Kapitel 8

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,,Halt dich fern von mir"

Drei Monate. So viel Zeit ist vergangen, seit Carven und ich unser erstes Date hatten. Mittlerweile sind
wir das Paar an der Stanfort.
Jedes Mädchen würde morden, um meinen Platz einzunehmen, und auch Carven bekommt hin und wieder feindliche Blicke zugeworfen.
Drei Monate. So lange ist es her, seit ich das letzte Mal mit Blake gesprochen habe. Als er mitbekommen hat, dass Carven und ich jetzt zusammen sind, hat er aufgehört, mit mir zu reden und beschlossen, mich zu ignorieren.
Er wirft mir keine spöttischen oder herausfordernden Blicke mehr zu, nervt mich nicht mehr im Unterricht und hebt nicht mal belustigt eine Augenbraue, wenn ich mal wieder auf dem Gang meine Sachen falle lasse.
Alles was er tut, ist, durch mich hindurchzuschauen. Als wäre ich Luft, nicht existent.
Und das ist weitaus schlimmer, als seine nervigen Kommentare.
Da hat er mich wenigstens noch wahrgenommen.
Mit Carven redet er zwar noch, doch es ist nicht mehr so wie früher.
Er macht immer den Eindruck, als wäre er wütend auf ihn.
Doch ich kann mir nicht erklären, weshalb. Sage meint, ich soll froh sein, dass er mich ignoriert. Dann sei ich nicht mehr ständig von einem Vollidioten umgeben und kann mich ausschließlich auf die Beziehung mit Carven konzentrieren.
Doch ich teile ihre Meinung nicht.
Ich vermisse ihn. Ich vermisse den gelassenen, fröhlichen Blake, der mit mir den Berg hochgewandert ist, um mir seinen persönlichen Ruheort zu zeigen. Und den Blake, der mich um Mitternacht an meinem Geburtstag aus dem Schlaf gerüttelt hat, um mir zu gratulieren, nur um mir kurz danach ein Minitörtchen ins Gesicht zu klatschen. Danach hat er bei meinem Anblick so einen Lachanfall bekommen, dass er sich auf den Boden gesetzt und das Gesicht in seinem Arm vergraben hat, weil er vor lauter Lachen nicht mehr stehen konnte. Ja, diesen Blake vermisse ich.
Den echten Blake. Nicht den, der er vorgibt zu sein. Der grimmige, schlechtgelaunte Arsch, der Mädels reihenweise flachlegt, um ihnen danach das Herz zu brechen.
Ich vermisse ihn.

Doch ich darf ihn nicht vermissen.
Ich bin mit Carven zusammen und das ist auch gut so. Er ist lustig, verständnisvoll, sieht hinreißend aus und akzeptiert, wenn ich an den Wochenenden lieber lernen möchte, als auf Partys zu gehen.
Ich bin glücklich. Glaube ich.
Wie könnte ich nicht glücklich sein?

