,,Es bedeutet Freiheit"
,,Ace! Hier drüben!" Hektisch blicke ich zu dem blonden Mädchen, das meinen Namen geschrien hat und winke mechanisch, als sie übermütig beide Arme in die Luft reißt, um auf sich aufmerksam zu machen. Als hätte ich sie übersehen können...
In ihren Händen hält sie ein riesiges Pappschild, auf dem mein Name steht.
Nervös atme ich durch und zähle in Gedanken bis zehn, um mich zu beruhigen. Ich reiße das Stück Klebeband mit meinem Namen drauf von meiner Brust und versuche mich darauf zu konzentrieren, zu lächeln und gleichzeitig meinen monströsen Koffer hinter mir her zu zerren, während ich mir meinen Weg durch die Mengen bahne. Nach gefühlten zehn Ellenbogen, die mir ziemlich unsanft in die Seiten gerammt wurden, stehe ich endlich vor dem Mädchen und bin stolz, dass mein Lächeln trotz Allem kein bisschen verrutscht ist.
Die Blondine nimmt mir meinen Rucksack ab und streckt mir ihre rechte Hand entgegen. ,,Ich bin Sage, freut mich dich kennenzulernen."
Als sie merkt, dass ich immer noch keine Hand frei habe, lässt sie sie wieder sinken. ,,Weißt du was? Wir verschieben das auf später." meint sie, schultert meinen Rucksack und zieht mich am Arm hinter sich her.
,,Während ich dich zu deinem Zimmer führe, könnte ich dir doch auf dem Weg genauso gut noch eine kleine Tour geben, was hältst du davon?" Ich zucke so gut es geht mit den Schultern und versuche, nicht allzu genervt zu wirken. Eigentlich wollte ich mich nach meiner langen Reise nur noch auf mein Bett schmeißen, ein bisschen lesen und eventuell noch ein paar Vokabeln lernen. Sage scheint mein Schweigen offensichtlich als Aufforderung für ihre kleine Privattour zu nehmen und fängt an, zu erzählen. ,,Also." beginnt sie. ,,Hier hätten wir schon mal den gesamten Campus mit unzähligen Bistros und Coffeeshops. Der kleine Eisladen dort drüben ist auch nicht außer Acht zu lassen, dort gibt es das beste Eis in ganz Kalifornien. Ich kann dir wärmstens die Sorte
,,Cookie Dough" empfehlen."
Ich nicke höflich und sie fährt fort.
Sie erzählt von der Cafeteria, dem Sportplatz, dem Computerraum und der Bibliothek und deutet dabei mit ihren langen Armen abwechselnd nach links und rechts. Als wir endlich vor einer Zimmertür stehen bleiben, brummt mir der Kopf von all den Informationen und ich sehne mich nach einer kalten Dusche und vor allem nach Ruhe. Ich blicke auf die Tür. Zimmer 112. ,,Ist das meins?" will ich wissen. Sage nickt grinsend.
,,Unter anderem, ja."
Ich zögere. Was meint sie damit..
,,Wer wohnt denn sonst noch so hier?" Der Sarkasmus in meiner Stimme ist deutlich rauszuhören.
Ich wusste, dass ich ein Einzelzimmer bekommen würde, Mom versicherte mir vor meiner Abreise, dass das geklärt war. So hatte ich mehr Ruhe zum Lernen, da ich aufgrund meiner guten Noten die Fortgeschrittenenkurse belegen werde. Sage tippt mir breit grinsend auf die Nase. ,,Na ich, Dummerchen."
Sie stößt die Tür auf und bedeutet mir mit einem Kopfnicken, dass ich eintreten soll. Na klasse. So viel zu dem Einzelzimmer und der Ruhe..
Missmutig stelle ich meinen Koffer und meine Tasche neben meinem Bett ab und blicke mich im Zimmer um.
Sage lacht und setzt sich auf das gegenüberliegende Bett, das offensichtlich ihr gehört. ,,Keine Sorge, ich bin nicht immer so nervig. Ich bin mir sicher wir werden bestens miteinander auskommen. Ich freue mich nur immer so, wenn jemand Neues nach Stanford kommt, ich liebe diese Schule."
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich noch nie jemanden so begeistert über eine Schule habe reden hören und beschließe, sie zu mögen. Vielleicht habe ich soeben meine zukünftige Lernpartnerin gefunden.
Sage lächelt. ,,Aber glaub mir, an meinem ersten Tag war ich genauso eingeschüchtert wie du." Sie lacht.
