Kapitel 11

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P.o.V. Jimin

Mir fehlen die Worte.

Als Mr. Miller mit meinem Bruder verschwunden war, hab ich erstmal mit einer Mischung aus Wut, Fassungslosigkeit und Verzweiflung aus dem Fenster gestarrt.

Aber nur etwa eine Sekunde, weil dann Jungkook aus einer Tür gestürzt kam, von der ich keine Ahnung hab, wohin sie führt.

Woher zum Teufel wusste er, dass jemand Hilfe benötigt hat? Denn das wusste er ohne Zweifel, wieso sonst sollte er eine Sense mit sich rumschleppen?

Und seit wann redet Jungkook so viel? Er kann Jake nicht kennen, der Kleine hatte viel zu viel Angst vor ihm. Mit mir hat er noch nie ein Wort gewechselt, obwohl wir seit Jahren in die selbe Klasse gehen. Komisch.

Ich muss ihm dringend ein paar Fragen stellen...

Vielleicht kann er mir sogar helfen, Brian zurückzuholen, wo auch immer er jetzt war. Jake hat ihm hoffentlich klar gemacht, dass das Ganze ohne Polizei ablaufen muss...

Wenn er das bereits getan hat, muss ich mir wenigstens keinen plausiblen Grund für eine nicht-polizeiliche Befreiung meines Bruders ausdenken...

Jetzt reißt Jungkook seinen Blick von mir los und verschwindet hinter Jake in den Raum hinter der Tür, durch die er vorher gekommen war. Wie lange haben wir uns jetzt angestarrt? Eine Minute? Oder eher fünf? Ich weiß es nicht.

Mein Blick klebt immer noch an der Tür, durch die die beiden verschwunden sind. Meine Gedanken schweifen zu dem Tag zurück, als ich Mr. Miller das erste mal gesehen habe.

Es war in einer Nacht in den Sommerferien des letzten Jahres.

Alle begann damit, dass ich mir mit Adrian, Thomas und Jeffrey mal wieder Ananas Express angeschaut hab und wir danach auf die geniale Idee gekommen waren, selber zu kiffen.

Oder zumindest dachten wir, die Idee wäre genial.

Nachdem wir alle möglichen Kräuter aus Eommas Sammlung angezündet und die Dämpfe eingeatmet hatten, spielten wir Wahrheit oder Pflicht.

Als ich Pflicht wählte, wurde mir aufgetragen, etwas Illegales zu tun, egal was. Ich weiß heute gar nicht mehr, wer mir die Aufgabe gegeben hat, dafür war ich viel zu breit, aber an die Folgen kann ich mich umso besser erinnern.

Wir haben uns damals relativ schnell darauf geeinigt, dass das Ziel die Tankstelle war, weil sie in der Nähe und nachts auch noch was los ist. Aber einfach was zu klauen, kam uns zu langweilig vor, und bekifft wie wir waren, haben wir die Schusswaffe meines Vaters aus dem Elternschlafzimmer geholt. Eomma und Appa hatten damals beide Nachtschicht.

Die Pistole war natürlich nicht geladen, aber wir kamen uns trotzdem unglaublich gefährlich vor, als wir, alle mit schwarzen Strümpfen über dem Gesicht, durch die Straßen in Richtung Tankstelle liefen.

Drinnen gab ich dann einen leeren Warnschuss ab und rief: "Ich zögere nicht, auf Menschen zu schießen! Heben Sie alle Ihre Hände und wagen Sie es nicht, die Polizei zu rufen!"

Ich richtete die Waffe auf den Typen an der Kasse und einen Kunden, der gerade zahlte. Sonst was niemand in dem Laden.

Die anderen drei haben Limo und Gummibärchen geklaut. Eine anderthalb-Liter-Flasche Fanta und eine Partybox Haribos. Wahrscheinlich hat der Verkäufer die Bullen nicht gerufen, weil es absolut lächerlich ist. "Entschuldigen Sie bitte, in dieser Tankstelle haben Kinder Süßigkeiten geklaut! Bitte leiten Sie schleunigst die Ermittlungen ein!"

Als wir dämlich kichernd das Gebäude wieder verließen, kam gerade ein neuer Kunde rein. Und dieser Kunde war niemand anderer als Mr. Miller.

