Ich versuchte, durch den leicht geöffnetem Spalt der Tür Sicht zu erhaschen. Meine Augen konnten jedoch nur die aufleuchtenden Flammen im Kamin erkennen. Meine Füße rückten näher und ein zaghaftes Quietschen der Tür entschlich mir.
"Dann unternimm doch etwas, um Mutter zu uns zu bringen. Schick paar Männer und-..."
Weiter kam mein Bruder nicht.
"Glaubst du, dass wir nicht schon jegliches versucht haben? Doch unsere Männer fanden sie nicht. Keine Spur von ihr."
Luke legte seine Arme am Kaminsims ab und vergrub seinen Kopf in diese. Ich sah, wie er sich mehr und mehr anspannte und seine Fäuste zitternd ballte. Das Licht des Feuers ermöglichte mir die Sicht auf das Gesicht Lukes, wie er leise schluchzte. Mein Bruder schluchzte?
Ich war völlig überrumpelt von der vor mir darbietenden Szene. Ich hatte meinen Bruder noch nie so verzweifelt gesehen.
"Wir vermuten, dass Er sie hat.", kam die ruhige Stimme meines Vaters. Mein Vater war mit derartigen Situationen bereits vertraut, weshalb er seine Wut und seinen Zorn unterdrücken und kontrollieren konnte. Im Gegensatz zu Luke.
Mein Bruder nahm seine Pistole und durch das leise Klicken, vermutete ich, dass er sie entsichert hatte.
"Er wird sterben.", waren die mörderischen Worte, welche er eher zu sich selbst sprach, als zu unseren Vater.
Meine Augen brannten, jedoch entwichen mir keine Tränen. Von wem sprachen mein Vater und mein Bruder?
Auf einmal wurde der Spalt zwischen der Tür und dem Rahmen breiter und ich erkannte die Umrisse Phios. Er verließ den Raum und bevor unsere Blicke sich trafen, richtete ich meine Augen beschämt zu Boden und spielte mit meinen Nägeln. Ich spürte wie die Röte mir ins Gesicht stieg.
Doch ich hörte bloß ein amüsiertes Lachen aus seinem Mund und ich blickte zaghaft auf. Seine weißen Zähne blitzten auf und seine alt bekanntlichen Grübchen waren zu erkennen, da er es anscheinend belustigend fand, mich auf frischer Tat zu ertappen.
"Lach mich nicht aus.", murmelte ich leise, weshalb Phio in ein lauteres Gelächter einstieg. Er nahm meinen Kopf in seine Hände, drückte ihn an sich und drückte einen sanften Kuss auf meine Stirn. "Du bist zu süß.", flüsterte er.
Ich löste mich aus seinen Händen und schenkte ihm einen entsetzten Blick, woraufhin ich meine Arme ebenfalls verschränkte. Meine Mutter war in den Fängen unserer Feinde.
"Meine Mutter ist von einem feindlichen Clan eingesperrt und das Einzige, was dir in den Sinn kommt, ist zu lachen?"
Er kam mir einen Schritt näher und auf seinem Gesicht war sein Lachen vergangen. Seine Lippen schmückte nur noch ein kleines Grinsen.
"Du kennst deinen Vater, Silva. Es fehlt ihnen den Mut, die Frau des mächtigsten Mafiabosses etwas anzutun. Sie werden Lösegeld einfordern und das war's. Taynara passiert nichts, das verspreche ich dir."
Meine wütende Mimik verzog sich in ein trauerndes. Ich wollte bloß meine Mutter wieder. Zunächst war das Gefühl des Vermissens der Grund, sie wiederzusehen, doch nun, seitdem ich dies alles zur Erfahrung gebracht habe, wollte ich sie in Sicherheit wiegen.
"Du kannst es nicht versprechen.", ertönte plötzlich die tiefe Stimme meines Bruders. Er stand direkt hinter Phio, welcher die Augen verdrehte. Luke hatte uns wohl gehört. "Ich werde es dir versprechen."
Mein Blick blieb gesenkt bis ich den letzten Satz meines Bruders hörte. Ich kannte ihn gut und ich wusste, dass er keine leeren Versprechungen macht.
"In zwei Tagen breche ich auf. Ich werde persönlich dafür sorgen, Taynara wieder bei uns zu haben. Ich werde keine Niederlage dulden." Die Stimme meines Vaters war sowie bestimmend als auch voller Zorn erfüllt. Mit diesen Worten verließ er das Geschehen und zog sich in sein Zimmer zurück.
"Du wirst nicht nach Italien reisen." Die Augen meines Bruders hafteten auf meinen.
"Doch! Ich werde nicht tatenlos hier rumsitzen, bis du und Vater wiederkommt. Das kann ich nicht."
"Das musst du aber.", knurrte er und biss sich auf die Lippen, um seiner Wut nicht freien Lauf zu lassen. "Phio, bring sie zu Bett. Sie braucht ihren Schlaf, um wieder klaren Kopf zu bekommen."
Phio nickte Luke zustimmend zu und mit diesem Gewissen ging auch mein Bruder fort. Ich sah ihm nach und rief noch einmal laut seinen Namen. Mich überfiel diese ungewisse Wut, welcher in mir brodelte. Zunächst versprachen sie mir, dass ich meine Mutter in Italien vor meiner Vermählung besuchen konnte und nun, da sie in Gefahr ist, wurde es mir wieder unterlassen. Ist die Gefangenschaft meiner Mutter nicht eine Verstärkung des Arguments, schnellstmöglich zu ihr zu gelangen?
Phio legte seine Hände fest an meine Hüfte, woraufhin er mich, obwohl ich in meinen Gedanken verloren war, zu meinem Bett lenken konnte. Ich ließ mich auf dessen fallen und er legte die Decke sanft über meinen kalten zittrigen Körper.
Die warmen Töne seiner Augenfarbe ließen mich beruhigen. Die Anspannung glitt aus meinen Muskeln und ich spürte, wie sich meine Haut durch die dicke Decke hohe Temperaturen erlangen.
"Mach dir keine Sorgen."
"Tue ich aber! Ich muss diesen Zug nehmen. Ich will hier raus, Phio."
Meine Stimme schien so schwach und naiv, obwohl ich die Worte mit fester Entschlossenheit aus meinem Mund frei lassen wollte.
Er legte seine rechte Hand zärtlich auf meine Schulter, da sich mein Puls abermals erhöhte. Seine andere Hand griff nach einem Stift von dem Schreibtisch. Phio nahm meine Hand und ließ den Stift auf meine Haut Worte färben.
Ich runzelte die Stirn und wollte schon fragen, was das solle, doch ohne seinen Blick auf den Stift und meiner Handfläche abzuwenden, sprach er leise:"Das wirst du noch früh genug erfahren."
Als er fertig war, lag meine Stirn immer noch in Falten. Verwirrung breitete sich in meinem Kopf aus, doch die enorme Müdigkeit ebenfalls. Meine Augen fielen langsam zu. Bevor ich in einen traumlosen Schlaf verfiel, spürte ich seine weichen Lippen auf meiner Stirn, die Wärme in meinen Körper verbreitete.
"Gute Nacht, Silva."
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The Golden Blood
Storie d'amore*** Der Hass, der Schmerz, die Leidenschaft, die Begierde. Alles schien vergänglich. Eine Rose konnte mit einem Windstoß in ihre Einzelteile zerfallen. Ein einziger Windstoß. Doch würde die Rose mit Gold übergossen werden, würde sie immer noch zer...