Teil 1

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"Melody! Meine Wäsche muss gewaschen werden!" hörte ich Olivia von unten rufen.
"Melody! Ich habe Hunger! Mach mir etwas zu essen!" rief auch Bianca.
Toll. Der Tag fängt ja schon super an. Seit fünf Jahren geht das jetzt so. Vor fünf Jahren wurde mein Vater qualvoll ermordet. Vor meinen Augen. Und ich wette, Nancy hatte etwas damit zu tun. Nancy ist meine Stiefmutter. Ich habe das Gefühl, sie hatte Vater nur geheiratet, um an sein Vermögen heran zu kommen. Das war vor acht Jahren. Nancy brachte ihre Kinder Bianca und Olivia mit. Seitdem war ich nur noch das fünfte Rad am Wagen. Aber trotzdem weiß ich, mein Vater liebte mich mehr als alles andere. Er konnte und durfte es bloß nicht zeigen.
"Na wird's bald? Wir haben nicht ewig Zeit!" rief nun auch Nancy.
Ach ja! Da war ja was. Gut, schnell umziehen und dann auf in die Schlacht. Viel hatte ich nicht zur Auswahl.  Meine schönsten Kleider hatten sich Bianca und Olivia unter den Nagel gerissen. So blieben mir nur meine alten, verschlissenen Sachen.
Mit schnellen Schritten lief ich die Treppe hinunter.
"Hier. Ich brauche das rote Kleid heute Abend. Also beeil dich." befahl Bianca.
"Wenn du schonmal dabei bist, kannst du meine Kleider auch gleich waschen. Lass dir bloß nicht zu viel Zeit. Wir müssen heute Abend weg." sagte Olivia.
"Melody?" rief Nancy.
"Ich komme sofort!"
"Jeeeeetzt!" schrie sie.
Schnell stellte ich die Wäschekörbe vor der Treppe ab und lief in ihr Zimmer.
"Was ist los? Du schreist,  als hättest du den Teufel persönlich gesehen." scherzte ich.
"Ach, heute sind wir Komiker, ja?"
"Verzeihung. Was kann ich für dich tun?" fragte ich.
"Siehst du dort oben? Oben in der Ecke?" fragte sie und deutete grob in eine Richtung.
"Was soll da sein?" erkundigte ich mich.
"Das siehst du nicht, du dummes Kind?" schrie sie.
"Nein, was soll da sein?" versuchte ich es weiter.
"Dort sitzt eine riesen große Spinne. Du hast nicht ordentlich sauber gemacht!" meckerte sie.
"Verzeihung, ich entferne den ungebetenen Gast sofort." sagte ich.
Während ich versuchte dort oben an die Ecke heran zu kommen, redete Nancy auf mich ein "Weißt du, ich wollte dir eigentlich eine Auszeit gönnen. Aber leider hast du ja viel zu viel zu tun. Und nach dieser Aktion hast du es wirklich nicht verdient. Dabei hatte ich eine so tolle Überraschung für dich. Jetzt müssen Olivia und Bianca für dich gehen."
"Wohin gehen?" fragte ich, die Spinne mittlerweile in der Hand.
"Zu diesem finnischen Sänger, den du so magst. Er tritt heute hier in Köln auf." antwortete sie mit einem bösen Grinsen auf den Lippen.
"Niila?" fragte ich erstaunt.
"Genau der! Ich hörte, es war eine spontane Aktion." erinnerte sie sich.
"Vor einer Woche hat er angekündigt her zu kommen. Also allzu spontan ist es ja nicht." antwortete ich.
"Wie dem auch sei. Du wirst deine Hausarbeiten erledigen. Wenn du nicht fertig bist, wenn wir wieder kommen, dann wirst du nach diesem Wochenende nie wieder zur Schule gehen."
"Aber Nancy, das kannst du nicht tun!" rief ich.
Ich ging doch so gerne dort hin. Die Schule war der einzige Ort, an dem ich meiner Stieffamilie entfliehen konnte. An dem ich mal Melody sein konnte und nicht ihre Cinderella.
Das ist schon irgendwie ironisch. Man könnte fast meinen, ich würde in dem Märchen leben. Nur wo blieb mein Prinz? Und meine gute Fee?
So langsam wird es echt mal Zeit für mein Happy End.
"Na wird es bald? Du hast noch zu tun." scheuchte mich Nancy aus dem Raum.

just another Cinderella-StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt