,,Deine Ablenkung"
,,Du hast was?!" Sage lässt ihren Lipgloss fallen und springt quiekend durch das Zimmer. ,,Ich fass es nicht! Oh mein Gott!" ruft sie dabei lauthals und kriegt sich gar nicht mehr ein vor Freude. Ich muss lachen. ,,Sei bitte nicht so laut, das ist ja peinlich."
Sie hält inne und setzt sich neben mich aufs Bett. ,,Entschuldige, aber das ist einfach unglaublich. Du bist einen Tag hier und schon hast du ein Date mit einem der heißesten Typen von ganz Standfort." Fassungslos schüttelt sie den Kopf. Ich kann ihre Reaktion sehr gut nachvollziehen, denn mir geht es ähnlich. Ich hatte nie einen Freund. Wie auch, mein bisheriges Leben bestand darin, zu lernen und mich bestens auf das College und meine Zukunft danach vorzubereiten. Da blieb keine Zeit für einen Freund. Nachdem ich Sage dazu überreden konnte, ihren Nachmittagskurs nicht sausen zu lassen, lasse ich mich auf mein Bett fallen und starre an die weiße Decke. Mein Kunstkurs wurde auf morgen verlegt, also habe ich mindestens zwei Stunden totzuschlagen, bis Sage und Violet wiederkommen. Als ich mich nach zehn Minuten Langeweile immer noch seufzend auf meinem Bett hin und her rolle, beschließe ich, dass ich die Zeit auch sinnvoll nutzen kann, um zum Beispiel das Gelände ein bisschen näher kennenzulernen.
Ich springe vom Bett auf, stecke die Karte für das Sicherheitsschloss der Tür in die Vordertasche meines Pullis und schlendere auf den Gang hinaus. Ich klappere den gesamten Campus ab; das Sportstudio, den Eisladen, die Schwimmhalle und die Sportplätze, der riesige Garten, der sich hinter dem Gebäude befindet und jegliche Kursräume. Nach meinem zwei- Stunden-Marsch, schmerzen meine Beine und Füße so sehr, dass ich beschließe, ohne Umwege wieder auf mein Zimmer zurückzukehren. Als ich gerade in den Gang einbiegen will, wo sich Sages und mein Zimmer befindet, höre ich einen lauten Schlag. Als hätte jemand gegen die Wand geschlagen. Ich zucke zusammen, als eine Tür aufgerissen wird und ein Junge herausstürmt.
Gefolgt von Blake.
Der Junge versucht offensichtlich abzuhauen, kommt jedoch nicht weit, bevor er von Blake an die Wand geschmissen wird. ,,Fass sie nie wieder an! Ich schwörs dir, wenn ich deine dreckigen Hände noch einmal an ihr sehe..." Trotz der klammernden Hand um seinen Hals, bringt der Junge ein Lachen zustande. ,,Was dann, Svoboda? Was machst du dann?" bringt er krächzend hervor und leckt sich grinsend das Blut von seiner aufgeplatzten Unterlippe.
Blake nähert sich seinem Gesicht, sodass ihre Nasenspitzen nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt sind. ,,Dann werde ich dir so fest zwischen deine Beine treten, dass deine verfickten Spermien danach unbrauchbar sind." Seine Stimme ist leise, doch es ist unmöglich, das Bedrohliche darin zu überhören. Der Rotschopf scheint sich seiner Lage plötzlich bewusst zu werden und reißt nervös die Augen auf. Für einen klitzekleinen Moment kann ich die Angst darin erkennen.
Dann hebt er gelangweilt eine Augenbraue, schubst Blake von sich und geht mit schnellen Schritten den Gang entlang, bis er hinter der nächsten Ecke verschwindet.
,,Čubčí syn!" stößt Blake zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich habe keine Ahnung, was es bedeutet, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es auch gar nicht wissen will.
Er scheint mich noch nicht bemerkt zu haben, also will ich unauffällig an ihm vorbeihuschen. Gerade als ich mir fast sicher bin, es geschafft zu haben, unentdeckt hinter ihm vorbeizuschleichen, höre ich seine verärgerte Stimme.
,,Was willst du hier?" Verdammt.
Langsam drehe ich mich um und versuche meine Röte hinter meinen Haaren zu verstecken.
,,N-nichts.." stottere ich und könnte mich dafür ohrfeigen. Was ist bloß los mit mir!? ,,Also äh.. eigentlich wollte ich mich nur ein bisschen auf dem Campus umsehen und war gerade auf dem Weg zu meinem Zimmer, als ich hier vorbeikam..."
Zu meiner Überraschung kommt weder ein sarkastisches Kommentar, noch ein herablassender Blick.
Er nickt einfach nur gedankenverloren. ,,Um wen ging es da eben?" frage ich vorsichtig.
Blake sieht mich an. ,,Um meine Schwester. Dieser Mistkerl hat sie angefasst." Seine Augen verengen sich. Aus irgendeinem Grund erleichtert mich die Tatsache, dass es ,,nur" um seine Schwester ging.
Das wiederum jagt mir einen gewaltigen Schrecken ein.
