesekaffee" und befindet sich in der hübschen Seitenstrasse auf dem rechten Flussufer des Rheins im Erdgeschoss eines mittelalterlichen Gebäudes.
Die Räumlichkeiten bieten viel Platz. Das Lesekaffee ist eine wahre Fundgrube für Schätze aller Art, sofern man Schätze mag, die manch einer als Staubfänger bezeichnet.
Entsprechend ist das Ambiente altmodisch, erlesen und stilvoll.
Die hohen Räume sind von gewölbten Decken überspannt und sind noch mit antiken Möbeln ausgestattet, die vielleicht einmal pro Monat mit teurem nährendem Öl gepflegt werden.
Es gibt eine gemütliche Leseecke mit drei rot bezogenen Barocksesseln und mit einem Marmor verzierten Tischchen, wohin man sich bei Bedarf mit einem Grüntee oder Kaffee zurückziehen kann.
Das Ganze soll wie ein literarischer Salon wirken oder wie es sich mein Chef einen solchen eben vorzustellen vermag. Ein Anspruch, dem die Buchhandlung allein deshalb nicht gerecht wird, weil hier nie Lesungen oder andere Veranstaltungen stattfinden.
Ich liebe Bücher, denn jedes Buch erzählt seine eigene Geschichte, egal ob sie dramatisch, humorvoll oder dermassen kitschig ist. Bücher sind einfach grossartig. Heimlich bewundere ich diejenigen Autoren, die ihre Werke veröffentlichen.
Vielleicht soll ich auch den grossen Schritt als Autorin wagen. Eine Chance habe ich doch auch, oder?
Doch wenn ich nur daran denke, wird es mir schon irgendwie mulmig zu mute.
Ich beuge mich näher heran, um den Buchrücken zu lesen und stelle fest, dass es ein Liebesroman ist – eines der besten Genres.
Dann ziehe ich das Buch aus dem Regal und blättere es durch. Einzigartig, wie faszinierend so ein Buchumschlag sein kann.
Auch wenn der Schriftsteller unzählige Stunden verbringt, damit nur die Beschreibung zumal zum Inhalt seiner Geschichte passt. Zumindest ist dies einer der schwierigsten Aufgaben für mich.
Oder der Grafiker, der das perfekte Cover mit Photoshop gestaltet und diverse Farbkonstellationen anwendet. Er wird bestimmt mit dieser Arbeit noch verrückt oder geschweige denn irgendwann farbenblind.
Denn die Gestaltung ist wirklich eine halbe Wissenschaft für sich.
Vor allem wirkt auf einem simplen weissen Hintergrund nicht jede Farbe gleich.
Aber das Interessanteste neben der Buchbeschreibung sowohl auch dem Cover ist, wie sich binnen Sekunden die möglichen Leser ihre eigene Meinung über diese Geschichte bilden, obwohl sie nicht eine einzige Seite davon lesen.
Während dem ich dieses Buch beurteilten muss, träume ich bereits von diesen spannenden Abenteuern und sehne mich danach, diese Welt mit meinen eigenen Augen zu sehen.
Etwas später umfasse ich die Griffe des leeren Bücherwagens und schiebe diesen eilig fort. In der letzten halben Stunde ist nicht viel gekauft worden. Klar ist es schlecht für unseren Umsatz, aber was wollen wir gegen den starken Franken-Kurs machen.
Das Feilschen und Handeln hat vielleicht schon unsere Kultur mitbestimmt, aber was ist das für eine Gesellschaft, die einen Händler feiert, der einem Kunden die Bücher für den zehnfachen Preis verkauft? Betrug, Unehrlichkeit und Egoismus verdrängen die menschlichen Werte, sie ermöglichen die Preiskriegerschaft und wir fördern diese noch, indem wir Bücher im Ausland kaufen.
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BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪
Romance„Manchmal kann der kleinste Schritt in die richtige Richtung zum grössten Schritt im Leben werden." Als Schriftstellerin hatte Mona schon viele Geschichten aufgeschrieben, doch keine davon war so real und emotional wie ihre eigene. Sie hatte schon...