P.o.V. Jungkook
Wie jeden Morgen warte ich bei dem knorrigen, alten Baum vor der Schule auf Grace. Gedankenverloren starre ich auf die Hauswand gegenüber.
Ich hatte Alan am Wochenende kaum gesehen. Fast durchgehend hat er recherchiert und Bewerbungen geschrieben, als gebe es kein Morgen. Ich habe seinen Kochdienst übernommen, und er hat es noch nicht mal gemerkt, weil er so abgelenkt ist zur Zeit. Beim Essen hat er sich immer total beeilt und sogar die Blätterteigtaschen, die er sonst immer unerträglich langsam, genüsslich verspeist, und die ich extra gemacht hatte, um ihm eine Freude zu machen, hat er ohne ein Wort hinuntergeschlungen.
Auf meine Fragen, wie die Jobsuche läuft, hat er nur sehr minimalistisch geantwortet. Es ist offensichtlich, dass er nicht darüber reden will, also hab ich damit aufgehört und das stille Haus einfach hingenommen.
Aber trotzdem frage ich mich, wieso er so abweisend reagiert, wenn ich ihn nach seiner Arbeit frage...
Verheimlicht mir Alan etwa was? Plant er jetzt schon meinen Geburtstag? Oder... hat er womöglich eine Freundin, die er heimlich durch sein Fenster schmuggelt und bei sich woh-
Der Signalton meines Handys unterbricht meine Gedanken.
Hey du, tut mir leid, ich komm heute nicht, mir gehts nicht gut... aber wir sehen uns ja morgen wieder!
Grace ist also wieder krank. In letzter Zeit fehlt sie irgendwie häufiger als früher, oder bilde ich mir das nur ein?
Langsam schlendere ich über den Schulhof. Ich bin zu spät, weil ich zu lange auf Grace gewartet habe. Eigentlich haben wir vereinbart, dass wir nur bis Punkt acht Uhr aufeinander warten, aber ich stehe normalerweise immer bei dem Baum, bis sie entweder kommt oder eine Nachricht schickt, wo sie ist.
So ist es auch heute. Und nachdem ich ohnehin schon zu spät bin, machen die paar Minuten auch keinen Unterschied mehr.
Als ich das Schulgebäude betrete, ist es merkwürdig still. Ich mag die Stille von Schulhäusern. Normalerweise sind die Gänge mit lärmenden Schülern der unteren Jahrgangsstufen voll, und irgendwie löst es ein angenehmes Gefühl in mir aus, wenn etwas das Gegenteil von normal ist.
Als ich Grace mal davon erzählt habe, hat sie die Theorie aufgestellt, dass ich so empfinde, weil ich schwul bin, und das ja im Grunde auch etwas entgegen der Normalität ist. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll...
Ich bin jetzt schon fast bei den Biosälen angekommen und lausche auf meine Schritte. Kurz vor der Tür werde ich langsamer und bleibe schließlich stehen. Ich zähle bis zehn, dann hebe ich meine Hand, um anzuklopfen.
"Jungkook, warte!", höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Eine vertraute Stimme. Ich erstarre zu einer Salzsäule, als ich eilige Schritte auf mich zukommen höre.
"Du bist auch zu spät?", fragt Jimin.
Er... er kennt meinen Namen? Aber wie? Woher? Wa-
Ich bemerke Jimins fragenden Blick auf mir, und realisiere, wenn auch nur langsam, wie durch Watte, dass er mir eine Frage gestellt hat und eine Antwort erwartet.
Mein Hals ist trocken. Ich schlucke schwer. "Ähhhh", kommt nur aus meinem Mund, als ich versuche, "ja" zu sagen.
Peinlich. Ich könnte im Boden versinken. Jahrelang hab ich insgeheim auf diesen Moment gewartet. Dass er mich anspricht, meinen Namen kennt. Und jetzt bring ich noch nicht mal einen vernünftigen Satz zustande, noch nichtmal ein Wort. Peinlich, einfach nur pei-
Jimin lächelt.
Er... er lächelt? Aber wa-
Ich realisiere, dass meine Augen vermutlich so aussehen, als ob sie mir gleich aus dem Kopf fallen, und gebe mir Mühe, möglichst normal zu wirken.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Jimins Lächeln nicht von seinen Lippen gewichen ist, stelle ich fest, dass ein effektiver erster Schritt auf dem Weg zum Normal-wirken das schließen meines vor Ungläubigkeit offen stehenden Mundes wäre, und setze meine geniale Idee sofort in die Tat um.
Peinlich. Einfach nur peinlich.
"Danke fürs Warten, wäre unangenehm für uns beide gewesen, wenn wir da einzeln reinmüssten, oder?" Jimin nickt mit dem Kopf in Richtung Tür und zwinkert mir zu.
Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob es möglich ist, etwas noch peinlicheres und unangenehmeres zu erleben als die Situation gerade mit Jimin.
Dieser klopft mir jetzt auf die Schulter und dann an die Tür, welche einen Augenblick später auch schon geöffnet wird.
Als Jimin als erster das Klassenzimmer betritt, ziehe ich scharf die Luft ein. Ich habe wohl die ganze Zeit den Atem angehalten... Naja, zumindest muss ich mir so keine Sorgen machen, ob ich ihn mit Mundgeruch vergrault habe.
Nein, das hab ich schon viel eleganter geschafft...
Mit einem Sicherheitsabstand von eineinhalb Metern zu Jimin betrete auch ich den Biosaal und setze mich auf meinen Platz ganz hinten. Als ich an Emma vorbeigehe, höre ich ein leises: "Was zum-" aus ihrem Mund und sehe ihren Blick ungläubig zwischen mir und ihm hin und her huschen.
Sie wird später eine Erklärung wollen. Dabei weiß ich doch selbst nicht, was gerade passiert ist!
Jimin kennt tatsächlich meinen Namen? Und er hat versucht, ein Gespräch mit mir anzufangen? Wie zur Hölle ist das möglich?
Ich wünschte, Grace wäre heute hier. Ich brauche unbedingt ihre Interpretationsgabe.
Andererseits habe ich es Grace' Abwesenheit zu verdanken, dass ich in diese Situation gekommen bin. So viel negatives und peinliches mir dadurch auch widerfahren ist, ich weiß jetzt das, was wirklich wichtig ist: Jimin Cunningham weiß von meiner Existenz!
Mein Schwarm hat mich angesprochen. Meine erste und einzige große Liebe hat mich angelächelt! Jimin hat mir zugezwinkert! Ich wiederhole: zugezwinkert! Und er hat mich berührt...
Früher fand ich diese Klischees aus Liebesfilmen immer total übertrieben und unrealistisch, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher... Ich glaube nicht, dass ich den Pulli, den ich heute anhabe, jemals waschen werde. Er wurde schließlich von ihm berührt...
Ich bin immer noch in Gedanken, als der Gong bereits die zweite Stunde beendet...
♡♡♡
Dieses Kapitel und damit auch die Handlung war so nie geplant, aber ich habe einfach meinen Gedanken freien Lauf gelassen, und das kam dabei raus...
Mal schauen, was ich in Zukunft damit anstelle... xD
995 Wörter.
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Blinde Liebe - BTS Jikook ff
Fanfic♡ BTS FF ♡ Jikook ♡ Säd. Einfach säd. Jungkook und Jimin stammen beide aus schwierigen Verhältnissen. Beide leben schon lange damit, dass sie ungeliebt sind, mit nur wenigen Vertrauten und wahren Freunden. Doch eines Tages geschieht ein Unglück, das...