,,Tja ich sollte dann mal nach ihr sehen." meint Blake schließlich und fährt sich durch die dunklen Haare.
Ich nicke nur und sehe auf den Boden, als er an mir vorbeiläuft und in einem der Zimmer verschwindet.
Als ich mich, in meinem Zimmer angekommen, auf mein Bett fallen lasse, kann ich ein Lächeln nicht unterdrücken. Ich muss zugeben, dass es mir gefällt, wie Blake sich um seine Schwester kümmert.Der restliche Tag vergeht damit, dass Sage und Violet aufgeregt um mich herumhüpfen und mir alle Go's und No Go's, sowie Best und Worst Case Szenarios auflisten, um mich auf mein morgiges Treffen mit Carven vorzubereiten. Was am Ende bloß dazu führt, dass ich Abends in meinem Bett liege, nicht einschlafen kann und das Gefühl habe, die Schmetterlinge in meinem Bauch fressen mich innerlich auf.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, habe ich ein flaues Gefühl im Magen und bekomme nicht mehr runter, als eine Banane, die ich mir krampfhaft herunterwürge. Auch während ich im Unterricht sitze, kann ich mich so gut wie gar nicht auf den Stoff konzentrieren, weshalb ich eine Ermahnung bekomme und das wiederum bringt mir belustigte Blicke des selbstgefällig grinsenden Blakes ein. Von dem gedankenverlorenen, ruhigen Jungen von gestern Abend, keine Spur. Mein letzter Kurs zieht sich in die Länge wie ein frisches Kaugummi, und als es dann endlich zum Ende klingelt, bin ich dieses Mal diejenige, die als Erste aus dem Raum stürmt. Sage und Violet warten schon auf mich, als ich ins Zimmer komme.
Sie haben mehrere Outfitkombinationen auf dem Boden ausgebreitet und sehen mich beide, im Schneidersitz hockend, mit fragenden Blicken an. Ich lasse die Tür offen stehen, schmeiße meinen Rucksack achtlos in die Ecke und trete ein Stück näher. Mit geschürzten Lippen betrachte ich meine Auswahl. Nachdem ich mehrere Outfits aussortiert hatte, liegen nun zwei Kleider vor mir. Ein hübsches weißes Sommerkleid und ein elegantes rotes Abendkleid. Da sitze ich nun. Seit zehn Minuten, und kann mich nicht entscheiden.
Plötzlich springt Violet aus ihrer Meditationsposition auf.
,,Halt! Svoboda, stehengeblieben!" ruft sie. Ist die irre?!...
Blake, der soeben an unserem Zimmer vorbeigehen wollte, bleibt ruckartig stehen und sieht uns drei verwirrt an. ,,Was ist?" will er wissen.
Violet geht auf ihn zu und zieht den überraschten Blake zu uns ins Zimmer. Wäre ich nicht so nervös, hätte ich wahrscheinlich über seinen Gesichtsausdruck gelacht. Unsicher steht er da, an die Wand gelehnt, die Hände in die Taschen seiner tiefsitzenden Shorts vergraben.
,,Du bist ja ein Junge." beginnt Violet.
Blake hebt eine Augenbraue.
,,Davon bin ich zumindest mal die letzten 20 Jahre meines Lebens von ausgegangen, ja." meint er und seine Augen blitzen amüsiert.
,,Sehr schön, da das geklärt wäre- welches Kleid würdest du an einem Mädchen bevorzugen?" Violet tritt beiseite und gibt so die Sicht auf die zwei Kleider frei. Anstatt sich die Kleider anzuschauen, wirft Blake nur einen fragenden Blick in die Runde.
,Für welchen Anlass, wenn ich fragen darf?" Sage grinst und wackelt vielsagend mit den Augenbrauen.
,,Oh Ace hier, hat ein Date mit deinem besten Freund." Okay das war jetzt wirklich nicht nötig.
Blakes Blick verdunkelt sich.
,,Verstehe. Aufgeregt?" Er sieht zu mir herunter. Ich nicke und lächele zögerlich. ,,Sehr." gebe ich zu.
Blake nickt langsam. Er scheint einige Sekunden zu überlegen, dann erhellt sich sein Blick schlagartig.
Er grinst mir zu. ,,Nicht bewegen, bin gleich wieder da." Mit diesen Worten eilt er aus dem Zimmer.
Verwundert werfe ich Sage und Violet einen Blick zu, die ebenfalls nur ratlos mit den Schultern zucken.
Kaum kann ich etwas sagen, ist Blake auch schon wieder zurück, in der Hand seine Autoschlüssel.
,,Bereit?" fragt er grinsend.
Verwirrt blicke ich zu ihm hoch.
,,Bereit wofür?"
Er greift nach meiner Hand und zieht mich auf die Beine.
,,Deine Ablenkung."
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The Change
Teen FictionWie kann ein Mädchen wie ich, einen Jungen wie ihn lieben? Wenn er doch ganz einfach alles zerstört, was ich mir mein Leben lang aufgebaut habe? Es spielt keine Rolle. Denn egal, was dieser eine Junge alles zerstört hat, so hat er mir etwas viel bed...