Nachdem unsere Tarnung nicht wirklich perfekt war, schaute er mir verdutzt in die Augen und sagte: "Nanu, du bist ein Cunningham, richtig?"

Da war der Rausch plötzlich zu Ende, und ich rannte so schnell ich konnte den Anderen hinterher. Trotzdem hörte ich ihn noch leise lachen und murmeln: "Er sieht aus wie eine ältere Version von Brian..."

Natürlich bin ich seitdem nie wieder in der Tankstelle gewesen und natürlich hab ich danach bereut, sowas unsäglich Dummes getan zu haben, aber trotzdem hab ich eine Scheißangst, dass Mr. Miller mich wegen Drogenmissbrauchs und bewaffneten Raubüberfalls anzeigt.

Mein Beliebtheitsgrad an der Schule würde dann nämlich rapide nach unten sinken, und das könnte ich nicht ertragen.

Ich ärgere mich selbst über meinen verdammten Egoismus, aber es ist nunmal so wie man sagt: An Luxus gewöhnt man sich schnell, und dann kann man nicht mehr verzichten. Will nur immer mehr und immer mehr.

Das Geräusch einer zufallenden Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Ruckartig drehe ich mich um.

Im Gang stehen Jake und Jungkook. Der Jüngere hat jetzt eine Art Riesenpflaster am Hals. Verwirrt schaue ich aus dem Fenster und wieder zu den beiden. Wie lange war ich in Gedanken? Und wieso kommen sie aus der Sportumkleide?

"Wie... woher...?", verwirrt deute ich zwischen ihnen, der Umkleide und dem Fenster hin und her.

"Diese Luke in der hinteren Ecke. Ich habs ja immer für einen Stromkasten gehalten, aber es ist ein Zugang zu dem Geräteschuppen, hat Kookie mir erklärt", bringt Jake mich auf den neuesten Stand.

"Koo-", setze ich an, weil ich gar nicht wusste, dass er einen Spitznamen hat. "Verstehe."

"Ich habs grad schon Kookie gesagt, können wir das ohne Polizei lösen? Mr. Miller hat gedroht, mich umzubringen..." Jake ist wieder den Tränen nahe. Jungkook legt ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Schnell fasst sich der Kleine wieder. "Und Brian auch."

Mir stockt der Atem. "Dieser Psycho will meinen Bruder umlegen?"

"Ich weiß nicht, jedenfalls, wenn wir die Polizei einschalten."

"Was zur Hölle will er von Brian?"

"Er war heute schon den ganzen Tag so komisch. Als Brian in der Früh zu spät gekommen ist, war er richtig wütend, das ist er sonst nie!"

Jungkook runzelt nachdenklich die Stirn, sagt aber immer noch kein Wort. Er ist wohl wieder in seine alte Verschwiegenheit zurückverfallen.

"Und als er sich dann entschuldigen wollte und darum gebeten hat, nichts seinen Eltern zu sagen, war Mr. Miller dann plötzlich ganz freundlich", fährt Jake fort. "Es war richtig unheimlich! Er hat Brian gefragt, ob eure Mutter Dr. Cunningham aus den Krankenhaus ist, und als er ja gesagt hat, hat Mr. Miller mit dem Unterricht begonnen."

Jetzt runzle ich die Stirn. Was will der Typ bitte von meiner Mutter?

"Ähm, okay, das ist alles ziemlich seltsam. Ich verstehe nicht, warum er Brian entführt hat und was das mit meiner Eomma zu tun hat, aber wir müssen ihn befreien. Vor allem, wenn er tatsächlich vorhat, ihn zu töten..." Mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Dann fasse ich mich und schaue erst Jake, dann Koo-, ich meine, Jungkook direkt in die Augen.

Er hat schöne Augen. Und nicht nur das: Als er das erste Mal, seit ich ihn kenne, in meiner Anwesenheit zu sprechen beginnt, stelle ich fest, was für eine angenehme, samtweiche Stimme er hat: "Dann muss wohl ein Plan her, und zwar ein guter."

Gerade will ich antworten, als mein Handy klingelt. Als ich auf das Display schaue, stockt mir der Atem.

"Es ist Brian!", hauche ich.


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1142 Wörter!

Blinde Liebe - BTS Jikook ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt