Dreizehn

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Das Pochen meines Herzens ließ mich aus meinen alptraumartigen Schlaf erwachen, woraufhin ich mich in eine aufrechte Position begab. Mein Schädel schmerzte, da sich herausstellte, dass mein Kissen auf dem Boden lag. Mit einer flüchtigen Handbewegung ließ ich es wieder auf mein Bett fallen und begab mich dazu, die Gewächse zu bewässern. Ich werde dies lange nicht mehr tun können... Doch für meine Freiheit und für die Freiheit meiner Mutter würde ich alles opfern wollen.
Am heutigen Tag gab ich Ihnen besonders viel Wasser und Verpflegung, um mein schlechtes Gewissen erlöschen zu lassen. "Hoffentlich kümmert sich Lyria gut um euch, wenn ich nicht da bin."
Natürlich wird sie das tun. Ich machte mich frisch, packte meine Kleidung, die ich für einige Tage benötige, und schritt nun langsam und leise über die Treppen hinunter. Die bepackte Reisetasche trug ich mit beiden Händen ungeschickt durch die Säle, um den nördlichen Haupteingang ohne Aufruhr erreichen zu können. Ich war nun einige Minuten zu früh am Treffpunkt, jedoch konnte meine Aufregung nichts anderes zulassen.
Auf einmal erkannte ich eine Silhouette hinter dem Glas unserer Tür.
"Phio? Bist du es?", sprach ich leise entgegen.
Statt eine Antwort zu erhalten, wurde die Tür mit einem kräftigen Ruck geöffnet und die Gestalt von Phio war zu erkennen.
Seine Haare ließ er unfrisiert, weshalb sie wuschelig zu Berge standen. Seinen Oberkörper verdeckte er mit einem weißen Shirt, das die Sicht nur auf wenige Tattoos seines Armes verborgen blieb. Erleichtert sah ich in seine dunklen Augen.
Da die Sonne auf einer niedrigen Position stand, waren seine Sommersprossen auf den Wangen kaum erkennbar. Doch ich sah zu ihnen, weshalb ich zu grinsen anfing. Er war nicht mein Versprochener, der nun vor mir stand und seine Hand mir ausstreckte. Er war mein Freund aus alter Kindheit.
Mein Griff verstärkte sich um sein Gelenk, als der Wind durch meine Haare fuhr und diese aufleuchten ließ. Für einen Moment schloss ich meine Augen und atmete den Geruch ein. Ich spürte den Duft von Fichten in meiner Nase und eine wohltuende Wärme kitzelte in meiner Magengrube, obwohl die Luft an meiner Haut sich als eisige Kälte herausstellte.
Ich drehte mich noch einmal um, um den möglich letzten Moment meines Zuhauses, in dem ich mein teilweise ganzes Leben bis zum heutigen Tag verbrachte, zu erblicken. Durch den Fenstern bildete sich bloß Dunkelheit und Abwesenheit. Es schien, alles noch in Frieden zu schlafen.
Noch nicht einmal ein Augenblick verging, als ich meinen letzten Blick zurück schenkte, bis ein unaufhaltsamer Schuss in meinen Ohren dröhnte. Noch ein weiterer. Vor Schreck blieb ich in einer Starre stehen, wo sich jeder einzelner Muskel meines Körpers anspannte. Ich wollte Phios Hand los lassen, jedoch brach er mein Vorhaben ab, indem seine Kraft mein Gelenk vor Schmerz schon fast erdrückte.
Die weitere Hand hielt ich vor meinen Mund, da ich den Anblick, welcher sich vor mir erstreckte, nicht ohne einen Schrei aushalten konnte...
Vor meinen Augen befanden sich zwei Männer meines Vaters. Ihre Sicherheitsjacken waren blutdurchtränkt und ihre Gesichter unerkennbar im Schmutz der Erde. Solch einen Tod hatten sie nicht verdient. Ich kannte sie mein Leben lang und sie bewiesen sich jederzeit als ehrwürdige Männern.
Schockiert sah ich in die Augen Phios, welcher auf meine Reaktion nur ein Schmunzeln auf seinem Lippen hinterließ. "Du hättest dein Gesicht sehen sollen.", kam es lachend aus ihm heraus. Und als ich ihm einen skeptischen Blick zuwarf, kriegte er seine Emotionen wieder beisammen und zog diesmal sanfter an meiner Hand. In der anderen hielt er die Waffe. "Komm schon, Silva. Dein Vater jammert nicht wegen ein oder zwei Männern rum. Er hat genug von denen." Er zuckte mit den Schultern.
Ich gab keinen Ton von mir. Ich hatte keinerlei Antwort auf die Aussage Phios. Mir war bewusst, wie hart dieses Geschäft, in welchen die arbeiten, ist. Sie behandelten Menschen als Objekte zu ihrer Verfügung und zu ihren Nutzen...
Phio öffnete mir die Tür seines Autos, weshalb ich mich auf den Beifahrersitz fallen ließ. Noch immer würdigte ich ihm keines Blickes und auch keines Wortes. Er setzte sich ebenfalls in den Wagen, doch bevor sein Fuß auf die Pedale drückte, warf er mir einen Blick voller Reue zu, den ich bloß aus den Augenwinkel erspäht hatte. Ich wandte mich zur anderen Straßenseite, wo sich der Rand des Waldes erstreckte. Noch nie war ich dem Wald so nah gewesen, was Funken in meinem Herzen auslösten. Ich war froh, diesen Schritt gewagt zu haben, obwohl mich die Tat Phios erschrak. Dennoch wollte ich mir nichts anmerken lassen, was ich trotzdessen tat. Ich wollte stärker und kälter wirken wie mein Bruder.
Im Hintergrund meiner Gedanken konnte ich das Klicken der Sicherung Phios Waffe hören, was meinen Körper zusammenzuckte.
"Tschuldige.", war sein Flüstern und er fuhr mit einer hohen Geschwindigkeit los, als sich schon die ersten Lichter im Haus sichtbar zeigten.
Mit einer quälenden Stille verließen wir den kleinen Ort unserer Heimat und der Wagen trug uns in die nächstgelegene Stadt, in welcher der Bahnhof lag.
Mein Ellenbogen legte ich auf das Innern der Autotür ab und stützte das Gewicht meines Schädel darauf. Ich fuhr mir langsam durch mein goldenes Haar, während die Bäume an uns vorbeistreiften. Ich hatte versucht, sie zu zählen, und doch gab ich nach kurzer Zeit auf.
Schließlich kam mir wieder eine Konversation in die Gedankengänge. Ich hatte mich nie wirklich mit dieser Aussage befasst und doch kam es mir wieder in den Sinn. Ich hob meinen Kopf und richtete mich wieder zu Phio, welcher konzentriert auf die Straße sah. Mit einer Hand griff er entspannt um das Lenkrad und in seinen linken Fingern erkannte ich eine Zigarette, die in einem hellen Rot glühte.
"Von wem habt ihr gesprochen an dem Abend?"
Phio runzelte die Stirn, nahm einen langen Zug seiner Zigarette und ließ diese zwischen seinen Lippenpaaren, da er die weitere Hand benötigte, um einen Fahrer zu überholen.
"Wovon redest du?", kam seine Gegenfrage zurück. Der Rauch glitt aus seinem Mund.
"Du, mein Vater und Luke. Ihr habt von jemanden geredet, der womöglich der Entführer meiner Mutter ist."
Ich spürte wie sich auf einmal seine Muskeln ruckartig anspannten und wie sein Fuß kräftiger auf das Pedal drückte, weshalb die Geschwindigkeit stieg. Er sagte eine Weile lang nichts bis ich ein Murmeln aus der Richtung seinerseits vernahm.
"Nichts ist mit dem. Vergiss das einfach ganz schnell wieder."

The Golden BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt