Neunzehn

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Ich fand mich in einem Raum voller gegensätzlicher Helligkeit wieder. Gewaltige Fenster beschmückten ihn und schenkten eine wohlere Atmosphäre als die des großen Saales, in welchem ich mich vorher befand. Meine Knie pochten vor Angst und Schmerz als die Männer mich auf den dunklen Holz niedergelassen hatten. Dessen starken Arme versuchten mich, wahrscheinlich durch die Anwesenheit Ers, sanft auf den Boden gleiten zu lassen, jedoch ließ dies mein schwacher Körper nicht zu. Die Schwerkraft zog an mir. Zog so stark wie ein Magnet, welcher seinen Gegensatz vermisste.
Meine Muskeln verlangten nicht einmal nach Anspannung und Energie. Sie lagen schlaff wie mein gesamtes Ich auf dem Holz. Bloß meine Hände. Meine Hände ballten Fäuste vor Wut und Hass.

Von meinen Liebenden ließ ich mich wie eine Schachfigur von Ort zu Ort schieben. Ich ließ mich von jenes beeinflussen, was mir meine Freiheit nahm. Ich ließ meine Lippen zu einem Lächeln bilden, um meine Zerbrechlichkeit zu unterdrücken.
Doch nun sank mein Verstand und mein Zorn stieg.

Mit zitternden Händen stand ich nun auf, versuchte, meinen gesamten Körper mit Mut zu füllen. So stand ich nun vor Ihm. Mein Brustkorb hob und senkte sich in beschleunigender Form. Ich sah in seine dunklen Augen, die keine Emotionen zuließen. Nach einiger Zeit, in welcher niemand sich regte gar ein Muskel zuckte, hob der Mann seine Augenbrauen, woraufhin sich Falten auf seiner Stirn bildeten. Er wartete auf eine Reaktion meinerseits, da ich mit meinem Aufstehen etwas darbieten wollte. Meine nicht existierende Stärke.
"Lass mich auf der Stelle frei. Ich bin keine Puppe, die jemand einfach entführen und in irgendein dreckiges Loch stecken kann."
Meine Stimme klang durch den kleinen Raum bis zu den Treppen hindurch. Sie schien stark und voller Selbstbewusstsein. Doch dieser Schein war kein Mut. Es war reiner Zorn, der in mir wütete.
Er kam einen Schritt näher und ließ seinen heißen Atem auf meine Wangen prallen. Sein Gesicht zeigte noch immer keine Regung bis sich ein leichtes Grinsen bildete, als dieser eine meiner Strähnen um seinen Zeigefinger drehte.
"Bist du nicht?"
Er dreht sich um und verschränkt seine Hände hinter seinen Rücken, den er mir nun präsentierte.
"Puppen sind so schwach, so zerbrechlich und klein, besitzen keine Macht, keine Stärke, rein gar nichts. Eine Puppe... Das bist du also nicht?"
Er dreht sich abrupt um und lässt die Fragen durch meine Ohren gleiten. Ich wusste nicht, zu reagieren. Meine Zähne bissen sich abermals in die Haut meiner Lippen.
Seine Augen analysierten aus weniger Entfernung meine. Ich spürte, wie er sie mit seinen Blicken zu durchdringen versuchte.
"Puppen existieren, aber leben nicht. Und wenn sie nicht leben, sollte man sie dann nicht einfach für seine eigenen Zwecke nutzen?"
Sein Grinsen wurde nur noch breiter als er meine Irritierung vernahm. Mein Atem stockte als seine Lippen meine Ohren sanft berührten. Die Angespanntheit der Angst in meinem Körper übernahm die Überhand.
"Du bist einer dieser Puppen und das weißt du. Du weißt es, Silva. Du lebst nicht. Du hast es noch nie getan. Dank deinem geliebten Vater..."
Unangenehmes Kribbeln breitete sich über meinen Rücken aus bis unterhalb meiner Rippen, die meine Lunge zu zerdrücken schienen.
"Und nun wirst du meinetwegen nicht leben können. Ist doch kein Unterschied, oder?"
Als seine Lippen von meiner Ohrmuschel abließen und sein Gesicht, seine Nähe, sich von meiner entfernten, spürte ich keinerlei Zorn mehr im Innern meiner Selbst. Sie wurde von Schwäche und Angst ersetzt.
"Da es schließlich keinen Unterschied macht, kann eine kleine Puppe, wie sie vor mir steht, doch einen kleinen Ortwechsel vertragen, nicht?" Mit diesen bedrohlichen Worten, vernahm ich, die Andeutung auf meine Entführung. Und, dass ich nicht erst nun in Gefangenschaft seiner Macht war, sondern schon immer von jemandes anderen Macht, der die Fäden meiner Gestalt in den Fingern hatte, und das mein gesamtes Leben lang. Vater. War das wahr? Konnte dies möglich sein?
Seine Schritte entfernten sich aus dem Raum, wie auch die der weiteren Fremden, die mich hierher platziert haben. Meine Augen lagen voller Scham und Unterlegenheit auf dem Holz unter meinen Füßen bis dieses Holz von etwas verdeckt wurde. Ich erkannte, wie Er mit einer Handbewegung ein Stück Papier vor meine Sicht warf.
"Vielleicht magst du die als Erinnerung an dich nehmen. Die paar Sekunden deiner lieblichen lächerlichen Freiheit." 
Noch ein dreckiges Lachen ertönte innerhalb der vier Wände, die mich umzingelten, bis meine Gestalt die Einzige in dem Raum war.
Ich nahm die bekannten Buchstaben auf dem Papier wahr und mir wurden alle letzteren Geschehnisse klar wie auch dessen Zusammenhänge. Wie das alles bloß geschehen konnte...

"S C H W E I Z ~ I T A L I E N

12.02.16 ~ 11:05 Uhr

Reservierung (1.Klasse) Silva Cansar"

The Golden BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt