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Die Narben zogen sich ausgehend von den Schultern in immer kleiner werdenden Sprenkeln hinunter, bis sie an seinem unteren Rücken verblassten.

„Was ist los?", fragte Jasper, drehte sich um, den Mund noch voller Zitronenwasser. Seine Augen waren nur wenige Zentimeter von ihren entfernt. Er schluckte das Wasser herunter, als seine Augen ihrem Blick begegneten.

„Sind das alles Narben?", fragte Lily mit erstickter Stimme. Sie saßen einander jetzt im flachen Teil des Beckens gegenüber, Jaspers Füße waren nur Millimeter von ihren eigenen entfernt. Die ersten Seifenblasen zerplatzen schon leise, als Jasper zu sprechen begann.

„Es war letztes Jahr. In den Sommerferien." Er stockte und sah in die langsam schwindenden Schaumberge, als läge in ihnen etwas verborgen, dass Lily nicht sehen konnte. „Ich erzähle es gerade zum ersten Mal, es ist nicht- Es ist-"

Er blinzelte und sah zu dem Kronleuchter empor. „Es ist nicht schlimm, Jasper", sagte Lily leise. Sie wäre gerne näher an ihn heran gerutscht, hätte nichts lieber getan als einen Arm um seine schmalen Schultern zu legen und ihn zu trösten. Aber etwas hielt sie davon ab, machte die Millimeter, die zwischen ihren Füßen lagen unüberbrückbar.

„Ich muss dir zunächst etwas über meine Eltern erzählen, sonst wirst du es nicht verstehen können." Sie nickte langsam, machte ihm Mut, fortzufahren.

„Mein Vater arbeitet im Zaubereiministerium, er leitet die Abteilung 'Klassifizierung von Lebewesen und Pflanzen' und ist dort auch für deren Transport im internationalen Raum zuständig. Deshalb arbeitet er sowohl für das französische, als auch für das englische Zaubereiministerium."

Die unerschütterlichen Tatsachen wiederzugeben schien Jasper zu beruhigen, wieder den Boden unter sich spüren zu lassen. Seine Stimme wurde fester.

„Erinnerst du dich an den Abend, an dem wir in Hagrids Hütte saßen? Unter dem Tarnumhang, als sie ihn verhaftet haben?" Lily nickte stumm, sie wollte ihn nicht unterbrechen.

„Der andere Mann, der neben Fudge. Das war er. Mein Vater. Iyves Duchess. Er hat dort auf die Chance seines Lebens gehofft."

Jasper schluckte. „Iyves Duchess; derjenige, der das Monster in der Kammer bezwang und aus der Dunkelheit heraus ins Licht der Öffentlichkeit zerrte. Hat leider nicht ganz funktioniert."

„Iyves Duchess?", fragte Lily vorsichtig. „Du... Du heißt doch Claireveaux" Sie verabscheute sich selbst dafür, dass ihre Stimme so gebrechlich klang.

„Dazu komme ich auch noch", antwortete Jasper und lächelte bitter.

„Meine Mutter arbeitete auch im Ministerium, sie war MMIJN. Ministerin des magischen internationalen Jugendnetzwerkes. Meine Eltern haben sich in jungen Jahren auf einem Treffen dieses Netzwerkes kennengelernt, da waren sie fünfzehn."

Er machte eine Pause und für einen Moment erschien Lily sein Lächeln nicht gespielt und künstlich, sondern echt.

„Sie hatte kurz vor den Sommerferien einen neuen Posten übernommen. Nicht nur europaweit, sondern jetzt auch noch transkontinental. Das hat ihr besonders gefallen, wo sie doch in Kanada geboren wurde. In Jasper, um genau zu sein. Aber aufgewachsen ist sie dann in Québec. Jedenfalls-"

Jasper schien kurz seinen Faden verloren zu haben, Lily half ihm nicht, ihn wieder zu finden.

„Mit diesem Posten jedenfalls war es ihr dann möglich, häufiger nach Kanada zu reisen und auch dort zu arbeiten. Deswegen war sie auch nicht da, als ich... Als ich diese Narben bekommen habe."

Er schaute Lily geradewegs an, der Ausdruck seiner Augen war starr und unbeweglich. Sie senkte ihren Blick als erstes.

"Es war im letzten Jahr in den Sommerferien. Am vierzehnten August. Mein Vater hat eine kleine 'Werkstatt' bei uns zu Hause. Wobei es eher eigentlich eher ein Labor ist."

2 - AschemädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt