,,Du wirst es nicht bereuen"
Als ich am nächsten Morgen das Bad betrete und einen Blick auf mein Spiegelbild erhasche, wäre ich am Liebsten sofort rückwärts wieder rausgerannt. Ich sehe schrecklich aus.
Durch den Schlafmangel habe ich tiefe, dunkle Ringe unter den Augen, die Wellen, die ich mir am Vortag in die Haare gedreht hatte, waren verschwunden und meine schwarzen Haare fallen mir zerzaust und verknotet den Rücken hinunter. Die Make-up Reste, die durch das gestrig versäumte Abschminken noch auf meinem Gesicht haften, verbessern den Anblick nicht. Kurz gesagt; ich sehe aus, wie ein Waschbär auf Drogen. Ich seufze und schleppe mich verschlafen in eine freie Duschkabine. Sie sind zwar gerade mal so groß, dass ich mich einmal im Kreis drehen kann, dafür haben sie aber einen abgetrennten Bereich mit einer kleinen Bank, auf die man seine Sachen legen kann, damit sie beim Duschen nicht nass werden.
Ich ziehe mich aus und drehe das Wasser auf. Mein Citrus Waschgel und das kühle Wasser, das angenehm auf meine Schultern prasselt, tragen glücklicherweise dazu bei, dass ich mich nach meinem Badbesuch schon wesentlich wacher und frischer fühle.
Ich schminke mich gleich unter der Dusche ab und erledige das Rasieren auch gleich noch im Bad. So kann ich, als ich zurück in unser Zimmer komme, gleich anfangen mich anzuziehen und zu schminken. Als ich mich für eine schwarze Leggins und einen dunkelgrünen Pullover meiner ehemaligen Cheerleading-Mannschaft entschieden habe, setze ich mich vor den großen Spiegel, den Sage und ich im Eingangsbereich des Raums platziert haben und krame mein Schminktäschen hervor. Ich trage nur das Nötigste auf; Concealer, Augenbrauenstift, Wimperntusche und Libello. Als ich ein Blick auf die Uhr werfe und mit Schrecken feststelle, dass ich nur noch weniger als fünf Minuten habe, bürste ich innerhalb von zwanzig Sekunden meine gesamten Haare, binde sie zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen, schnappe mir meinen Rucksack und sprinte zur Tür hinaus.Als ich dreimal im Kreis gelaufen und zweimal die Treppen runtergefallen bin, stehe ich endlich atemlos vor meinem Kursraum und versuche vergeblich meinen viel zu hohen Herzschlag in den Griff zu bekommen. Vergeblich. Die Tatsache, dass die Tür schon geschlossen ist und der unendlich lange Flur wie leergefegt ist, lassen mich fast hyperventilieren. Mein erster Tag am College und ich komme zu spät.
Mutter wäre enttäuscht von mir...
Ich schiebe Moms hochrotes Gesicht in Gedanken beiseite, streiche mir ein paar lose Haarsträhnen aus dem Gesicht und klopfe zögerlich an der dicken Holztür.
,,Herein." Ganz ruhig..
Ich öffne langsam die Tür und trete ein. Alle Augen sind auf mich gerichtet. Der Dozent wirft mir einen strengen Blick zu. ,,Ms. Winter. Wie schön, dass sie sich doch noch dazu entschlossen haben, uns zu beehren."
Ich murmele ein ,,Entschuldigung" und laufe mit gesenktem Blick an ihm vorbei, um meine hochroten Wangen zu verstecken. So gut es eben mit gesenktem Kopf geht, sehe ich mich um, auf der Suche nach einem freien Platz. Zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass sich der einzig freie Sitzplatz neben Blake Svoboda befindet. Das darf doch nicht wahr sein.. Weil ich keine Wahl habe, steuere ich dennoch auf den Platz zu und setze mich. Seinen amüsierten Blick ignoriere ich gekonnt. Ich ziehe Mäppchen und Ordner aus meinem Rucksack und lehne mich zurück, um dem Dozent aufmerksam folgen zu können. ,,Sieh einer an, Prinzesschen erscheint zu spät zu ihrem ersten Kurs." raunt mir Blake leise zu. Ohne ihn anzuschauen, höre ich an seiner Stimme, wie sehr ihn das amüsiert. Arschloch.