Ich überlege kurz. ,,Eingeschüchtert ist nicht das richtige Wort, eher.."
,,Verzweifelt?"
,,Überwältigt. Das Ding hier ist riesig.
Ich werde Monate brauchen um meine Kursräume zu finden."
Jetzt klinge ich doch verzweifelt, obwohl ich das gar nicht beabsichtigt hatte. Jetzt hält sie mich garantiert für eine dumme Schnepfe, die nichts alleine auf die Reihe bekommt...
Doch Sage nickt verständnisvoll und lächelt. ,,Wie gut, dass du jetzt mich hast." meint sie nur und steht auf. ,,Ich nehme an, du hast noch nichts gegessen. Was hältst du also davon, mit meinen Freunden und mir gemeinsam Mittag zu essen?"
Ich lasse mir ihren Vorschlag durch den Kopf gehen und gleich darauf gibt mein Magen ein walähnliches Geräusch von sich und nimmt mir meine Entscheidung ab. So kann ich auch mit Sicherheit noch ein paar nette Bekanntschaften machen.
Also stehe ich auf, streiche meinen Rock glatt und hake mich bei ihr unter. ,,Auf ins Getümmel!" scherze ich. In der Cafeteria angekommen, drückt mir Sage gleich ein Tablet mit Teller und Besteck in die Hand und bedeutet mir, mich hinter sich in die Schlange zu drücken. Ich stelle fest, dass das hier so üblich ist, also reihe ich mich unauffällig hinter ihr ein.
Während wir darauf warten, unser Essen zu bekommen, lasse ich meinen Blick durch den Raum schleifen. Ich will mich gerade wieder Sage zuwenden, als mein Blick an einem Jungen hängenbleibt. Ich schätze ihn auf ungefähr zwanzig und... Himmel, sieht der gut aus! Die dunklen Haare gerade so zerzaust, dass es nahezu perfekt aussieht und die Hände lässig in der Vordertasche seines Thrasher Pullis vergraben, lehnt er im Türrahmen und sieht mich an. Durchbohrt mich mit seinen Blicken.
Als ich nicht wegschaue, weil ich davon überzeugt bin gerade einem Gott persönlich begegnet zu sein, kneift er die Augen zusammen und wendet sich ab, um sich an einen der freien Tische zu setzen. Na klasse..
Jetzt hab ich ihn wahrscheinlich genervt. Jetzt bin ich nur ein weiteres von den Mädchen, die ihn ständig anstarren und von der Ferne aus anhimmeln... Ich stöhne, weil ich mich über mich selbst aufrege.
Sage merkt, dass ich ihr die ganze Zeit überhaupt nicht zugehört habe und folgt meinem Blick. Ein wissendes Grinsen erscheint auf ihrem Gesicht. Gefolgt von einer ernst erhobenen Augenbraue. ,,Nicht, dass es mich irgendetwas angehen sollte, aber ich will es einfach mal gesagt haben, da du neu, naiv und unwissend bist;
Halte dich von ihm fern. Glaub mir das ist nicht einer der Typen, mit denen man am College seine Zeit verbringen möchte." Ich nicke langsam und versuche mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. ,,Wer ist das?" will ich dennoch wissen. Sage lässt ihren Blick zwischen mir und dem Jungen umherwandern. Fast so, als würde sie überlegen, ob es eine wirklich gute Idee wäre, mir seinen Namen zu verraten. ,,Blake Svoboda." meint sie dann schließlich. ,,Seine Mutter kommt aus Prag, deswegen wurde er auch in Tschechien geboren und kam erst mit drei Jahren in die Staaten. Soweit ich weiß, ist das sein zweites Jahr an der Stanford."
,,Freiheit." murmele ich.
,,Hm?" macht Sage. ,,Was hast du gesagt?" Ich schüttele den Kopf und mache eine abwertende Handbewegung. ,,Svoboda. Es bedeutet Freiheit."
Sage nickt kurz und nimmt dann ihr Tablet entgegen. Während wir den Raum durchqueren, auf der Suche nach einem freien Sitzplatz, kann ich förmlich spüren, wie sich Blakes Blicke in meinen Rücken bohren.
DU LIEST GERADE
The Change
Teen FictionWie kann ein Mädchen wie ich, einen Jungen wie ihn lieben? Wenn er doch ganz einfach alles zerstört, was ich mir mein Leben lang aufgebaut habe? Es spielt keine Rolle. Denn egal, was dieser eine Junge alles zerstört hat, so hat er mir etwas viel bed...