Zwanzig

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Wie versteinert stand ich mit festen Fuß auf dem Boden des nun kalten Raumes. Er hinterließ diese Kälte. Diese ungebändigte Eiseskälte. Meine Sicht auf die verschlossene Tür verschwamm mit den trüben, betäubten Sinnen, die mir noch blieben. Nicht einmal Tränen konnten aus meinen starren Augen entfliehen. Sie blieben in Trance, wie ich es war.
Langsam tasteten meine Füße das harte Holz bis ich meinen steifen Körper in die Richtung des Fensters steuern konnte. Wie konnte mir dies nur passieren? Wie war dies überhaupt möglich?
Mein Rücken lehnte sich langsam gegen die helle Wand, die neben dem Fenster herausragte. Ich spürte jedes Zittern meiner Muskeln und jede Pore meiner Gänsehaut geprägten Haut. Meine Augen richteten sich auf die Freiheit, die vor mir lag. Dunkle Baumgipfel umgaben das steinerne Gebäude, in welchem ich mich befand. Die Sonne war schon hinter den Kronen verschwunden und nur ein sanftes, leichter Schein des Lichtes schenkte mir die Sicht auf die bergige Landschaft.
Ich dachte viel nach. Dachte, was meine Familie in diesem Moment tat, was sie fühlte und was sie als nächstes tun würde. Ich hoffte so, dass sie mich aus dieser elenden Hölle befreien würden. Und dieser Mann, der mich hier gefangen hielt, seine gerechte Strafe erhält. Er soll elendig verrecken...
Ich spürte erst spät, wie sich meine Mimik in eine wütende entwickelte und ich abermals die Fäuste ballte.
Um mich allmählich wieder zu beruhigen, starrte ich wieder durch das Glas des Fensters auf den Hof des Gebäudes. Aus dieser Sicht sah der Weg, den ich von dem Auto zur Tür schritt, so winzig aus, obwohl er mir in diesem Moment unendlich vorkam. Auch das schwarze Auto schien so klein und so unbedeutend, obwohl er mir in diesem Moment alles andere als unbedeutend vorkam. Eher mächtig.
Ich runzelte verwirrt die Stirn und kniff meine Augenbrauen zusammen. Woher kam all diese Macht? Wie hatte dieser Mann, der ungefähr meines Alters war, es zu so viel Einfluss gebracht?
Worüber ich meine Gedanken verschwendete... Unentwegt schüttelte ich den Kopf und ließ vom Fenster ab, um mich in das Bett zu bewegen. Ich hatte alle Kraft verloren, und obwohl die Gefahr erliegt, durch den Schlaf Ihm ganz ausgesetzt zu sein, wollte ich mich meinen Träumen hingeben.
Doch soweit kam ich nicht. Stimmen, welche aus dem Hof in den mir befindenen Raum hallte, ließ mein Körper am Fenstersims verweilen. Die Stimmen wurden lauter, gewaltiger, weshalb ich versuchte, die Besitzer dieser Stimmen zu suchen.
Auf der flachen Wiese des Hofes erstreckte sich ein schreckliches Bild vor meinen Augen. Ich erkannte Ihn. Ihn, weitere schwarz bekleidete Männer und den Mann mit den harten Gesichtszügen, welcher sich als Fahrkartenkontrolleur ausgegeben und mich in das Auto geschleift hatte. Unwohlsein verfolgte nun mein Inneres als ich an die letzteren Geschehnisse nachdachte. Doch dieser Gedanke verschwand so schnell, wie er gekommen war, da meine Sinne dunkelrote Silhouetten auf dem Körper dieses Mannes wahrnahmen. Ich hielt vor Schreck den Atem an und kauerte mich umso dichter an die Scheibe des Fensters. Er wurde von Ihm geschlagen.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
Viermal.
Unzählige Male.
Bis dieser am Boden lag.
Die dunklen Schichten auf diesem Mann waren prägnanter als zuvor wie auch die Gänsehaut, die meinen gesamten Körper zierte. Ich strich über meine Schultern, um mir ein Gefühl von Sicherheit zu geben, was mir nicht gelang. Auf einmal fuhr ein unermesslicher Schmerz durch meine Haut und ich blickte instinktiv auf meine Arme, die noch in bläulicher Farbe getunkt waren. Mich überfiel ein Blitz von Wissen.

"Ich entschuldige mich für das forsche Auftreten Jacks. Ich werde ihn dafür bestrafen lassen."

Er wollte meinen Entführer aufgrund meiner blauen Flecke am Arm bestrafen lassen. War dies die Strafe? Langsam regte sich das Empfinden von Mitgefühl in meinem Körper, obwohl dies der Kerl war, welcher mich erst in dieses Unheil gebracht hatte.
Doch nun lag mein Fokus nicht mehr auf die blutverschmierte Gestalt auf dem Hofboden, sondern auf seinen Täter.
Meine Pupillen vergrößerten sich, als ich erkannte, wie sein Blick in meiner Richtung lag. Seine dunklen Augen betrachtete meine Silhouette, die sich durch das entgegensetzende Licht aus dem Raum bildete. Ich hatte keine Kontrolle mehr über das, was ich tat und wie lange dieser Kontakt unserer Augenpaare wirkte. Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass der Mann, dem diese Augen gehörten, zu allem fähig war...
Hastig unterbrach ich unsere langanhaltenden Blicke, indem ich die Gardinen des Fensters vor meine Augen schob, um eine Wand zwischen uns zu stellen. Ich hatte nur noch mehr Angst und Furcht, die ich nicht bändigen gar beschreiben konnte. Es fühlte sich wie eine Unterdrückung der Wände an, die mich zu zerquetschen drohte.
Um vor diesem Ungeschehen und meinen Gefühlen zu flüchten, sah ich mich inmitten des gewaltigen Bettes wieder, das von rotem Samt umhüllt war. Es ertönten wieder einmal die harten Berührungen von Haut zu Haut, die ich als weitere Schläge Jacks identifizieren konnte.
"Dreiundzwanzig, Vierundzwanzig, Fünfundzwanzig..."
Mein Murmeln wurde zu einem kläglichen Jammern. Und urplötzlich fielen Tränen. Sie waren nicht mehr zu unterbrechen, gar zu kontrollieren. Sie ließen den Stoff des Kissens in dunkle Töne wandeln.
Ich zählte weiter die Schläge, die mir wahrscheinlich mehr Schmerz zufügten, als der betroffenen Person selbst.
Und in diesem Moment wusste ich, dass diese gewisse Angst mich mein gesamtes Leben lang verfolgen würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 01, 2017 ⏰

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