Kapitel 1

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P.o.V. Jungkook

Ich stoße meine Zimmertür auf, pfeffere meinen Rucksack in die Ecke und lasse mich mit dem Gesicht nach vorne auf mein Bett fallen.

Ich hasse Freitage.

Das klingt jetzt vielleicht seltsam, ein normaler Teenager freut sich ja schließlich auf das Wochenende, man hat es sich ja schließlich auch verdient. Ich wage es, in Frage zu stellen, ob es gerecht ist, dass ich mein "wohlverdientes" Wochenende in meinem Zimmer eingeschlossen verbringe.

Man könnte meinen, ich sei selber schuld, es zwinge mich ja keiner, meine freien Tage so zu überbrücken. Nun, das stimmt, aber ich ziehe es vor, mich in meinem Zimmer einzusperren.

Ich bin kein Fan der Alternative.

Meine Eltern, Mary und Lincoln, sind Alkoholiker.

Das ist schon so, seit ich mich erinnern kann.

Auf meinem Schreibtisch steht ein uraltes Familienfoto. Ich sitze auf Appas Schultern und ziehe an Eommas Haaren. Alan hält ihre Hand und blickt als einziger von uns vieren in die Kamera. Er hat mir mal erzählt, dass er sich nicht erinnern kann, wo das Bild aufgenommen wurde, aber dass es einer unserer letzten Tage als glückliche, normale Familie war.

Ich war damals zwei Jahre alt. Eomma hat kurz später ihre Arbeit verloren. Als Altenpflegerin hat sie zwar nur wenig verdient, aber zusammen mit dem, was Appa fürs Lkw-Fahren bekommt, hat es für uns gereicht. Er könnte uns wahrscheinlich auch alleine durchbringen, wenn Eomma nicht so ein pessimistischer Mensch wäre und die Finger vom Alkohol gelassen hätte.

Sie hat ihn irgendwie auf ihr Niveau heruntergezogen, kurz später fing nämlich auch Appa mit dem Trinken an. Seitdem geben sie das wenige Geld, das wir haben, für ihre Sucht aus. Und wie Appa unter ständigem Alkoholeinfluss seinen Beruf im Straßenverkehr überleben konnte, ist mir bis heute schleierhaft.

Es war wohl eine schwere Zeit, aber davon hab ich durch mein Alter wenig mitbekommen. Alan hat mehr oder weniger meine Erziehung übernommen und angefangen, neben der Schule zu arbeiten. Ich frage mich, wie er das geschafft hat. Schule und Job ist das Eine, aber er hat sich nebenbei auch noch so toll um mich gekümmert, dass es mich in dieser Hinsicht wohl besser erwischt hat als andere, die von ihren Eltern erzogen wurden.

Als ich so über Alan nachdenke, fällt mir plötzlich ein, dass er nächsten Donnerstag Geburtstag hat. Er wird 21, das heißt, ich muss mir irgendetwas Besonderes ausdenken. Ich stöhne bei dem Gedanken, kreativ sein zu müssen, laut auf und wälze mich vom Bett.

Dann schlüpfe ich aus meiner Jeans und dem T-shirt und ziehe mir stattdessen eine Jogginghose und einen besonders gemütlichen Schlabberpulli an. Ich schlürfe aus meinem Reich hinaus, schließe die Zimmertür sorgfältig hinter mir und klopfe vorsichtig gegenüber an.

"Wer da?", grunzt Alans Stimme auf der anderen Seite.

Ich öffne die Tür und frage zurück: "Glaubst du ernsthaft, Eomma oder Appa würden höflich klopfen und um die Erlaubnis, reinkommen zu dürfen, bitten, wenn sie sich tatsächlich mal dazu herablassen würden, überhaupt nach uns zu sehen?"

"Hast Recht. Komm doch bitte rein", antwortet er. "Du darfst es dir auch gerne auf meinem Sofa bequem machen", fügt er mit vorwurfsvoll hochgezogenen Augenbrauen hinzu, als er über den Bildschirm seines PCs schaut und sieht, dass ich das schon längst getan habe.

Ich grinse ihn frech an.

"Was machst du?", will ich wissen.

"Jobsuche", gibt er knapp zurück.

Alan sucht seit mehreren Monaten eine Arbeit, bei der er mehr verdient und die ihm mehr Spaß macht. Kann ich verstehen.

Ich verdächtige ihn ja insgeheim, Workaholic zu sein. Er hat, seit er sieben war, mehr zu tun als bei jedem Vollzeitjob.

Vor drei Jahren hat er seinen High-School-Abschluss gemacht und sich seitdem auf mich und seine Arbeit bei der Tankstelle zwei Straßen weiter konzentriert. Aber ich bin ja mit meinen 16 Jahren kein Kleinkind mehr, und deshalb hat Alan beschlossen, sich eine feste Arbeit zu suchen.

"Und, schon was gefunden?"

Ich ziehe meine Beine zum Oberkörper und lege mein Kinn auf die Knie. Er seufzt und lehnt sich zurück.

"Ja, aber irgendwie nicht das Eine, das Perfekte. Weißt du, was ich meine?"

"Was stellst du dir denn so vor?"

Er verschränkt die Arme hinter seinem Kopf.

"Naja, vielleicht sowas wie... Wie Mediendesigner."

"Hm... Gibt's da was in der Nähe?" Fragend ziehe ich eine Augenbraue nach oben.

"Ich hoffe."

Damit wendet er sich wieder dem Bildschirm zu.

Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe herum.

Dieses "ich hoffe".

Es klang, als ob ihm dieses Mediendings wirklich wichtig wäre. Natürlich freut es mich, wenn mein Bruder etwas hat, das ihm gefällt, aber wenn es keine Ausbildung in der Nähe gibt, wird er selten daheim sein oder vielleicht sogar ganz ausziehen. Der Gedanke macht mir Angst.

Um mich abzulenken frage ich: "Was wollen wir heute essen?"

Alan atmet tief durch. "Kookie, ich schätze deine Gesellschaft wirklich sehr, aber ich versuche gerade ernsthaft, eine Arbeit zu finden. Was nicht einfach ist, wenn du ständig plapperst. Und um deine Frage zu beantworten, ich habe keine Ahnung, aber wir könnten uns Nudeln machen."

Ich ignoriere seine Gereiztheit und ziehe die Nase kraus. "Aber Hyung, wir hatten gestern schon Nudeln und -"

"Halt!", unterbricht er mich, "Denk dir was aus, aber bitte lass mich in Ruhe recherchieren. Du kannst gerne in meinem Zimmer bleiben, aber beschäftige dich leise! Du hast doch bestimmt Hausaufgaben, oder nicht?"

"Ja, aber dafür hab ich doch noch das ganze Wochenende Zeit..."

"Dann lies was, Herrgott nochmal!"

Ich merke, dass er sich stark beherrschen muss, um mich nicht anzubrüllen, deswegen verkneife ich mir den Kommentar, dass wir doch gar keine Christen sind.

Stattdessen ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und google: Beliebte Geschenke 21. Geburtstag.

Ja, ich weiß, meine Kreativität lässt zu wünschen übrig.

♡♡♡

Das erste Kapitel ist fertig! Wie ihr sicherlich schon gelesen habt, geht es um Kookies Alltag. Das nächste Kapitel wird ähnlich aufgebaut sein wie dieses, nur dass es um Jimin geht.
979 Wörter. Proud Roniponi!

Blinde Liebe - BTS Jikook ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt