Kapitel 9

185 13 20
                                    

Als Frank Miller auf die Autobahn auffährt, denkt er über sein Vorgehen mit Jake nach.

Hätte er ihn lieber auch mitnehmen sollen? Oder umlegen?

Nein, er hatte ihm genug Angst gemacht. Frank grinst, er ist fast ein bisschen stolz. Schade eigentlich, dass er seine böse Seite nicht früher entdeckt hat.

Gut gelaunt macht er das Radio an, er hat schließlich noch eine weite Fahrt vor sich. Daheim kann er den Jungen ja wohl kaum unterbringen, das würde seine Frau nicht zulassen.

Seltsam, findet Frank. Er hatte gedacht, seine Frau müsste einen noch stärkeren Rachedurst haben als er. Man spricht doch sonst immer von Mutterinstinkten...

Aber egal, so macht er eben die Drecksarbeit. Seine Frau wird es schon verstehen, wenn es getan ist. Sie wird ihn mehr lieben als je zuvor, da ist Frank sich sicher.

Am Wochenende hat er alles genau geplant. Es gibt keine Lücken, zumindest nicht mehr, Jake hat er ja außer Gefecht gesetzt.

Er wird Brian zu einer Lagerhalle außerhalb der Stadt bringen und dort erst einmal unterbringen. Ein paar Tage wird alles seinen normalen Lauf nehmen, nur ohne den Jungen.

Oh, seine Eltern werden krank vor Sorge sein! Frank klatscht vor Vorfreude aufgeregt in die Hände.

Am Ende wird es darauf herauslaufen, dass Mrs. Cunningham einen anonymen Anruf mit dem Standort ihres Sohnes entgegen nimmt, schleunigst zur Lagerhalle fährt und ihren geliebten Jungen leider tot auffindet, mit diversen Verletzungen, die er sich nicht selbst zugefügt haben kann, und leicht abgemagert.

Zu diesem Zeitpunkt wird Frank aber schon längst in China sein, um sich dort mit seiner Frau ein neues Leben aufzubauen und viele Kinder zu bekommen.

Die Polizei wird zwar eventuell die ein oder andere Spur entdecken, die auf Frank hindeutet, aber sie wird machtlos sein.

Dr. Cunningham wird ihres Lebens nicht mehr froh werden, weil sie ihren Sohn verloren hat. Sie wird den Schmerz, den sie mit der Totgeburt von Franks Erstgeborenen den Millers zugefügt hat, tausendmal stärker zu spüren bekommen.

Franks Grinsen wird immer breiter. Nichts wünscht er sich mehr, als dass diese Frau ihr Leben lang leidet. Sie hat es verdient. Das ist seine Rache.

Als im Radio sein Lieblingslied "Paint it black" anspielt, singt er lauthals und falsch mit.

☆ ☆ ☆

"Es tut mir leid", beendet der Arzt seinen Vortrag, der geschlagene 35 Minuten gedauert hat.

Müssen immer alle Leute um den heißen Brei herumreden, wenn es doch eigentlich um so simple Dinge geht? Was Mr. Cunningham, der Mann, der mich seit etwa eineinhalb Jahren medizinisch betreut, eigentlich auch in einem Satz hätte sagen können, ist folgende Info: Grace wird sterben. Bald.

"A-aber, Dr. Cunningham, gibt es nicht noch eine Therapie, die wir noch nicht gemacht haben?", will Mrs. Johnson wissen.

Grace legt ihrer Mutter behutsam eine Hand auf den Arm.

"Naja, also...", setzt der Arzt an. "Es würde noch eine Behandlungsmethode geben, aber sie würde Grace' Tod nur herauszögern, nicht verhindern. Und ich fürchte, dass es eine der unangenehmsten Therapien in diesem Krankenhaus ist. Die meisten Krebskranken bereuen im Nachhinein, sich für sie entschieden zu haben."

"Grace, du machst das doch trotzdem, oder?" Mrs. Johnson hat Tränen in den Augen. "Mein Engel, ich will dich nicht verlieren!"

Grace schluckt schwer. "Eomma, ich... Ich glaub ich will das nicht mehr. Der Schmerz wird doch für dich auch nur noch größer, wenn du mich jeden Tag ansehen musst und weißt, dass ich sterben werde. Es ist besser, wenn wir es jetzt zu Ende bringen."

"Grace, wie kannst du nur! Du hast jetzt so lange gekämpft, du kannst doch nicht einfach aufgeben!", schluchzt ihre Mutter.

In Grace Augen bilden sich jetzt auch Tränen, doch sie lächelt Mrs. Johnson trotzdem aufmunternd zu. Es ist das erste echte Lächeln seit einer Ewigkeit. Grace weiß, dass es der richtige Weg für sie ist.

"Wie lange hab ich denn noch?", wendet sie sich an den Arzt.

"Zwei Wochen, vielleicht drei. Du wirst weiterhin in die Klinik kommen, jetzt mehrmals in der Wo-"

"Ich würde gerne nicht mehr kommen. Meine letzten Tage möchte ich bei meinen Freunden und bei meiner Familie verbringen."

Dr. Cunningham zögert. "Ohne ärztliche Betreuung ist es vielleicht noch eine Woche."

Grace presst ihre Lippen aufeinander und nickt. Ihre Mutter lässt ein lautes Schluchzen vernehmen.

"Ich denke, wir werden uns nicht wieder sehen", sagt Grace. "Danke für Ihre freundliche Unterstützung die letzten eineinhalb Jahre. Ich hätte keinen besseren Arzt bekommen können."

"Und Sie sind sich wirklich sicher?"

"Ja."

"Ich wünsche ihnen noch angenehme Tage." Insgeheim ist Dr. Cunningham froh, dass Grace Johnson sich für den Tod und gegen die Behandlung entschieden hat. Er sieht, dass das Mädchen glücklich mit ihrer Entscheidung ist und hätte es nicht mitansehen können, dass sie unter der Therapie leidet.

Grace erhebt sich und schüttelt dem Arzt die Hand. "Ich werde dafür sorgen, dass Sie zu meiner Beerdigung eingeladen werden", flüstert sie ihm zu. "Bitte kümmern Sie sich um meine Mutter!"

Dr. Cunningham lächelt ihr aufmunternd zu und nimmt sich vor, die Nachbetreuung von Mrs. Johnson persönlich zu übernehmen.

"Eomma, lass uns jetzt gehen." Grace nimmt ihre Mutter am Arm und zieht sie behutsam aus der Klinik.

Mrs. Johnsons Blick ist ganz leer und über ihre Wangen laufen leise Tränen.

Vor dem Gebäude winkt Grace ein Taxi heran. Es ist besser, wenn ihre Mutter heute nicht mehr Auto fährt.

Als die beiden in den Wagen steigen und Grace dem Fahrer die Adresse nennt, schaut dieser Mrs. Johnson mitleidig an. Er hält offenbar Grace' Mutter für die Patientin.

Grace kann es ihm nicht verübeln. Mrs. Johnson ist wirklich so aufgelöst, als ob sie gerade erfahren hätte, dass sie nur noch eine Woche hat.

Das Mädchen hält die ganze Fahrt über die Hand ihrer Mutter. Daheim gibt sie dem Fahrer sein Geld und führt Mrs. Johnson ins Haus.

Drinnen drückt sie die völlig aufgelöste Frau in ihr Bett und deckt sie zu.

Schwach lächelt sie, bevor sie in ihr Zimmer geht und anfängt, einen Abschiedsbrief an Jungkook zu schreiben.

Bis es passiert soll er noch in Unwissenheit bleiben. So ist es gut. So soll es sein. Es ist Grace' Schicksal.


♡♡♡

So, das wars also. Ich bin nicht wirklich zufrieden mit diesem Kapitel, der Teil mit Mr. Miller sollte spannender und schlimmer werden und der mit Grace trauriger...
1034 Wörter!

Blinde Liebe - BTS Jikook ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt