BEFORE YOU SAY GOODBYE | 🇩🇪

•NEUNUNDVIERZIG - ICH•

In der Schule wurde uns andauernd eingetrichtert, dass jede Geschichte einen Anfang, einen Hauptteil und ein Ende hat.

Wie sieht das eigentlich im echten Leben aus, wenn wir nicht Stift und Papier zur Hand hätten und nach unserer Rechtschreibung, Grammatik und Inhalt benotet würden?

Wird dieses Schema überhaupt eingehalten? Und was passiert, wenn sich einer von uns nicht an diese Regel hält? Vermutlich wird er bestraft oder wenn es gut kommt er sogar eine Belohnung oder noch besser ein Abzeichen, so wie bei einem Pfadfinder.

Ich wünsche, ich hätte eine klare Antwort darauf, wo ich gerade mit meiner eigenen Lebensgeschichte feststecke. Und was ich bloss mit meinem Gefühlschaos anstellen muss?

Ich ziehe mein Notizbuch hervor und blättere es durch, bis ich die richtige Stelle finde, hier kann ich wieder etwas Ordnung in mein Leben zu bringen. Oder werde ich damit etwa nur Platz für eine neue Katastrophe schaffen?

Ich starre auf das weisse Papier. Es liegt vor mir und ist leer. Wie vieles hätte noch geschrieben, gesagt werden können.

Ich atme tief durch, nimm den Stift und schreibe darauf los. Angesichts dieser Situation und diesem unendlich wunderschönen Kuss werde ich den heutigen Tag wie folgt in Worte fassen.

Du musst verstehen, dass Mona keine andere Wahl mehr, als sich ins Abenteuer der Liebe zu stürzen. Natürlich hat sie mit allem gerechnet, jedoch nicht mit diesem leidenschaftlichen Kuss mit Louis. Seine köstlichen Lippen kleben noch förmlich an ihren. Es hat sich so unglaublich toll angefühlt an seinen Lippen zu kosten.

Genau - jetzt verlangst du als Leser viel von einem Schriftsteller - nämlich er muss mit der Kamera ganz nah rangehen und diese Handlung mit so vielen Emotionen beladen, damit der Leser ein Bild in seinem Kopf erhält und seine Fantasie freien Raum entfalten lässt. Nicht ohne Grund werden Bücher wie Filme bezeichnet, die sich vor dem geistigen Auge des Lesers abspielen. Sie sind meistens klarer und lebendiger.

Und dann klappe ich das Notizbuch zu und drehe es um. Ich schreibe wie wild drauf los und lasse es buchstäblich laufen.

Kurz hebe ich den Kopf und beobachte Louis, der mittlerweile eingeschlafen ist. Er sieht so niedlich aus, wenn er schläft. Lou atmet tief ein, dann wieder aus.

Sein Anblick lässt mein Herz warm werden. Alles in mir schreit danach, nach ihm zu greifen, doch ich halte mich für einen Augenblick zurück.

Ein merkwürdiges Zucken durchzieht meine Adern und entlädt sich wie ein Stromschlag.

Ich glaube, irgendwann wird noch der Zeitpunkt kommen, an dem ich mich zwischen Tom und Louis entscheiden muss. Einer der beiden Männer werde ich wohl oder übel das Herz in zig Einzelteile brechen müssen, bevor es zu spät ist. Doch wer ist der Richtige für mich?

Wer lässt mein Herz wie Marshmallow auf dem offenen Feuer schmelzen? Just - sitze ich gedanklich am Lagerfeuer und das Feuer flackert immer mal wieder auf. Die angenehme Luft steigt in die Höhe und hält mich warm.

Der wechselnde Farbwechsel ist ein wahres Spektakel der Natur. Erst jetzt wird mir bewusst, was es bedeutet mit dem Feuer zu spielen, als ich mit einem kleinen Holzscheit die Glut auf stochere und das Feuer weiter entfache. Ein süsslicher Duft steigt mir in die Nase. Es riecht so verdammt gut. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, wenn ich daran denke den gerösteten Marshmallow aus dem Feuer zu ziehen, ein paar Mal zu pusten, bevor ich den wabbeligen Klumpen vom Stock ziehe und mir in den Mund schiebe. Das habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr gemacht, stelle ich mit Entsetzen fest und nehme den nächsten Marshmallow in die Hand.

Ich richte den Blick wieder auf mein Notizbuch und schreibe weiter. So fühlt sich meine brennende Leidenschaft zur Literatur an.

Und es fühlt sich so fantastisch an.