Er lacht leise, als er meine Hand sieht, die sich um meinen Kugelschreiber verkrampft. Doch ich gehe nicht darauf ein. Er versucht es noch einige Male, doch als er merkt, dass ich ihm nichts weiter geben werde, als einen genervten Blick, hört er schließlich damit auf, verschränkt die Arme hinter seinem Kopf und lehnt sich zurück. Mir entgeht nicht, wie er mich dabei ununterbrochen anschaut. Als die Glocke zum Kursende läutet, schnappt er sich seinen bereits gepackten Rucksack und ist schneller aus dem Raum, als ich überhaupt meinen Kugelschreiber in mein Mäppchen werfen kann.Die nächsten Kurse vergehen relativ schnell. Ein paar davon habe ich gemeinsam mit Violet und Sage, in einigen bin ich alleine. Letzteres ist mir jedoch lieber, als noch eine weitere Stunde mit Blake zu verbringen. Nach meinem letzten Vormittagskurs treffe ich mich mit Sage und Violet in der Cafeteria, um gemeinsam Mittag zu essen. Zu meiner Verwunderung setzt sich nach einigen Minuten Carven zu uns an den Tisch. Bitte erzähl jetzt nicht, dass dein Freund auch gleich kommt..
Als hätte er meine Gedanken gelesen, fängt Carven an zu lachen und zwinkert mir zu. ,,Keine Angst, er kommt nicht. Blake hat noch was zu... hm..erledigen." Er lächelt mir noch einmal zu und beginnt dann genüsslich seinen Kartoffelbrei von der Gabel zu lecken. Als ich ihn dabei beobachte, spüre ich ein leichtes Ziehen im Unterleib und ein Kribbeln in der Magengegend.
Scheiße. Was war das denn jetzt!?
Ich esse hastig meinen Teller auf und räume ab. Da Sage mich bittet, auf sie zu warten muss ich jedoch sitzen bleiben. Während die anderen fertig essen, sehe ich heimlich zu Carven rüber und mustere ihn verstohlen.
Seine blonden Haare sind perfekt positioniert, als hätte er sich um jedes Haar einzeln gekümmert. Die blauen Augen sind nicht einfach nur blau, sondern haben eine dunklere Iris mit winzigen grünen Sprenklern um die Pupille. Die süßen Sommersprossen auf seiner Nase und die vollen, geschwungenen Lippen machen seine Schönheit komplett. Verdammt. Ich bin doch nicht etwa gerade dabei, mich zu verlieben! Oder..?
,,Was ist?" Carven grinst mich an und entblößt dabei eine Reihe perfekter, weißer Zähne. Sofort werde ich rot.
,,Was soll sein?" frage ich und blicke ihn unschuldig an.
Er lacht leise. Und was für ein schönes Lachen.. ,,Du starrst mich an." entgegnet er und grinst wieder.
,,Hab ich nicht." murmele ich und stehe auf. Das Ganze ist mir unendlich peinlich. Violet schlendert mit Sage unauffällig zur Tür. ,,Wir warten draußen." flüstert sie mir im Vorbeigehen ins Ohr und zwinkert mir zu. ,,Ehrlich gesagt, hab ich dich auch angestarrt, also sind wir quitt." meint Carven und kriegt das Grinsen nicht aus seinem Gesicht.
Plötzlich wird er ernst und sein bezauberndes Lächeln macht einer nachdenklichen Miene Platz.
,,Eigentlich wollte ich dich etwas fragen. Und jetzt wo wir alleine sind, wäre es wahrscheinlich am Besten." sagt er und sieht mir in die Augen.
Ich würde ihn gerne darauf hinweisen, dass wir uns in einer Cafeteria voller Studenten befinden und nicht exakt alleine sind, entscheide mich dann aber doch für ein einfaches Nicken und Lächeln.
,,Also..." fängt er an. ,,Unser Kuss gestern." Heilige...
,,Ich weiß, dass es gewissermaßen gezwungen war, aber hat es dir gefallen?" Wieder sieht er mir fest in die Augen. Ich nehme all meinen Mut zusammen und bringe ein Nicken zustande. ,,Und dir?"
Carven nickt grinsend. ,,Der Kuss war das Letzte, an das ich gestern vor dem Einschlafen gedacht habe und das erste, was mir in den Kopf kam, als ich heute Morgen aufgewacht bin."
Bei seinen Worten verstärkt sich das Kribbeln in meinem Bauch enorm und mein Herzschlag beschleunigt sich, doch ich gebe mir alle Mühe, mir nichts anmerken zu lassen.
,,Schön. Da das jetzt geklärt wäre, hast du doch bestimmt nichts dagegen, morgen Abend mit mir auszugehen."
Grinsend sieht er mich an und wackelt mit den Augenbrauen.
Ich muss lächeln. ,,Sehr gerne."
Triumphierend strahlt er mich an, dreht sich einmal im Kreis und haucht mir im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange. ,,Morgen Abend. Acht Uhr. Du wirst es nicht bereuen, Ace." ruft er mir noch zu, bevor er breit grinsend um die Ecke verschwindet.
Da bin ich mir sicher.
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The Change
Teen FictionWie kann ein Mädchen wie ich, einen Jungen wie ihn lieben? Wenn er doch ganz einfach alles zerstört, was ich mir mein Leben lang aufgebaut habe? Es spielt keine Rolle. Denn egal, was dieser eine Junge alles zerstört hat, so hat er mir etwas viel bed...