Heute ist wieder einmal einer dieser Tage, an denen ich ernsthaft an meiner Existenz zweifle.
Nach Kursende schlendere ich als Letzte aus dem Raum. Als ich die fast leeren Gänge entlang schleiche, auf meinem Weg zur Cafeteria, kommt er
mir entgegen. Der breite Flur ist wie leergefegt, da ich spät dran bin. Sein Blick ist nach vorne gerichtet.
Er hätte mich sehen müssen.
Tat er nicht.
Blake rempelt mich derart an, dass man meinen könnte, er hatte vor, durch mich hindurchzulaufen.
Durch den Seitenhieb fallen mir meine Schulbücher und mein Ordner aus der Hand und klatschen lautstark auf den Marmorboden.
,,Was soll das?!" zische ich und kneife wütend die Augen zusammen.
Er sieht mich nicht an. Tut so als wäre ich nicht da. Als er einfach weglaufen will, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, reiße ich ihn am Arm zurück. ,,Hey!" stoße ich aufgebracht hervor. Ich könnte platzen vor Wut. ,,Wag es ja nicht, dich jetzt einfach aus dem Staub zu machen, Svoboda!" knurre ich und stemme die Hände in die Hüften.
Meine Bücher lasse ich achtlos auf dem Boden liegen.
Endlich sieht er mich an. Doch ich zucke unmerklich zusammen, als ich in seine eisblauen Augen schaue.
Sein Blick ist weder belustigt, noch herablassend.
Er ist kalt und leer. Als hätte jemand alle Emotionen in ihm ausgelöscht.
Doch das ist nicht das Einzige, was ich mit Entsetzen an ihm feststelle.
Seine linke Kieferhälfte verfärbt sich blau-violett und an seinem rechten Auge prangt eine drei Zentimeter große Platzwunde. Auch die Blässe auf seiner Haut und die dunklen Schatten unter seinen Augen übersehe ich nicht. Er sieht schrecklich aus. Fassungslos starre ich ihn an und hebe die Hand um seine zerschrammte Wange zu berühren.
,,Was hast du getan?" flüstere ich.
Blake nimmt meine Hand von seinem Gesicht. ,,Nicht." sagt er.
,,Du hast dich geprügelt." stelle ich nüchtern fest. Ich hoffe, er hört die Enttäuschung in meiner Stimme heraus. Er sieht mich mit seinen leeren Augen an. ,,Hör auf damit."
Verwirrt runzele ich die Stirn.
,,Womit soll ich aufhören? Was ist los mit dir, Blake?"
Er blickt mir fest in die Augen.
,,Hör auf, mich auszufragen. Hör auf, so zu tun, als würdest du dir Sorgen machen. Und hör auf, zu versuchen mit mir zu reden." Wort für Wort rattert er runter, als wäre er ein programmierter Roboter. Gefühlslos.
Ungläubig und entsetzt sehe ich ihn an. Die Augen weit aufgerissen, den Tränen nahe. ,,Blake." hauche ich.
,,Was ist bloß los mit dir?" Ich schüttele traurig den Kopf und versuche immer noch krampfhaft nicht in Tränen auszubrechen.
Wie erwartet, scheitere ich.
Er zuckt nicht einmal mit der Wimper, während er beobachtet, wie die Tränen mein Gesicht runterfließen und lautlos auf den Boden tropfen.
,,Du." meint er dann schließlich.
,,Du bist los." Er hebt meine Bücher vom Boden auf und drückt sie mir in die Hand. ,,Halt dich fern von mir."
murmelt er dann mit leerem Blick und lässt mich völlig aufgelöst im Flur stehen. Ich stehe weinend vor ihm und er geht einfach.
Das war nicht der Blake, den ich kenne.
rede ich mir ein. Das war nicht er.
Das war nur eine leere Hülle.

Ich klopfe nicht. Stoße einfach nur die Tür auf und betrete Carvens Zimmer. ,,Babe, was ist los?"
will er wissen, als er die Spuren der Tränen auf meinem Gesicht bemerkt. Ich bin zu aufgewühlt, um richtig wahrzunehmen, dass er mit nacktem Oberkörper vor mir steht.
Schnurstracks gehe ich auf sein Bett zu und setze mich. Die Verwirrung steht Carven ins Gesicht geschrieben.
,,Was hast du?" will er wissen, als meine Lippen erneut zu zittern beginnen und ich mich regelrecht anstrengen muss, die Tränen zurück zu halten. Er zieht sich ein weißes Shirt über und setzt sich neben mich.
Er fragt nicht weiter nach, sondern wartet einfach ab, bis ich von selbst anfange zu erzählen. ,,Er hasst mich."
presse ich hervor, meine Stimme zittert gefährlich.
Carvens Blick schnellt nach oben.
,,Wer hasst dich? Niemand könnte dich jemals hassen, Baby."
Zärtlich streicht er mit seinem Daumen über meine Schulter.
,,Doch." schluchze ich. ,,Er tut es."
Carven runzelt die Stirn und blickt mich an. ,,Wer ist er?"
,,Blake." Ich kann die Tränen nicht aufhalten, also gebe ich nach und lasse sie ihren Weg auf Carvens Bettdecke finden.
Auf einmal wirkt er angespannt.
,,Was hat er getan?" will er wissen.
Ich seufze schniefend. ,,Nichts. Das ist ja das Schlimme. Er ist abweisend, kalt und völlig emotionslos. Carven, du hast ihn heute nicht gesehen, er machte den Eindruck als wäre er innerlich komplett zerstört.
Er wirkte so.. leer." murmele ich und blicke auf den Boden. Ich merke, wie Carven sich neben mir anspannt.
,,Er ist innerlich komplett zerstört." sagt er leise.
Ich werfe ihm einen erschrockenen Blick zu. ,,Wieso? Was hat er denn?"
Carven lacht verächtlich. ,,Ein gebrochenes Herz, hat der Idiot."
Jetzt bin ich verwirrt. ,,Warum das denn? Du meintest, er hat Angst sich zu verlieben." Er nickt. ,,Klar. Das hat auch gestimmt. Bis er dich getroffen hat. Du hast seine Angst wahr gemacht, Ace."
Ich blicke ihn verständnislos an und wische mir flüchtig über das Gesicht, um die letzten Tränen, die noch an meinem Gesicht haften, zu entfernen.
,,Wieso, was hab ich getan?
Was will er denn?"
Carvens ganzer Körper ist angespannt und ich sehe, wie sein Kiefer arbeitet.
,,Dich." presst er hervor.
Er sieht mich an.
,,Blake will dich, Ace."

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